„Lukoil gibt bekannt, dass es aufgrund der Einführung restriktiver Maßnahmen gegen das Unternehmen und seine Tochtergesellschaften durch einige Staaten beabsichtigt, seine internationalen Vermögenswerte zu verkaufen“, erklärte der russische Konzern am Montag, dem 27. Oktober, in einem kurz gefassten Statement. Es würden bereits Angebote potenzieller Käufer geprüft. „Ich gehe davon aus, dass das Management längst Pläne für diesen Fall hat. Der Verkaufsprozess wird jetzt bestimmt in enger Abstimmung mit den US-Sanktionsbehörden stattfinden“, sagt der auf Sanktionsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Lukas Röper. Das zuständige Office of Foreign Assets Control (OFAC) hat eine Frist bis 21. November gesetzt, bis zu der alle Geschäftsbeziehungen zu den sanktionierten Unternehmen abgewickelt werden müssen.
Lukoil hat bereits angekündigt, unter Umständen eine Verlängerung zu beantragen, um den laufenden Betrieb von kritischer Infrastruktur nicht zu unterbrechen.
Am Donnerstag erklärte der russische Konzern, dass es eine Einigung mit einem potenziellen Käufer gibt: Die Gunvor Group mit Sitz in Amsterdam und Genf habe ein Angebot für die Lukoil International GmbH abgegeben. "Lukoil hat das Angebot akzeptiert und sich verpflichtet, keine weiteren Verhandlungen mit anderen potenziellen Käufern zu führen." Gunvor ist ein Ölhandelskonzern, der vom schwedischen Unternehmer Torbjörn Törnqvist und dem russischen Oligarchen Gennadi Timtschenko gegründet wurde. Timtschenko gab seine Anteile ab, kurz bevor er auf die US-Sanktionsliste gesetzt wurde. Er gilt als enger Vertrauter von Wladimir Putin. Ob die Transaktion die Zustimmung der US-Sanktionsbehörden erhält, ist offen.
Lukoil ist einer der größten privaten Erdölproduzenten der Welt. Der Konzern ist eine wirtschaftliche Lebensader Russlands und einer der größten Steuerzahler. Lukoil und der ebenfalls sanktionierte staatliche Ölkonzern Rosneft sind zusammen für zwei Drittel der russischen Ölexporte verantwortlich. Um das in Relation zu setzen: Die Einnahmen Russlands aus dem Öl- und Gasgeschäft machen rund ein Drittel der föderalen Einnahmen aus.
Bilanzgewinn in Milliardenhöhe
Anhand des gerade erst hinterlegten Jahresabschlusses für 2023 lässt sich erahnen, um welche Summen es bei dem Lukoil-Verkauf geht. Die „Anteile an verbundenen Unternehmen“, also die internationalen Beteiligungen des Konzerns, werden in der vom Wirtschaftsprüfer KPMG testierten Bilanz zum Stichtag 31.12.2023 mit 16,2 Milliarden Euro bewertet. Der Bilanzgewinn der Lukoil International GmbH belief sich auf mehr als 15,3 Milliarden Euro. Laut einem Gesellschafterbeschluss vom 10. Oktober 2025 gibt es für das Jahr 2023 keine Gewinnausschüttung (2022 waren es 170 Millionen Euro). „Der im Jahresabschluss ausgewiesene Bilanzgewinn (nach Steuern) in Höhe von EUR 15.316.371.727,49 wird entsprechend dem Vorschlag des Geschäftsführers der Gesellschaft auf neue Rechnung vorgetragen.“
Wie die zahlreichen Unternehmensbeteiligungen nun genau veräußert werden sollen, ist noch unklar. Innerhalb des Konzerns gibt es Lieferverträge, Haftungen und andere Verflechtungen, die sich nicht so einfach auflösen lassen. Auch die Zukunft des Österreich-Geschäfts ist ungewiss. Lukoil ist in Österreich nicht nur eine Verwaltungseinheit. In einem Werk mit 150 Beschäftigten im Wiener Ölhafen Lobau werden Schmiermittel wie zum Beispiel Motoröle produziert.
„Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, ist die Lage derzeit äußerst herausfordernd, und es gilt, zahlreiche organisatorische und rechtliche Fragen zu klären. Darüber hinaus verstehen Sie sicher, dass wir im laufenden Verkaufsprozess keinerlei Details bekannt geben können“, sagt Michael Löwy, Director of International Markets von Lukoil, auf profil-Anfrage. Löwy ist 2022 zu Lukoil gewechselt, davor war er in der Industriellenvereinigung als Bereichsleiter für Internationale Beziehungen der Experte für Sanktionen.
Geschäftspartner in Österreich haben auf die US-Sanktionen gegen den russischen Ölkonzern reagiert. Der Österreichische Tennisverband und der Fußballklub Austria Wien haben Sponsoringvereinbarungen mit Lukoil aufgekündigt. Bald könnten andere folgen. „In der Regel beenden Banken die Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen, die unter US-Sanktionen stehen, sehr schnell“, sagt Sanktionsexperte Lukas Röper. Auch wenn die amerikanischen Sanktionen rechtlich in Europa nicht wirken, reicht die Drohung, vom US-Finanzsystem abgeschnitten zu werden. Im Extremfall könnte das sogar dazu führen, dass Banken aus dem Handel mit US-Dollar ausgeschlossen werden.
Über welche Banken die Lukoil-Finanzen laufen, ist nicht bekannt. Sicher ist: Es ist nicht die Sberbank. Die staatlich-russische Bank hatte bis vor Kurzem ihre Europazentrale ein paar Häuser entfernt von Lukoil, am Schwarzenbergplatz 3. Die von der EU und den USA sanktionierte Sberbank Europe AG musste am 1. März 2022 den Geschäftsbetrieb einstellen und ist inzwischen abgewickelt.