Babybasteln
Unlängst bin ich in einer österreichischen Tageszeitung* auf einen Artikel gestoßen, der sich wie eine Anleitung fürs Babybasteln aus europäischen Zutaten las. „Eizelle aus Spanien, Samen aus Dänemark“ lautete der Titel, und in der Einleitung stand, dass viele Paare mit Kinderwunsch für Fruchtbarkeitsbehandlungen ins Ausland gehen, weil dort die Gesetze „liberaler“ seien und ihnen „weniger Steine in den Weg gelegt“ werden. Die Geschichte las sich wie eine Rüge für das rückständige Österreich, das Eizellenspenden nur ohne Bezahlung gestattet und Leihmutterschaft überhaupt verbietet, während anderswo eine breite Angebotspalette an Möglichkeiten zur künstlichen Fortpflanzung erlaubt ist. Weil die Geschichte auf mich wie eine Werbeeinschaltung der Reproduktionsbranche wirkte, fragte ich in der Redaktion nach den Hintergründen des Zustandekommens und erhielt als Auskunft, was ohnehin am Ende des Artikels stand: Er sei im Rahmen des Pulse-Projekts und unter Mitarbeit der spanischen Zeitung „El Confidencial“ entstanden. Das Pulse-Projekt sei ein grenzüberschreitendes Journalismusprojekt, bei dem zehn europäische Medien zusammenarbeiten, meistens zu Themen mit EU-Bezug.
Es zeigte sich ein Verständnisproblem: Ich verstand die unkritische Haltung der Geschichte nicht, die Redaktion verstand meine Frage nicht.
Es scheint, als wäre das Thema Fortpflanzung ganz selbstverständlich in der Abteilung Serviceeinrichtungen zur Lifestyle-Optimierung angekommen. Gewusst wo, wenn es darum geht, sich einen Kinderwunsch zu erfüllen: Eizellspenderinnen findet man reichlich in Spanien, sie erhalten dort durchschnittlich 900 Euro pro Spende. In Spanien bleiben sie anonym. Wer möchte, dass das Wunschkind einmal die Spenderin kennenlernen kann, wendet sich besser an eine Eizellenbank in Estland.
Samenspenden auch für Single-Frauen gibt’s in 37 europäischen Ländern, besonders in Dänemark ist künstliche Befruchtung alltäglich. Dänemark kennt allerdings eine Altersgrenze für IVF-Behandlungen, Estland nicht. Und so weiter. Sie wünschen, wir liefern, Kinder sind machbar. Wer sich schon einmal mit der Frage beschäftigt hat, weiß: So einfach ist es nicht. Fertilitätsbehandlungen sind teuer, physisch wie psychisch belastend, und die Wahrscheinlichkeit, dass es mit einem Kind doch nicht klappt, ist hoch.
Eizellspenderinnen gehen ein nicht unbeträchtliches gesundheitliches Risiko ein, Leihmütter ein noch viel höheres. Und wie es jungen Menschen geht, die ihre Existenz einer gespendeten Eizelle, einer Samenspende und einer Leihmutter verdanken, darüber gibt es widersprüchliche Berichte.
Ich verkenne nicht das Leid, das ein unerfüllter Kinderwunsch verursacht. Ich verstehe, dass man sich nicht so ohne Weiteres damit abfinden mag, und halte es grundsätzlich für gut, dass die Medizin zu helfen versucht. Aber wo hört die Hilfe auf, und wo fangen Profitgier und Verantwortungslosigkeit an?
Es ist bekannt, dass sich die Fortpflanzungsmedizin inzwischen in einen boomenden Geschäftsbereich verwandelt hat, wo mit der Hoffnung auf Kinder gedealt und unmäßig verdient wird. Diejenigen, die das Rohmaterial (ja, das muss man so grob ausdrücken) liefern, schneiden dabei am schlechtesten ab. Die Eizellspenderinnen und Leihmütter (und auch die Samenspender) verdienen wenig, der Handel und Zwischenhandel in Form der sogenannten Kinderwunschkliniken machen Gewinn.
Aber es soll hier nicht um eine eventuelle Korrektur von Geschäftsbedingungen gehen, sondern um die Frage, wie es passieren konnte, dass Kinder im allgemeinen Bewusstsein zur herstellbaren Ware wurden, die man anfertigen lassen kann wie einen Maßanzug.
Warum gelten Gesetze, die dem verantwortungslosen Handel mit Eizellen, Samenzellen und gemieteten Gebärmüttern sowie der Ausbeutung menschlicher Sehnsüchte einen Riegel vorschieben, als illiberal? Was bedeutet „liberal“ in diesem Zusammenhang? Dass ein Markt etabliert werden darf, der den Bedürfnissen betuchter Konsument:innen gerecht wird ohne Rücksicht auf (durchaus vorhersehbare) Kollateralschäden? Darüber sollte und muss diskutiert werden, gerne in grenzüberschreitenden Projekten.