Hotelier über Booking: „Viele haben die Sorge, künftig schlechter gestellt zu werden“
Alexander Ipp ist ein beschäftigter Mann, profil erreicht ihn telefonisch zwischen Terminen in Niederösterreich. Der Vizepräsident der Österreichischen Hotelvereinigung (ÖHV) betreibt dort fünf Hotels verschiedener Kategorien, vier weitere in Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Wien sowie zwei Appartements am Wörthersee in Kärnten. „Booking ist dafür natürlich ein wichtiger Partner“, sagt Ipp. In ländlichen Regionen – etwa bei einem Winterbetrieb in Tirol – seien es immerhin bis zu 20 Prozent der Buchungen, die über Booking kommen. In der Stadthotellerie sind es laut Ipp bis zu 40 Prozent der Buchungen. Ist das nicht ein enormes Abhängigkeitsverhältnis?
„Doch“, meint Ipp. „Das ist eine lange gewachsene Entwicklung über die vergangenen 25 Jahre hinweg. Wenn es Booking.com heute nicht gäbe, wäre das für die weltweite Sichtbarkeit eines Hotels bestimmt schwierig, da sich in diesen 25 Jahren vieles von analogen Buchungswegen und Bestellkanälen direkt ins Internet verlagert hat“, sagt der Hotelbetreiber. Eine Abhängigkeit, die parallel zu anderen Onlineplattformen gewachsen ist. Ähnlich wie Konsumentinnen und Konsumenten den Einkauf über Bestellplattformen wie Amazon oder Zalando oder Essensbestellungen bei den diversen Anbietern erledigen, hat sich Booking.com im Bereich der Urlaubsplanung eine nahezu dominierende Marktposition gesichert. Letztlich profitiere aber nicht nur Booking von den Hoteliers, sondern auch umgekehrt: „Booking braucht uns und wir Hoteliers brauchen Booking. Aber es geht darum, diese Partnerschaft wieder zu einer solchen auf Augenhöhe zurückzuführen“, sagt Ipp. Denn Druck übte in der Vergangenheit vor allem eine Seite aus: Booking.
David gegen Goliath
Auf der einen Seite stehen Hotelbetreiber aller Kategorien und Größenordnungen quer durch Europa. Auf der anderen Seite der Milliardenkonzern Booking.com mit Sitz im niederländischen Amsterdam. Dort wird am Bezirksgericht das bislang größte Gerichtsverfahren im Tourismus verhandelt. Über 10.000 Hoteliers haben sich der Sammelklage gegen die Buchungsplattform angeschlossen. Hintergrund der Klage sind die einseitigen Spielregeln, die Booking 2004 eingeführt hat: Hoteliers, die ihre Zimmer über Booking vertrieben haben, durften diese Zimmer nirgendwo anders günstiger anbieten. Im Sommer 2015, nach Einschreiten mehrerer europäischer Wettbewerbsbehörden, wich diese sogenannte „weite“ Ratenparität, fortan galt die „enge“ Preisparitätsklausel: Hotels durften auf anderen Plattformen günstigere Raten und Konditionen anbieten, aber nicht im Direktvertrieb.
In Österreich ist diese Bestpreisklausel seit 2017 gesetzlich verboten. Automatisch generierte Abmahnungen von Booking.com für all jene, die sich nicht an diese Vorgabe halten, gehörten für Hoteliers aber auch hierzulande zum Alltag. Weil auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Praxis im September 2024 für rechtswidrig erklärte, fordern die Hoteliers nun Schadenersatz von der Buchungsplattform. Sie seien bei der Preisbildung jahrzehntelang finanziell benachteiligt worden. Den tausenden Hoteliers geht es aber nicht nur ums Geld. Es geht um ein Machtgefälle, das die Kläger wieder in ein Gleichgewicht bringen möchten.
Automatisierte Abmahnungen
Hat sich Ipp in den vergangenen Jahren gegen diese Bestpreisklausel gewehrt und auf seiner eigenen Buchungsplattform auf der Website Zimmer billiger angeboten? „Naja, bis zum Zeitpunkt des EuGH-Urteils haben wir uns zumindest weitgehend an die Klausel gehalten“, sagt Ipp. Aber: „Wenn wir aber das Gefühl gehabt haben, dass heute ein Tag ist, an dem man auf der eigenen Website besser verkaufen könnte, musste man eigentlich gleich damit rechnen, dass Booking ein kurzes automatisiertes E-Mail schreibt, dass du dich nicht an die Bestpreisklausel gehalten hast.“ Angedrohte Repressalien, etwa dass Verstöße zu einem schlechteren Ranking führen können, inklusive.
Konsequenzen fürchten laut Ipp auch zahlreiche Hoteliers in Österreich, wenn sie sich der Klage anschließen. Denn von den insgesamt 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Sammelklage in ganz Europa kommen nur 400 aus dem Tourismusland Österreich. „Viele haben letztendlich auch die Sorge, dass sie durch die Programmierung dieser Plattformalgorithmen künftig schlechter gestellt werden“, meint der Unternehmer. Auch das zeigt, wie groß die Schieflage dieser Partnerschaft ist.
Bis Ende August haben zögernde Hotelbetreiber noch Zeit, sich der Klage anzuschließen – mit dem Ziel, dass künftig wieder auf Augenhöhe verhandelt wird. Auch Ipp selbst überlegt noch, ob er sich der Klage anschließt.