Kultur

Salzburger Festspiele: Schatten über der Stadt

Als Schwarz-Blau ins Salzburger Land zog, war der Aufschrei der Kulturszene verhalten. Seither wächst jedoch das Misstrauen gegen die Koalition. Während die einen eine Ausweitung der Kulturkampfzone Salzburg feststellen, sehen andere nur eine „Provinzposse“. Die FPÖ gibt sich friedfertig.

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Alles eine Frage des Klimas. Die Hitze ballt sich unter dem Zelt der Presseterrasse, hoch über den Salzburger Festspielstätten. Ein Julinachmittag, einer von vielen PR-Terminen für das kommende Woche anrollende Festival, das die Stadt alljährlich mit Kulturpublikum und Touristenmassen füllt. Kameralichter, Fotografen, Mikrofone – und ein Lob der überraschend auftauchenden Altpräsidentin unterm Sonnensegel. Helga Rabl-Stadler, bis vor zwei Jahren Präsidentin der Salzburger Festspiele, raunt ihrer Nachfolgerin Kristina Hammer leise Aufbauendes zu. „Schönes Interview von dir in der ‚Kronen Zeitung‘. Sehr gut gemacht.“ Mehr sagt Rabl-Stadler nicht, zumindest offiziell nicht, auch die improvisierte profil-Anfrage schmettert sie derart kategorisch ab, dass sich jedes Nachhaken erübrigt. Kein Wort über die ersten Festspiele unter umstrittener schwarz-blauer Landesregierung. Nichts zum Bündnis von ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer und FPÖ-Landesparteiobfrau Marlene Svazek. Rabl-Stadler ist eine geübte Diplomatin, die ihr Gesicht auf der Presseterrasse hinter großer Sonnenbrille versteckt. Das Salzburger Festspielklima, erhitzt in jeder Hinsicht, will sie nicht kommentieren.

Markus Hinterhäuser

Intendant der Festspiele

Ein regelrechtes Unwetter zieht derzeit etwa über den Kopf des Intendanten Markus Hinterhäuser hinweg, seiter in einem „Standard“-Interview Anfang Juni dem Schauspieler Cornelius Obonya „abgenutzten Aktionismus“ nachgesagt hat. Salzburgs Ex-Jedermann Obonya hatte den Kolleginnen und Kollegen „aus allen Bereichen der Kunst“ empfohlen, zu Beginn von Haslauers Festspielrede 2023 geschlossen die Felsenreitschule zu verlassen. Hinterhäuser schäumte: Es sei von „bemerkenswerter gedanklicher Schlichtheit“, die immer gleichen Rituale gegen die FPÖ zu setzen, wie Pawlow’sche Hunde auf Regierungsbeteiligungen der Rechtsextremen zu reagieren. Auf dem dünnen Eis einer auch als ÖVP-Opportunismus lesbaren Kritik an der Protestkultur glitt Hinterhäuser aus. Seither werden ihm „reaktionäre Entgleisungen“ („Falter“), unangebrachte Polemik und „Wadlbeißerei“ (Franz Schuh im „Standard“) unterstellt.

„Kritischer Kaktus“

Seit Ende Mai ist die Landes-Koalition zwischen ÖVP und FPÖ besiegelt. Unter Kulturschaffenden blieb es zunächst eher ruhig. Wenige begehrten auf, die meisten schwiegen betreten. Im Nachgang einer Demonstration gegen Schwarz-Blau wurden dann doch Stimmen laut. Literaturhaus-Chef Tomas Friedmann etwa nannte den Regierungspakt eine „Koalition der Schande“, die Kunstszene werde als „kritischer Kaktus“ auftreten.

Müsste nicht gerade Österreichs größtes Festival selbst darauf hinweisen, dass es politische Schlagkraft besitzt? Kunst als Waffe in Zeiten von Liederbuch-Affären, rassistischen Attacken auf Schülerinnen (siehe jene von FP-Landesrat Gottfried Waldhäusl) und Herbert Kickls verstörendem Wunsch, das Recht habe der Politik, nicht die Politik dem Recht zu folgen? Darf sich eine Großveranstaltung wie die Festspiele der Widerrede gegen solche Auswüchse einfach entschlagen? Und wäre das ein Skandal?

Anruf bei Ilija Trojanow. Der Schriftsteller hielt 2022 die Festrede in Salzburg. Damals ging es um den Krieg in der Ukraine. „Skandalös ist zunächst einmal die Unverbindlichkeit der Prinzipien in der Politik“, sagt Trojanow: „Es ist demokratieschädigend, wenn jede vorangegangene Haltung nach der Wahl zur Disposition gestellt wird. Die viel beschworene Kompromissfähigkeit darf nicht einem interessenorientierten Zynismus weichen. Die Kunst wehrt sich eh, mit ihren ureigenen Mitteln, indem sie Ambivalenz, tiefere Reflexion und die Gestaltung alternativer Weltsichten anbietet.“

Ilija Trojanow ist gerade auf Reisen. Er nimmt das Salzburger Kulturunwetter aus der Ferne wahr. Müssen sich Oper und Theater politisieren? „Das hat noch nie funktioniert“, meint Trojanow: „Luigi Nono zum Beispiel war überzeugter, parteipolitisch aktiver Kommunist. Das hat nicht verhindert, dass seine Werke in Salzburg rein ästhetisch rezipiert wurden. Standing Ovations nach dem Satz ‚Die Bourgeoisie an die Wand und erschießen!‘.“

An der Welt verzweifeln

Im Mirabellgarten ist Salzburg ganz bei sich. Eine Touristenführerin spricht über den Film „The Sound of Music“. Andächtiges Lauschen der Reisegruppe. Der Schriftsteller Vladimir Vertlib, 57, lebt seit Jahren in der Stadt. Für Salzburg-Kitsch hat er an diesem Nachmittag nur heitere Gleichgültigkeit übrig. Vertlib ist kürzlich in anderweitige Salzburger Untiefen abgetaucht. Er besuchte die Demos gegen Schwarz-Blau und schrieb Landeshauptmann Haslauer einige Tage vor Besiegelung des schwarz-blauen Pakts eine E-Mail, die der Autor später auf Facebook veröffentlichte. Kernsatz daraus: „Wenn es dazu kommt, wird es bei den Festspielen und allen anderen Festivals in Salzburg zu Aktionen von Künstlerinnen und Künstlern gegen Schwarz-Blau kommen.“

Er werde niemanden mit Pferdeäpfeln bewerfen, lacht Vertlib: „Schwarz-Blau wird bei den Festspielen Thema sein, auch wenn es nicht zu großen Protesten kommen wird. Ich bin dagegen, dass Leute belästigt, Veranstaltungen gestört werden. Ich bin für deutliche Worte, für konsequentes Lästig-Sein. Ich wünsche mir, dass die Kritik an der Politik leitmotivisch spürbar wird, in Andeutungen, Kommentaren, Interviews, bei Reden und Podiumsdiskussionen. Davon gehe ich aus. Sollte ich mich irren, werde ich noch verzweifelter an der Welt sein.“ Haslauer hat Vertlib gemeinsam mit einem weiteren Salzburger Schriftsteller und einer Autorin für kommende Woche auf ein Mittagessen eingeladen. Ein Kalmierungsversuch? Es ist davon auszugehen, dass Haslauer von Vertlib einiges zu hören bekommen wird. Freundlich im Ton, hart in der Sache.

Salzburgs Kulturagenden liegen nun bei der ÖVP, bei Landeshauptmann-Stellvertreter und Sebastian Kurz-Intimus Stefan Schnöll, 35, der für Anfragen unerreichbar blieb. Er weile auf Urlaub, hieß es aus seinem Büro nur. Als Kulturneuling vermittle Schnöll, der einst die Nachfolge von Wilfried Haslauer antreten soll, „glaubhaft so etwas wie Aufbruchsstimmung“, meint Angela Glechner, die seit 2012 den unabhängigen Kulturverein Szene Salzburg leitet. „Er sucht jedenfalls das Gespräch mit den Künstlerinnen und Künstlern. Ein anerkennendes Interesse ist spürbar, auch abseits der Hoch- und Repräsentationskultur. Aber klar ist: Den Gesten müssen Taten folgen, die Budgets erst einmal ausgehandelt werden.“ Wie schätzt sie das politische Klima in der Stadt ein? „Die Menschen reagieren relativ verhalten, abwartend auf die neue Regierung, auch in der Kultur. In Salzburg ist alles stiller als beispielsweise unlängst in Niederösterreich.“

Hymne mit Schollenschwulst

Das Kapitel „Kultur, Sport und Ehrenamt“ im Regierungsübereinkommen 2023–2028 ist schmal: In der 50-seitigen Publikation beansprucht Kulturelles kaum drei Prozent des Gesamtvolumens, dabei geht man unter Punkt „11.1 Kultur“ schon sehr ins regionale Detail: vom Landesski-Museum bis zu „Sound of Music“, von der Orgelsanierung bis zur Wirtshauskultur. Und „unsere Salzburger Landeshymne“ sei endlich „landesgesetzlich zu verankern“, heißt es da. Denn Haslauer hält diese für ein „unverrückbares Identifikationssymbol“, und auch seine Stellvertreterin Marlene Svazek sieht keinerlei Bedarf, sie zu verändern, nur weil darin allerlei Dinge zu finden seien, „die man als nicht mehr zeitgemäß erachtet“. In Verruf geriet die Hymne allerdings nicht ohne Grund: Komponist Ernst Sompek war glühender Anhänger der Nazis, Textautor Anton Pichler ein kriegsverherrlichender Priester, der den „schwülstigen Schollentext“ (so der Schriftsteller Ludwig Laher) beisteuerte.

Ist die Kunst gezwungen, sich gegen eine solche politische Grundstimmung zu wehren? „Müssen muss sie nicht“, sagt Vladimir Vertlib im Mirabellgarten: „In der Demokratie darf sie alles sein, auch apolitisch – was nicht meine Haltung ist. Ich stamme aus Russland, einem Land, in dem Kunst und Kultur den von der Politik unterdrückten Menschen die Möglichkeit zum Atmen gaben und geben. Kulturelles kann etwas bewirken, auch wenn es nur im Kleinen ist, kann Türöffner, Irritation, Anregung zum Nachdenken sein.“

Dom-Baustelle „Jedermann“

Der Regisseur Michael Sturminger ist für ein Herzstück der Festspiele zuständig; er inszeniert seit 2017 schon den „Jedermann“, er nennt es: „die Dom-Baustelle leiten“. Damit erreicht er jedes Jahr immerhin 33.000 Menschen. Inzwischen ist er bei seinem dritten Titelhelden angelangt: Nach Tobias Moretti und Lars Eidinger ist nun Burgtheaterstar Michael Maertens an der Reihe. Jahrzehntelang habe man den „Jedermann“ quälend konservativ inszeniert: „Hier wurde lange so getan, als könnte man Max Reinhardts Inszenierung an der Herz-Lungen-Maschine am Leben erhalten.“ Für Hinterhäusers Positionen hat Sturminger Verständnis. „Natürlich ist die FPÖ in der Landesregierung grauenvoll, aber was mir unglaublich auf die Nerven geht, sind Leute, die sich empören, damit nichts riskieren, aber stets die anderen moralisieren wollen.“ Wenn er und sein Team in Salzburg nun den „Jedermann“ mit starken politischen Gegenwartsbezügen spielen werden, so wolle man „in erster Linie zeigen, was wir selbst falsch machen, wie sehr wir selbst das Problem sind: Das schließt mich als Regisseur ein, den Jedermann als Figur und all jene, die sich das anschauen. Ich will kein Theater machen, das am Ende alle im Publikum darin bestärkt, dass ‚wir‘ die Guten sind und die anderen die Bösen!“

Bettina Hering

Schauspieldirektorin der Festspiele 

Bettina Hering, Schauspieldirektorin der Festspiele, absolviert heuer ihre siebente und zugleich letzte Saison; sie schlägt vor, auf die Zumutung einer rechtspopulistischen Landesregierung mit den Mitteln der Kunst zu reagieren – „weltoffen, unbeirrbar, diskursiv, alert, unabhängig, bunt wie der Regenbogen“. Als politisch versteht sie ihr Schauspielprogramm „selbstverständlich“. Wer sich am Theater mit der Verfasstheit der Welt auseinandersetzt, agiere notgedrungen ideologisch.

Festival für zwei Prozent?

Das kleine Büro von Kay-Michael Dankl ist im Stadtverwaltungsbau am Mirabellplatz untergebracht. Ein goldfarbener Lift führt zu seinem karg möblierten Arbeitsplatz im zweiten Stock. Plakate mit Wahlaufrufen für leistbares Wohnen an den Wänden. Dankls KPÖ plus erreichte bei den Landtagswahlen Ende April fast zwölf Prozent der Stimmen und zog erstmals seit 1949 in den Salzburger Landtag ein. Als Mitglied des Gemeinderats der Stadt Salzburg brachte Dankl, 34, kürzlich im Zusammenhang mit den Festspielen zwei Anträge ein: Einerseits fordert er, die „Jedermann“-Bühne auf dem Domplatz an spielfreien Tagen für lokale Kulturinitiativen zu öffnen. „Zwei Monate lang steht diese Bühne“, rechnet Dankl vor: „An nur 15 Tagen wird sie bespielt.“ Andererseits drängt Dankl darauf, zumindest drei „Jedermann“-Aufführungen für lokales Publikum bei freiem oder fast freiem Eintritt abzuhalten. „Salzburg darf nicht nur die schöne Postkarte sein, die von Touristenmassen durchwandert wird“, sagt er. „Es gibt keine einzige Studie, die misst, wie viele Menschen, die in Salzburg leben, jemals an einer Festspiel-Aufführung teilgenommen haben. Es würde mich wundern, wenn es mehr als zwei Prozent wären.“

Kay-Michael Dankl

KPÖ-Plus-Mandatar

Klassische KPÖ-Themen, könnte man sagen: mehr Forderung nach Teilhabe, wider die Entfremdung der Menschen. Kultur als Gemeinbesitz – mit überraschenden Untertönen: „Künstlerisch bieten die Festspiele Erlesenes und Kritisches. Attacken wie früher unter Karajan, als die Linke die bösen Hochkulturspektakel gebrandmarkt hat, sind nicht mehr nötig.“ Es geht Dankl auch um den Wirtschaftsstandort. Die bereits einige Jahre alte „Wertschöpfungsanalyse“ der Salzburger Wirtschaftskammer sei „ohne jegliche Angaben von Quellen und Methoden errechnet worden, nur um die ökonomischen Argumente pro Festspiele zu stützen“, sagt Dankl: „Die Wertschöpfung muss endlich seriös ermittelt werden, auch mit den versteckten Kosten.“

Merkel zahlt selbst

Fakt ist aber auch: Ohne die Festspiele könnte Salzburg zusperren. Nach dem Landeskrankenhaus ist das Festival der zweitgrößte Arbeitgeber des Landes. Mit einem Budget von rund 67 Millionen Euro operieren die Festspiele heuer, vom Bund kommen lediglich 7,36 Millionen, von Land, Stadt und Tourismusverband je 3,68 Millionen. Fast drei Viertel ihres Etats – 48,6 Millionen Euro – werden durch Kartenerlöse, Sponsoring, Spenden, Miet- und sonstige Erlöse finanziert. 2019 wurden die bislang höchsten Einnahmen durch Kartenverkäufe lukriert: fast 31 Millionen Euro, davon allein im Sommer 29,6 Millionen. Die Auslastung betrug 97 Prozent.

Die touristischen und wirtschaftlichen Synergien sind immens, ob man der letzten Wertschöpfungsstudie nun im Detail glaubt oder nicht; in ihr wurde festgestellt, dass die gesamtwirtschaftlichen Effekte sich auf jährlich 183 Millionen allein in Salzburg, auf 215 Millionen Euro in ganz Österreich beliefen. In Salzburg schufen die Festspiele rund 2800 Arbeitsplätze, im Rest Österreichs 600 weitere. An den Staat flossen als direkte und indirekte Abgaben und Steuern 77 Millionen Euro, also ein Vielfaches der durch die öffentliche Hand investierten Summen, zurück.

Von den Gratiszählkarten für das Eröffnungsfest abgesehen, kosten alle entgeltlichen Tickets zwischen fünf und 465 Euro, rund die Hälfte sind im untersten Preissegment zwischen fünf und 110 Euro angesiedelt. Die Karten für „Jedermann“ kosten zwischen zehn und 190 Euro. Gratistickets für prominenten Besuch sind offenbar nicht die Regel: Deutschlands Altkanzlerin Angela Merkel, langjähriger Stammgast der Festspiele, muss ihre Eintrittskarten selbst bezahlen. Das Durchschnittsalter des Festspiele-Publikums liegt bei 55 Jahren, nicht eingerechnet allerdings das Jugendprogramm „jung&jede*r“, das den Durchschnitt deutlich senkt.

Kein Grund zur Panik

Salzburgs Kampfzone weit rechts liegt nur ein paar Schritte vom linken Hoheitsgebiet entfernt. Das Büro der freiheitlichen Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek, 31, ist unweit der Dankl-Kammer zu finden. Svazek betont ihre Nähe zu den Festspielen: „Die Freiheitlichen haben eine gemeinsame Geschichte mit diesem Festival. Wir haben es nie infrage gestellt, immer differenziert betrachtet.“ Hinterhäusers Worte habe sie „als sehr wohltuend empfunden, weil so endlich einmal ausgesprochen wurde, dass sich dieses reflexartige Hinbeißen, ohne überhaupt zu wissen, was wir beispielsweise im Kulturbereich wollen oder planen, überholt hat.“ Zwischen den Zeilen schwinge „immer der Vorwurf mit, dass Kunst und Kultur, sobald Freiheitliche regieren, zu Grabe getragen werden. Das stimmt mit der Realität keineswegs überein, es ist weder in unserer politischen DNA verankert noch in unserem Parteiprogramm.“

Die Reaktionen auf die neue Koalition, die zwischen ängstlichem Schweigen und starkem Gegenwind changieren, empfindet sie als „erwartbar“. Vor dieser Landesregierung müsse niemand Angst haben, sagt sie. „Wir machen keine Politik der Einschüchterung, um irgendjemanden zum Schweigen zu bringen.“ Cornelius Obonya habe sie in der Zwischenzeit übrigens zu einem klärenden Gespräch eingeladen. Das Treffen sei „wertschätzend, respektvoll“ verlaufen, den näherliegenden Begriff „ergebnislos“ verkneift sie sich. Beide seien ihre jeweiligen Kritikpunkte durchgegangen.

Eine „Provinzposse“ nennt „Jedermann“-Regisseur Michael Sturminger ironisch die Empörung über die neue Koalition. Muss man nicht wachsam bleiben? „Schon. Aber ich muss mich mit der tagespolitischen Situation in Salzburg nicht auf der Bühne auseinandersetzen. Das heißt nicht, dass ich nicht alle fremdenfeindlichen und asozialen Aussagen seitens der Politik sehr ernst nehme. Man muss klare Haltung zeigen. Aber dieses dauernde virtue signalling, das sich durchgesetzt hat, ist doch furchtbar. Ich würde doch nichts riskieren, wenn ich mich mit der Veröffentlichung einer großen Tirade gegen Svazek als ‚Kämpfer gegen rechts‘ wichtig machen würde – nur weil sie den ‚Faistenauer Jedermann‘ unserer, wie sie sagt, ‚linkslinken‘ Inszenierung vorzieht.“

Fremdeln mit der Kultur

Sepp Schellhorn, 56, residiert im Herzen der Festspiele. Der Ex-NEOS-Nationalratsabgeordnete betreibt das Restaurant „M32“ am Mönchsberg. „Ich liebe diese Zeit“, sagt Schellhorn. In den sechs Festspielwochen macht das „M32“ ein Drittel seines Jahresumsatzes. Möglichen Kulturwettereintrübungen blickt Schellhorn gelassen entgegen: „Nur der Landeshauptmann muss bei bester Gesundheit sein, sonst müsste Frau Svazek die Eröffnungsrede halten.“ Es sei nur so: „Je mehr Provokation auf beiden Seiten entsteht, desto mehr hilft dies der FPÖ. Ich will ihr nicht mehr helfen. Sollten politische Entgleisungen geschehen, muss man aufschreien. Es wäre aber ungerecht, der FPÖ ihr altes Fremdeln mit der Kultur vorzuhalten.“

Schellhorn, der Macher und Anpacker, kann den Festspielstart kaum erwarten: „Es gibt drängendere Probleme als den Kulturbetrieb. In Salzburg braucht es keine Klimaproteste, weil der Verkehr ohnehin jeden Tag stillsteht.“ Da ist sie wieder, die Sache mit dem Klima.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.