Causa Wöginger: Postenschacher sollte Jobverlust bedeuten

Der ÖVP-Ethikrat verhält sich in der Postenschacher-Causa um Klubchef August Wöginger streichelweich. Das Problem liegt woanders: Die Sanktionen für Schiebereien sind zu lasch.

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Der ÖVP-Ethikrat macht es einem derzeit schwer, nicht über ihn zu staunen. Das Gremium aus honorigen Alt-Funktionären wie der früheren steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic soll eigentlich moralische Vergehen von Parteimitgliedern ahnden.

Doch was tat der Ethikrat stattdessen in der Postenschacher-Causa um ÖVP-Klubobmann August Wöginger? Er stellte Wöginger einen Persilschein aus, obwohl Chatnachrichten zeigen, wie er – erfolgreich – für einen Parteifreund intervenierte, damit dieser einen Finanzamtsposten in Oberösterreich bekommt. Eine besser geeignete, aber parteipolitisch weniger gut vernetzte Frau wurde übergangen. Ein Musterbeispiel für das in Österreich tief verwurzelte Prinzip „Kennen statt Können“.

Es ist naheliegend, sich über den ÖVP-Ethikrat zu belustigen, die Schönfärbversuche genüsslich zu sezieren und ganz generell die Sinnhaftigkeit dieses Gremiums zu hinterfragen. Nur: Wirklich überraschen sollte die Haltung der schwarzen Moralhüter niemanden. Das Gremium ist eben durch und durch mit langgedienten Parteifunktionären besetzt. Sie haben die wichtigste Währung in der Politik verinnerlicht: Loyalität. Und handeln entsprechend.

Eine derart parteipolitisierte Verwaltung ist gefährlich. Sie lähmt und missbraucht den Staatsapparat.

Damit legt der Ethikrat eines der Hauptprobleme der Postenschacherei offen: Viele Funktionäre fühlen sich ihrer Partei gegenüber stärker verpflichtet als dem öffentlichen Amt, das sie bekleiden. Besonders dann, wenn sie ihre Funktion ausschließlich der Parteizugehörigkeit verdanken – solche Fälle sind in allen Parteifarben dokumentiert.

Wenn Parteifreunde nach oben geschoben werden, kann es schon einmal passieren, dass der Schieber den Geschobenen später an seine offene Schuld erinnert. Die Tür zum Missbrauch steht dann weit offen. In der Vergangenheit soll es vorgekommen sein, dass sich eine Partei bei einem befreundeten Beamten nach den Steuerdaten der Konkurrenz erkundigte.

Eine derart parteipolitisierte Verwaltung ist gefährlich. Sie lähmt und missbraucht den Staatsapparat. In Landespolizeidirektionen, Bezirksverwaltungen und bei der Sozialversicherung lässt sich so gut wie jede Abteilung einer politischen Fraktion zuordnen. Was alle wissen: Die Zugehörigkeit zur richtigen Gewerkschaftsfraktion kann wie ein Karriereturbo wirken. Wer dagegen aufs falsche Parteibuch gesetzt hat, muss die beruflichen Ambitionen bis zum nächsten Machtwechsel vertagen.

Denn parteipolitisch engagierte Menschen sind nicht per se schlechter qualifiziert. Auch sie können ungerechtfertigterweise geschnitten werden. Frust und Resignation sind die Folge, wenn zu oft die belohnt werden, die das System der Günstlingswirtschaft am besten durchschauen. Und so entstehen kuriose Konstellationen: In einem Fall brachte ein unterlegener Bewerber bei der Gleichbehandlungskommission vor, dass er wegen seiner Weltanschauung vom FPÖ-nahen Abteilungsleiter diskriminiert worden sei. Der Mann, der den Job bekam, sei zwar offiziell bei der ÖVP, „aber immer der FPÖ zuzuschreiben gewesen“.

Zurück zur Causa Wöginger: Der Fall hat gezeigt, dass die bestehenden Regelungen löchrig sind. Mit der Diversion ging die Causa, trotz Belegen in Form von Chats, denkbar glimpflich für den Klubchef aus.

Die Profiteure des Postenschachers, die durch Vitamin B ins Amt gehievt werden, haben kaum etwas zu befürchten. Zu keinem Zeitpunkt stand zur Debatte, dass der ins Amt gehobene Bürgermeister seinen Finanzamtsjob verliert – oder dass die übergangene Kandidatin Christa Scharf doch noch zum Zug kommt. Wobei im konkreten Fall erschwerend hinzukommt, dass er den Job gar nicht mehr hat und sie bereits im Ruhestand ist.

Die Sanktionen sollten im Extremfall auch den Jobverlust des Begünstigten bedeuten.

Es bräuchte neue Wege, den Filz einzudämmen:

Erstens: Die Kommissionen, die über Postenvergaben entscheiden, sollten unabhängiger vom starken Einfluss der Minister und der gefärbten Personalvertreter werden – denkbar wäre eine Besetzung mit ressortfremden Personen.

Zweitens: Transparenzpflichten bei der Postenvergabe könnten Wunder wirken: Eine schriftliche und öffentliche Dokumentation über die Entscheidungsgründe würde die Hürde für Schiebereien erhöhen.

Drittens: die angesprochenen Sanktionen, die im Extremfall auch den Jobverlust des Begünstigten bedeuten sollten.

All das wäre ein klarer Bruch mit der Realverfassung der Zweiten Republik – aber ein notwendiger. Wenn die Regeln gegen Postenschacher greifen, wäre es auch unerheblich, was Ethikräte darüber denken.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef und seit 2025 Mitglied der Chefredaktion bei profil. Gründete und leitet den Faktencheck faktiv.