Morgenpost

SPÖ, Prozess, Rotmilan: Ab ins Sommerloch!

Drei Sätze für diesen Mittwoch. Einer zum anrollenden Sommer im Allgemeinen, zwei zu den Kalamitäten bei SPÖ und ÖVP im Besonderen.

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„Wissen Sie eigentlich noch, wo Sie damals waren, an jenem schicksalsträchtigen Nachmittag, als sich Wohl und Wehe der SPÖ entschieden?“, fragt profil im aktuellen Heft. Als die Vorsitzende der SPÖ-Wahlkommission im Kongress-Saal A des Novotel Wien Hauptbahnhof das Ergebnis der SPÖ-Mitgliederbefragung verkündete? Ganz abgesehen davon, dass die weltumspannenden Ereignisse auch immer rarer werden, weil jeder und jede in der eigenen Algorithmus-Blase grundelt, sind Wohl und Wehe auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Die liegen gerade bei der SPÖ sehr eng beieinander: Dell und Hunkel.

Der Beruf des SPÖ-Bundesparteivorsitzenden ist einer der härtesten – härter noch als Kinderparty-Clown und Bombenentschärfer. profil-Art-Director Erich Schillinger weiß jedenfalls ganz genau, wo er an jenem Nachmittag war, als das Schicksal SPÖ spielte: Am Computer entwarf Schillinger Cover-Entwürfe zum Gerangel bei den Roten, darunter welche, in denen bedrohliche Babler-Schatten und bedenkliche Sonnenbrillen-Trends à la Doskozil eine Rolle spielen. Auf einer Cover-Idee sind zwei rote Boxhandschuhe zu sehen. Da wirft der Connaisseur sofort das Handtuch: Im Boxen gibt es Regeln, die zu befolgen sind. Boxen findet im grellen Scheinwerferlicht statt. Die einen, das wusste Bert Brecht schon vor fast 100 Jahren, sind im Licht, die anderen – wie gerade die SPÖ – im Dunkeln. „Feindschaft, Genossen“, überschreibt profil seine dieswöchige Coverstory.

Weitergeblättert im Heft. „Der Prozess“, so ist der Bericht von Stefan Melichar und Anna Thalhammer über Ex-Familienministerin Sophie Karmasin überschrieben, die als erste hochrangige ÖVP-Politikerin verurteilt wurde, 15 Monate, bedingt, nicht rechtskräftig. Der Prozess? Klingelt da was? Franz Kafka, der mit seinem Roman so unsterblich wurde wie Mozart mit seinen Mozartkugeln, hat bekanntlich ein unvollendetes Buch hinterlassen, zu dem einem die Attribute nicht ausgehen wollen: rätselhaft, mysteriös, schattig, dunkel, verwickelt. Josef K., ein braver Normalmensch und Steuerzahler, im Reich des Dunklen, das gegenwärtig durchaus ÖVP-Schwärze trägt. „Bei diesem Prozess könnte es sich allerdings um so etwas wie eine Aufwärmrunde gehandelt haben“, schreiben Melichar und Thalhammer.

Wolf und Bär schließlich müssen im Gegensatz zum Rotmilan dagegen noch etwas warten. Kollege Jonas Vogt berichtete Anfang Mai, wie in Österreich Rotmilane und andere seltene Greifvögel auf undurchsichtige Weise verschwinden. Sobald die Politik auf Urlaub fährt, öffnet sich bekanntlich jäh das Sommerloch, in das sich der Boulevard gern Hals über Kopf und nach Lust und Laune stürzt. Wolf und Bär sind als frühe Sendboten aus dem Sommerloch bereits entlassen. Man muss kein Prophet sein, um zu behaupten, dass bald richtig viel Licht in die Schauerschächte der Sauregurkenzeit fallen wird. Hätte das Sommerloch jemals vom Dichter Wolf Biermann gehört, sänge es wohl freudig folgende Zeile: „Jetzt wird mir leicht, das Dunkel weicht.“

Einen erleuchteten Mittwoch wünscht

Wolfgang Paterno

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.