Ein Jahr Hochwasser: Wie sich ein Betrieb aus dem Schlamm kämpfte
Happy Ends sehen manchmal wie Elche aus. Ausgerechnet Elch Emil schaute vor Kurzem beim Betriebsgelände der niederösterreichischen Zimmerei Harold vorbei. Ein unerwartetes Highlight für die beiden Geschäftsführer und die Belegschaft des Betriebs, der vor genau einem Jahr fast vor dem Aus stand. Heute ist aber alles wieder gut.
In der Zimmerei schreiben alle Kugelschreiber wieder. Und die untersten Schubladen sind vollgeräumt. Vor genau zölf Monaten war das nicht so. Der niederösterreichische Holzverarbeitungsbetrieb liegt am Ufer der „Großen Tulln“. Am Sonntag, dem 15. September 2024, um 21 Uhr, traten die Wassermassen aus dem Flussbett und keine Stunde später versank der gesamte Betrieb im Wasser. Holzleisten trieben über das Werksgelände, in das Getriebe der Sägemaschinen lief Wasser und Sand, der nie wieder von dort wegzubekommen sein würde. Die kleine Betriebsküche und das Büro standen bis zu den untersten Schubladen unter Wasser.
Heute, ein Jahr nach der Jahrhundertüberschwemmung von 2024, gibt es auf dem Werksgelände keine Spur mehr von Verwüstung. Der Schlamm und das Wasser sind weg. Lange Holzbalken liegen schön gestapelt im Trockenen und warten auf die Verarbeitung. Die Maschinen sind repariert oder ausgetauscht. Die Heizung ist neu, das Bürogebäude sauber und frisch renoviert. Sogar Elch Emil schaute auf seinem Streifzug durch Niederösterreich beim Werksgelände vorbei – das diesjährige Highlight nach den Strapazen im Vorjahr.
„Damals haben wir nicht gewusst, wie es weitergehen soll“, sagt Franz Weichberger, einer der beiden Geschäftsführer der Zimmerei. „Aber heute ist das alles weg und vergessen. Es ist am besten, wenn man solche Dinge so schnell wie möglich verdrängt und einfach weitermacht.“ Nur ab und zu müsse man noch das eine oder andere Brett waschen, das noch immer von einer feinen Spur Flussschlamm übersät ist. Und die Verwüstung hat negative Spuren in der Jahresbilanz von 2024 hinterlassen.
Durch das Hochwasser hat der Betrieb einen ganzen Quartalsumsatz verloren. „Das Aufräumen hat wirklich viel Zeit gekostet“, sagt Leopold Harold, der zweite Geschäftsführer des Betriebs. Aber eigentlich hätte es auch schlimmer für den mittlerweile 100 Jahre alten Familienbetrieb kommen können. In Extremsituationen und in Krisenzeiten rücken Menschen zusammen. Und die sonst eher behäbige Bürokratie kommt – wenn es hart auf hart kommt – in die Gänge.
Tagelang halfen Nachbarn beim Aufräumen und Waschen mit. Firmen, die eigentlich Konkurrenten sind, boten der Zimmerei ihre Maschinen an, bis die eigenen wieder repariert waren. Über den Katastrophenfonds hat der Betrieb zwei Monate nach dem Hochwasser die Hälfte des von den Unwettern verursachten Schadens rückerstattet bekommen. Einige Tausend Euro gab es als Sofortunterstützung von der Landes-Wirtschaftskammer. Nachdem profil über den Fall berichtete, wurden sogar die Lohnnebenebenkosten gestundet.
Und so ist wieder alles beim Alten. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir so etwas nochmal erleben, ist zum Glück sehr gering“, sagt Geschäftsführer Weichberger.
Deutlich weniger entspannt beim Thema Hochwasser ist hingegen die Wissenschafterin des Jahres 2024, Sigrid Stagl. Im profil-Interview sieht sie Österreich für Extremwettereignisse wie diese denkbar schlecht gewappnet. Nur ein sehr geringer Teil der Haushalte sei gegen Hochwasserschäden versichert, es fehle vielerorts an Hochwasserschutz – und in puncto Entschädigungszahlungen seien die Bürgerinnen und Bürger auf das Wohlwollen der Politik angewiesen.
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