Die exilierte und verwitwete  Kaiserin Zita mit ihren acht Kindern
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Juwelen-Affäre: „Die darbende Habsburgerfamilie“

Der aufgetauchte Juwelenschatz der Habsburger weist einige Ungereimtheiten auf. Denn der Begriff Privateigentum wird juristisch noch genau zu untersuchen sein.

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Der Bericht im „Neuen Wiener Journal vom Christtag des Jahres 1926 ließ den Klassenhass in der linken Presse wieder gehörig auflodern. Dort beschrieb der von der entthronten Kaiserin Zita vorgelassene Journalist den Lifestyle der exilierten Habsburger-Familie in der baskischen Kleinstadt Lekeitio wie folgt: „Das Schloß, der Palacio Urribaren, liegt in einem prachtvollen Garten, seine breite Front ist auf das Meer gerichtet, zur Zeit der Flut branden die Meeresfluten bis zum Eingang des Gartens (...) zwischen 11 und 12 Uhr pflegt Otto auszureiten, desgleichen die Erzherzoge Robert und Felix. Das Terrain ist zum Reiten nicht sehr geeignet, doch besitzt die Gemeinde eine ursprünglich für Stierkämpfe erbaute Arena, die einen ganz guten Reitplatz abgibt ... Um 12 Uhr wird das Mittagessen eingenommen, bis zur Jause um 4 Uhr nachmittags ist Pause im Unterrichten, um diese Zeit wird meistens Sport getrieben, die Kinder fahren Rad, spielen Tennis oder fahren mit dem Boot auf dem Meer. Auch kleinere Ausflüge werden unternommen, meist mit dem Autobus, dem sogenannten Familiär, einem Geschenk des spanischen Königs, der Raum für zehn bis zwölf Personen bietet. Seit November besitzt Otto ein eigenes Auto, das Geschenk ungarischer Legitimisten. Er ist sehr stolz auf sein Auto, man hätte ihm zu seinem vierzehnten Geburtstag kaum eine größere Freude bereiten können als eben damit.“

Auf das publizistische Juwel eines Zeitzeugen stieß die Wiener Habsburg-Spezialistin und Bestseller-Autorin Katrin Unterreiner im Zuge ihrer Forschungsarbeiten zu ihrem Buch „Die verschollenen Schätze der Habsburger.“ Der damalige Reporter räumt in dem Artikel gründlich mit dem Mythos auf, dass die auf Grund der Rücknahme ihrer Verzichtserklärung ins Exil gezwungene Kaiserfamilie dort in standeswidrigen Umständen leben musste. Zwar gab es kein „Hors d’oeuvre“ als ersten Gang mittags, sondern nur eine Suppe: Aber mittags wie abends wird „vor dem Braten meist ein Fisch serviert und nach der Mehlspeise Käse, dann Obst“: „Es sind also alle Gerüchte falsch, denen zufolge die Familie darbt ... Tischtuch und Servietten sind mit der österreichischen Krone geschmückt...“

Die Reaktion in sozialistischen Blättern fiel, wie Unterreiner schreibt, erwartungsgemäß sarkastisch aus. Sie zitiert in dem Kapitel das Tagblatt: „Die darbende Habsburgerfamilie. Frau Zita Habsburg samt Familie nagt bekanntlich seit Jahr und Tag in Lequeito andauernd am Hungertuche. So erzählen monarchistelnde Preßerzeugnisse; und es soll dem Vernehmen nach immer noch Dummköpfe geben, die das Märchen für bare Münze nehmen.“ In der Salzburger Wacht war zu lesen: „Gott sei Dank, sie darben nicht. Ein Stein fällt den hunderttausend Arbeitslosen Österreichs vom Herzen: sie darben nicht...“

Ungereimtheiten stechen einem jetzt auch ins Auge, wenn man dem Narrativ des Kaiserenkels Karl Habsburg lauscht. Zwar hatte seine Großmutter Zita verordnet, dass das Geheimnis der Juwelen, „die in einer Ledertasche ohne Etuis wie in Jausenpapierln eingewickelt waren“, wie Christoph Köchert auf Instagram (er war auf Bitte von Karl Habsburg nach Kanada zur Besichtigung geeilt) wissen lässt, 100 Jahre ein solches bleiben soll, allerdings sind seither drei Jahre ins Land gezogen, in denen die Dinge „in aller Ruhe geprüft werden mussten“, wie Karl Habsburg in der ZIB2 im Interview mit dem angriffslustig republikanisch gestimmten Starmoderator Armin Wolf berichtet.

Ob die unschätzbaren Wertgegenstände tatsächlich Privateigentum der Habsburger sind, gilt es noch juristisch zu untersuchen. Ein möglicherweise sehr langwieriger Prozess. Denn, so Unterreiner, es gebe in der Angelegenheit die Gefahr eines Missverständnisses, was die Definition von Privatbesitz betrifft: Denn Juwelen, die als Privatbesitz des „allerhöchsten Kaiserhauses“ klassifiziert sind, sind nicht zwingend im Privatbesitz der Habsburger, sondern unterstehen eben jener Institution und könnten deswegen ins Eigentum der Republik übergegangen sein. Dass die exilierte Kaiserin beispielsweise bei Cartier in Paris ihren Privatschmuck offen verkauft hatte, aber die Prunkstücke des jetzt gehobenen Schatzes (darunter der 137 Karat schwere Florentiner Diamant) im Dunklen gelassen blieben, wirft die Frage nach dem Warum auf. Schmerzhaft auch der offensichtliche Verlust jener Krone, die Sisi sich aus der Schatzkammer geborgt hatte, um sich zur Königin von Ungarn krönen zu lassen. Möglicherweise wurde dieses unersetzliche Kulturgut steinweise verscherbelt. 

Es bleibt spannend bei den lieben Hoheiten. Wir bleiben dran.

Angelika Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort