Leitartikel

Österreich. Heute.

Wer kann die Republik aus dem Sumpf der Inseratenkorruption retten? Unter anderem: Sie!

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In unserer Republik werden Inserate von der öffentlichen Hand „ohne konkretes Informationsbedürfnis“ geschaltet, und zwar „in erheblichem Umfang“, und weil das ziemlich teuer kommt, läuft der ganze Vorgang „entgegen den Interessen der Republik“. Diesen dringenden Verdacht hegt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und beschreibt damit das, was in Österreich seit Jahren „Inseratenkorruption“ genannt wird. Anders formuliert: Politiker kaufen mit dem Geld des Staates (oder von Unternehmen in dessen Einflussbereich) Inserate bei Medien, die sich ihrerseits mit positiver Berichterstattung über diese Politiker revanchieren.

Am Donnerstag um 9 Uhr früh führten die Ermittlungsbehörden eine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der Geschäftsführung der Tageszeitung „Heute“ durch. Verdacht: siehe oben. Tatverdächtig sind unter anderem Eva Dichand, Geschäftsführerin und Herausgeberin von „Heute“, und auch ihr Ehemann, „Krone“-Herausgeber Christoph Dichand. Eva Dichand soll laut Aussage von Thomas Schmid, dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium, eine wohlwollende Berichterstattung im Abtausch gegen Inserate und ein für sie und ihre Familie vorteilhaftes Stiftungsrecht in Aussicht gestellt haben. Mutmaßlicher Nutznießer des Deals (und der positiven Berichterstattung): Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

Das Szenario dürfte jeder Österreicherin und jedem Österreicher bekannt vorkommen. Richtig, die Vorwürfe in den laufenden Verfahren um das täglich erscheinende Druckerzeugnis „Österreich“ von Wolfgang Fellner lauten ganz ähnlich. Auch in diesem werden die Vorwürfe zurückgewiesen.

Doch die Unschuldsvermutung gilt zu Recht für in Verdacht geratene Personen, nicht aber für ein weitverbreitetes System. Niemand kann bestreiten, dass in Österreich Regierungsstellen abstrus hohe Summen für Inserate ausgeben und dass es lächerlich ist, dies mit einem Informationsbedürfnis zu rechtfertigen. Weshalb sollte das Bedürfnis der Öffentlichkeit, von Regierungsstellen informiert zu werden, in Österreich um ein Vielfaches größer sein als etwa in Deutschland, wo die Inseratenbudgets der Regierungen umgerechnet auf die Einwohnerzahl einen Bruchteil des österreichischen Wertes ausmachen?

Mit den Inseraten krude Eigenwerbung zu machen, wurde 2012 durch das sogenannte „Kopfverbot“ eingeschränkt, das untersagt, in Inseraten Politikerfotos zu verwenden. Bleibt noch der Umweg, dass Medien mehr oder weniger nutzlose Inserate von Regierungsstellen abdrucken und als Dank dafür im redaktionellen Teil die Auftraggeber der Inserate positiv in Szene setzen.

Tja, so ist das nun mal mit Korruption, und was soll man da tun? Nun, das Besondere an der Inseratenkorruption ist, dass wir alle als Bürgerinnen und Bürger in mehrfacher Weise eine Rolle spielen. Erstens ist es unser Geld, das verschleudert wird. Zweitens wird es von Leuten verschleudert, die wir wählen. Drittens sind wir potenzielle Leserinnen und Leser der Zeitungen, die an solchen Machenschaften verdienen.

Daraus folgt die simple Handlungsanleitung: Wir müssen Zeitungen, die uns mit ihren manipulierten Beiträgen für dumm verkaufen, nicht lesen, und wir müssen diese Politiker, die dafür unser Geld ausgeben, nicht wählen. Das ist leicht gesagt, kann man einwenden, denn: Sind nicht alle so? Darauf eine eindeutige Antwort: Nein. Wer lesen kann, dem werden gekaufte Schönfärbereien neben großflächigen entgeltlichen Einschaltungen ins Auge springen. Machen wir ein Experiment: Blättern Sie durch mehrere profil-Ausgaben, notieren Sie Inserate der öffentlichen Hand, und suchen Sie nach positiven Artikeln über die Auftraggeber. Schicken Sie Ihr Ergebnis bitte an [email protected].

Und die Politik? Die in dieser Woche von Medienministerin Susanne Raab eingebrachte Novelle zum Medientransparenzgesetz bringt Verbesserungen bei der Meldepflicht, lässt jedoch wesentliche Probleme unangetastet: Die Höhe der Inseratenbudgets und die Möglichkeit, dass die Entscheidung, in welchen Medien inseriert wird, in Ministerkabinetten getroffen wird.

Dreistellige Millionenbeträge für Inserate der öffentlichen Hand sind nicht bloß Geldverschwendung, sondern auch eine gefährliche Manipulation der öffentlichen Meinung. Was im 19. Jahrhundert die Zensur war, ist heute die gekaufte Berichterstattung – beides bewirkt im Ergebnis eine Irreführung der Öffentlichkeit.

In einzelnen Fällen gelingt es der Justiz, auf gerichtlich verwertbare Indizien für Inseratenkorruption zu stoßen – sichergestellte Chats zwischen Medienmachern und (Mitarbeitern von) Politikern, ein Kronzeuge. Im Regelfall ist Korruption schwer zu beweisen, selbst wenn sie so augenfällig ist wie ein Inserat.

Doch wir alle sehen die Inseratenbudgets und deren Ergebnisse. Wir sollten Erstere beeinspruchen und Letztere ignorieren.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur