Grantig in die schlechten Zeiten? Großspurig im Kreis? Guten Morgen!
Ein Jahr der rasanten Veränderungen geht in die Zielgerade. Das erste Jahr einer neuen Bundesregierung, unter vielen Wirrungen zusammengezimmert. Entstanden im Wissen, dass es um vieles – vielleicht alles – geht. Mit dem Vorsatz, miteinander, nicht gegeneinander zu regieren. In der Gewissheit, dass der globale Wind of Change kein Frühlingslüftchen ist. Im Bewusstsein, dass große Reformen anstehen – angesichts der teuren Krisenbewältigung und der Versäumnisse sowie Fehler der Vorgängerregierungen.
„In welchem Land wollen wir leben?“, fragte Bundespräsident Van der Bellen in seiner Neujahrsansprache. „Was sollen die Menschen in 30 Jahren über das Österreich von heute denken?“ Dass wir uns in einem gemütlichen Grundgrant vor den unausweichlichen Veränderungen wegducken? Kommentierend vom Spielfeldrand den Untergang verfolgen, weil „hoch g’winn ma des nimma“ (© Toni Pfeffer)?
„Zuversicht und Anpacken sind zur Mangelware geworden, obwohl sie kostenfrei im Übermaß produziert werden könnten“, schreibt Peter Bosek, CEO der Erste Group, im „Standard“. „Österreich hat einen ausgezeichneten Fiskalrat, der über den Schuldenstand des Landes wacht. Was hingegen fehlt, ist ein Zukunftsrat, der den Blick auf die Perspektiven Österreichs richtet.“
Er nennt Life Sciences, Umwelttechnik, Bioökonomie oder den nachhaltigen Tourismus als Bereiche, in denen Österreich bereits Weltklasse ist. Es mangle nicht an Geld für die Umsetzung eines Zukunftsplans. „Ausreichendes Vermögen ist vorhanden, es liegt nur brach. Ende 2024 betrug das private Vermögen in Österreich 870 Milliarden Euro. Könnte nur ein Prozent davon jährlich als Risikokapital gewonnen werden, wären dies knapp zehn Milliarden Euro.“ Wir haben Fachkräfte, Forschung, Kapital, Kreativität – aber zu wenig Vertrauen, dass daraus etwas werden kann.
Ich finde die Vorstellung prickelnd, dass die Bundesregierung „verfreundete“ Banken, Chefinnen und Chefs aufstrebender Unternehmen in Zukunftsindustrien, international vernetzte Wissenschafterinnen und Wissenschafter einlädt, einfach einen ambitionierten Wurf zu machen. Abseits von Hinsichtl und Rücksichtl, befreit vom Beharrungsgewicht der Gegenwartsverwalter.
Österreich leistet sich neun Länder mit großem Selbstbewusstsein und kleinem Aufgabenprofil. Ambitionierte Reformvorschläge selbst aus den eigenen Reihen, wie jüngst von Landeshauptfrau Edtstadler zur Kompetenzbündelung, werden kollegial im Keim erstickt. Ein reizvoller Gedanke, aus dem – im Vergleich zu Deutschland – folkloristischen Föderalismus einen Verantwortungsföderalismus zu machen.
Daneben thronen in Kammern entrückte Partikularinteressenvertreter. Wer wortreich den „fetten Staat“ und die „Tintenburgenexplosion“ geißelt, hat vielleicht den eigenen Anteil beim Mästen durch Forderungen nach Überförderungen mit höheren Deckeln und Umsatzersätzen vergessen. Sie sind kaum verjährt, jedenfalls budgetär nicht verdaut. Der verunglückte Tanz der letzten Tage um die Gehaltserhöhungen und deren erzwungene Halbierung sind auch keine Werbeeinschaltung in Sachen Realismus und Zukunftsgestaltungsfähigkeit, zumal das eigene Kammerergebnis weiterhin 0,6 Prozent über dem großspurig gescholtenen öffentlichen Dienst liegt.
Ein Zukunftsrat könnte also ohne übliche innovationsresistente Blockadeeliten (© Elisabeth Gehrer) den Weg in neue Zeiten eröffnen, zumindest solange diese offenbar den Ernst der politischen und wirtschaftlichen Lage negieren.
Umsetzen müssen die Ideen und Maßnahmen des Zukunftsrats dann natürlich gewählte Vertreterinnen und Vertreter, und damit kommen wieder wir ins Spiel. Sind wir bereit für ein bisschen geile Zukunft? Ungewiss, spannend, anstrengend?
Die schlechten Zeiten sind keine Entschuldigung, grantig zu bleiben. Sie sind der Stresstest dafür, ob wir noch an die Gestaltungskraft von Politik glauben oder schon kapituliert haben. Zuversicht ist kein „nice to have“, sie ist das Gegenprogramm zu Wut, Zynismus und Verschwörungsgeheul.
Darum: Guter Rat – noch heuer. Ein Zukunftsrat, der Mut institutionalisiert. Mit dem wir zeigen können, dass tatkräftige Zuversicht die härteste Währung ist, die eine Demokratie in schlechten Zeiten hat.