Blue Genes
Einer der größten, wenn nicht überhaupt der größte Unterschied zwischen Linken und Rechten heutzutage ist dieser: Rechte sind ziemlich bis erschütternd doof – Linke hingegen überdurchschnittlich bis herausragend klug. Jeder wird Ihnen das bestätigen. Also gut, vielleicht nicht jeder. Aber zumindest jeder, auf den es ankommt. Und der es ja nun auch wirklich aus erster Hand weiß. Also jeder Linke.
Die Beweisführung für die Richtigkeit dieser Einschätzung kann jederzeit angetreten werden, in den letzten Tagen zeigt sie sich zum Beispiel eindrucksvoll anhand der Kontroverse um die Jeans-Werbung von Sydney Sweeney. Die – wie es im fortschrittlichen, bekanntlich keinerlei Diskriminierung duldenden Neusprech korrekterweise leicht angesäuert zu heißen hat – „normschöne“ US-Schauspielerin nützt ihre Bekanntheit und ihr per se schon verwerfliches Aussehen immer wieder für lukrative Werbedeals. Und als ob das allein nicht schon als moralische Bankrotterklärung genügen würde, tut sie dies in der Werbung für die Marke „American Eagle“ auch noch mit einem Wortspiel, das sich um den phonetischen Gleichklang der Worte „Jeans“ und „Genes“ dreht.
Mehr hat sie nicht gebraucht. Eine weiße, blauäugige und blond(gefärbte) Frau – und „Gene“? Da muss die progressive Empörungs-WG auf Social Media selbstredend Amok laufen. Herr Pawlow und sein Hund hätten die hellste Freude. Schnell war der Vorwurf der „Eugenik“ auf dem Tisch und von „White Supremacy“. Also jedenfalls alles voll Nazi. Auch hierzulande musste sich die Qualitätspresse – klarerweise sehr tadelnd – dazu äußern. Die Schriftleiterin der Toleranzplattform „diestandard.at“, die ungekrönte Königin des „Rage-Bait-Journalismus“, dekretierte: „Man muss nicht überkritisch sein, um hier die Verknüpfung gängiger Werbeästhetiken mit rassistischen Vorstellungen von, großartigen Genen‘ zu sehen, die Rassisten eben als weiß, blond und blauäugig fantasieren.“ Ja. Überkritisch vielleicht nicht. Aber möglicherweise was anderes. Jedenfalls, so der Schluss daraus, müsse man sich unbedingt empören. Auch das ist zweifellos richtig, es wird sich ja generell viel zu wenig empört. Gerade die Konsumenten von Qualitätsmedien können nicht genug davon bekommen, alle Zahlen beweisen das.
Auch die „Pressebeauftragte“ von ZARA schlug in profil-online in die Eugenik-Kerbe und befand weiter: „Sie reproduziert das rassistische Narrativ weißer Überlegenheit und spielt damit nicht nur rechten Akteur:innen in den USA in die Hände, sondern auch in Österreich.“ Und auch diese Dame muss es wissen, schließlich ist ZARA jene Organisation, die leider alljährlich einen Anstieg rassistischer Untaten in Österreich um schon wieder zig Prozent feststellen muss, und zwar anhand von ihr in aufopferungsvoller investigativer Kleinarbeit aufgedeckter brutalster Übergriffe à la „Muslimin in U-Bahn am Kopftuch gezogen!“.
Leider sieht aber nicht jeder so klar, wer hier „rechten Akteur:innen“ in die Hände spielt. Im bekannt rechtsradikalen „Guardian“ zum Beispiel versteigt sich eine Kolumnistin zu der wohl witzig gemeinten Theorie, dass es in den USA „Massen von Undercover-MAGA-Agenten gibt, deren einziger Job es ist, als woke Krieger zu posieren und Dinge zu sagen, die dermaßen provokant dämlich sind, dass sie den ohnehin schon kaputten globalen Ruf der amerikanischen Linken noch tiefer sinken lassen. Oder, um es in deren bevorzugter Sprache auszudrücken: Wenn der Vizepräsident und Fox News freudig eure nützlichen idiotischen Wortmeldungen aufgreifen, dann ist es durchaus möglich, dass ihr auf dem Platz gelandet seid, den ihr am allerwenigsten mögt: auf der falschen Seite der Geschichte.“ Das ist mindestens so skandalös wie Sweeney selbst, ich hoffe „diestandard.at“ schreibt schon an einer geharnischten Entgegnung.
Manche würden sich mitunter vielleicht dennoch wünschen, die ebenso tapferen wie emsigen, durchwegs weißen Beschützerinnen jedweder von ihnen selbst als solche identifizierten Minderheit würden sich so manche Lebensweisheit der von ihnen ungefragt unter die Fittiche Genommenen zu Herzen nehmen. Zum Beispiel eine recht bekannte, die den nordamerikanischen Indigenen, die in den leider immer noch nicht öffentlich verbrannten Machwerken von Karl May noch anders hießen, zugeschrieben wird: „Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest – steig ab!“
Andererseits machen es die rauschenden Wahlerfolge, die die Linke im letzten Jahrzehnt reihenweise und flächendeckend eingefahren hat, natürlich nicht leichter, sich von dem lieb gewonnenen Gaul zu trennen – auch wenn er langsam wirklich schon streng riecht. Da gibt man ihm lieber doch noch einmal mit hochrotem Kopf die Sporen und schreit – so laut, dass es alle hören, das ist ganz wichtig! – „Hü!“
Und reitet solcherart unbeirrt und ausgesprochen flink weiter in eine fraglos glorreiche Zukunft.