Wie Donald Trump die Kongresswahlen aussetzen könnte
Brennende Autos, hinter Schutzschilden verschanzte Polizisten und Soldaten, vermummte Demonstranten, dazwischen Schwaden von Tränengas – diese Bilder von den Protesten in Los Angeles verbreitet die Regierung in Washington derzeit besonders gerne.
Die US-Regierung spricht von einem „Kriegsgebiet“, laut Präsident Donald Trump „brennt die Stadt lichterloh“. In Wirklichkeit ist nur ein sehr kleiner Teil der kalifornischen Metropole Los Angeles von den Protesten gegen die brutale Abschiebungspolitik der US-Regierung betroffen, doch die Wahrheit hat Trump noch nie davon abgehalten, seine eigenen, „alternativen Fakten“ zu verbreiten. Trump weiß wie kein anderer, Bilder für seine Zwecke zu nutzen.
Regieren gegen das Gesetz
Mindestens 3000 Festnahmen verlangt die Regierung täglich von der Einwanderungsbehörde ICE, und die liefert: Bei Razzien auf Parkplätzen, Baustellen und sogar vor Schulen werden Einwanderer verhaftet, die zwar illegal in die USA gelangten, teils aber seit Jahren dort leben, deren Kinder US-Staatsbürger sind, und die unter Joe Bidens Regierung Schutz genossen.
Trumps Abschiebemanie trifft die demokratische Hochburg Kalifornien besonders hart. Ohne Einwanderer wäre der Bundesstaat kaum zur viertgrößten Volkswirtschaft der Welt angewachsen. Wäre Kalifornien ein eigener Staat, wäre dessen Wirtschaftsleistung größer als jene Japans. Im Jahr 2022 machten Einwanderer, die illegal ins Land gelangt waren, rund sieben Prozent der Beschäftigten aus und zahlten fast 8,5 Milliarden Dollar an Steuern.
Auch deshalb ist der Widerstand gegen Trumps Abschiebungen in Kalifornien erbitterter als anderswo. Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom reichte Klage ein, nachdem die Regierung in Washington die Nationalgarde sowie Marineinfanteristen nach Los Angeles schickte. Soldaten gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, ist ein Tabubruch. Der sogenannte Posse Comitatus Act, ein Gesetz aus der Zeit nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg, verbietet den Einsatz regulärer Bundestruppen für polizeiliche Zwecke im Inland.
„Illegal, unmoralisch und verfassungswidrig“
Trump beruft sich auf „Title 10“ aus dem United States Code, dem Rechtsbestand der Vereinigten Staaten. Demnach müssen Befehle „über die Gouverneure der Bundesstaaten ergehen“. Doch Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom hat den Einsatz der Nationalgarde von Anfang an explizit abgelehnt und diesen als „illegal, unmoralisch und verfassungswidrig“ bezeichnet.
Clarence Lusane von der Universität Harvard ist überzeugt, dass Trump früher oder später den sogenannten „Insurrection Act“ ausrufen wird. Das Gesetz aus dem Jahr 1807 erlaubt es dem Präsidenten, in Ausnahmefällen Soldaten im Inland einzusetzen.
„Ich befürchte, dass Trump vor den Zwischenwahlen im Herbst 2026 Soldaten in demokratisch regierte Städte im ganzen Land schicken wird“, sagt Lusane.
Verlieren seine Republikaner die Mehrheiten im Senat und im Abgeordnetenhaus, ist es vorbei mit Trumps Alleinregierung. Außerdem drohen Trump und seinem Umfeld Ermittlungen – etwa über mutmaßliche Korruption durch sein Familienimperium. Um das zu verhindern könnte die Regierung weitere Proteste provozieren, dann behaupten, das Land schützen zu müssen – und die Zwischenwahlen aussetzen. „Die Regierung legt gerade den Grundstein für die Ausrufung des Insurrection Act“, sagt Lusane, „die Frage ist nicht, ob das geschehen wird, sondern wann“.
„Schießt einfach auf sie“
Los Angeles ist weit entfernt von einer „Insurrection“, eine Revolte gegen den Staat sieht anders aus. Am ehesten war das am 6. Jänner 2021 der Fall, als ein von Trump aufgehetzter Mob das Kapitol in Washington stürmte, um die offizielle Bestätigung vom Wahlsieg Joe Bidens zu verhindern. „Wir haben den Präsidenten der Vereinigten Staaten angefleht, die Nationalgarde zu schicken“, erinnerte sich Nancy Pelosi am Dienstag vor Journalisten. Die damalige Sprecherin des Repräsentantenhauses war im Kapitol, als Trumps Anhänger in das Gebäude eindrangen, einige mit dem erklärten Ziel, sie zu töten. Doch Trump dachte gar nicht daran, die Nationalgarde zu mobilisieren, sondern sah im Fernsehen dabei zu, wie seine Fans im Abgeordnetenhaus randalierten.
„Prügelt sie windelweich“, forderte er hingegen im Jahr 2020 für Menschen, die gegen Polizeigewalt demonstrierten, „schießt einfach auf sie“. Daraus wurde bekanntlich nichts, in seiner ersten Amtszeit gab es noch „Erwachsene im Raum“ – Menschen, die das Schlimmste verhinderten. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, Trumps Umfeld ist komplett MAGA. Und Amerika muss auf das Schlimmste gefasst sein.