Social Egg Freezing ist in Österreich verboten
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Zuviel Staat beim Leben und Sterben

Demnächst könnte das Verbot von Social egg freezing als „verfassungswidrig“ fallen. Auch beim assistierten Suizid, der in Österreich seit 2022 bei schweren Erkrankungen möglich ist, wären noch viele Schwächen zu verbessern.

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Das monumentale Gebäude auf der Wiener Freyung, der österreichische Verfassungsgerichtshof, ist ein Ort, an dem unter anderem über Leben und Tod entschieden wird. Oder besser über die Art, unter welchen Umständen Menschen geboren werden könnten. Und sie später aus dem Leben selbstbestimmt treten dürfen.

Gegenwärtig steht eine Entscheidung aus, die für Frauen im gebärfähigen Alter, aber noch ohne konkreten Kinderwunsch, eine wesentliche Erleichterung ihrer Lebensplanung bedeuten würde. Denn noch ist das sogenannte „social egg freezing“, das Einfrieren weiblicher Eizellen, in Österreich, im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern, verboten.  Erlaubt ist es nur jenen Patientinnen, die auf Grund einer medizinischen Indikation mit einer Verminderung oder Schädigung ihrer Eizellen-Reserven zu rechnen haben.

Dass solche Auflagen die ohnehin große Zögerlichkeit, was das Kinderkriegen betrifft, zusätzlich potenzieren, ist ja wohl logisch: 2024 wurde mit einer Fertilitätsrate von 1,31 pro Frau in Österreich die niedrigste Ziffer seit den ersten Messungen 1960 erhoben.

Dass Bildung, Einkommen und Autonomie Faktoren sind, die eine Familiengründung verzögern oder ganz ausschließen, beweist, dass unter Akademikerinnen zwischen 35 und 39 Jahren rund 36 Prozent kinderlos sind, aber nur 17 Prozent mit einem niedrigeren Bildungsniveau.

Österreicherinnen in ihren Dreißigern, die vielleicht gerade stark auf ihren Beruf fokussiert sind, keinen oder einen Partner haben, mit dem sie sich nicht unbedingt auf eine gemeinsame Elternschaft einlassen wollen, aber ihren Kinderwunsch nicht ad acta legen wollen, sind zum „Freezing“-Tourismus gezwungen. Und diese Reisen nach Spanien, Deutschland oder Tschechien sind mit Stress und hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden. In einer Gegenwart, wo Partnerschaften sich oft als brüchig erweisen und Frauen autonomer und unabhängiger leben als je zuvor, erscheint es tatsächlich völlig anachronistisch, ihrer individuellen Lebensgestaltung solche Riegel vorzuschieben.

„Wir sind äußerst zuversichtlich,“ erklärt Matthias Brand, der Rechtsanwalt einer gesunden 37-jährigen Frau, die im vergangenen Juni dieses Verbot, ohne medizinischen Grund Eizellen nicht einzufrieren, zu dürfen, als „verfassungswidrig“ eingestuft hat. Doch selbst wenn die Entscheidung positiv für die Klägerin ausgehen sollte, wird es danach noch eineinhalb Jahre dauern, bis das Gesetz auch praxisfähig sein wird.

Wie und wo man bis dahin ein solches Procedere bewerkstelligen kann, was Experten raten und mit welchen Risiken man zu rechnen hat, können Sie in der aktuellen Ausgabe nachlesen.

Der Journalist und Autor Niki Glattauer, unheilbar an Krebs erkrankt, hat vergangene Woche die geplante Beendigung seines Lebens durch assistierten Suizid öffentlich gemacht. Am 4. September ist er, wie von ihm bestimmt, gestorben. Ein Grund, warum er diese private Entscheidung mit „Falter“ und „Newsflix“ teilte, war sein Wunsch nach mehr Aufklärung über die gesetzlichen Möglichkeiten des selbstbestimmten Sterbens auf Grund schwerer Erkrankungen.

profil berichtete vor fast einem Jahr über die bürokratischen Hürden und Erschwernisse, die sich Menschen in einem solchen Stadium stellen können. 

Ebenfalls im Verfassungsgerichtshof wurden im Herbst 2024 von anonym verbleibenden Sterbenskranken gegen die komplizierte Bewerkstelligung einer solchen Sterbeverfügung protestiert. Leider hat sich seitdem nichts Wesentliches geändert, allein die verpflichtende Erneuerung des gesamten Procederes nach einem Jahr verstrichener Frist wurde aufgehoben.

„Unser Gesetz ist eines der besten in Europa“, erklärt damals Angelika Feichtner von der Österreichischen Gesellschaft für Palliativmedizin, „allerdings ist es für die Betroffenen mit hohem organisatorischen Aufwand verbunden.“

Zuviel Staat beim Eintritt und Austritt aus diesem Leben.

Angelika Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort