Trumps riskanter Krieg
In Israel lagen die Menschen in ihren Betten und schliefen, in den USA war es 19:30, als am Samstag die Operation „Midnight Hammer“ startete und über dem Iran die ersten bunkerbrechenden Bomben vom Himmel fielen. Zwei Stunden später trat US-Präsident Donald Trump in Washington vor die Medien. Er habe mit Israels Premier Benjamin Netanjahu „als Team zusammengearbeitet“, so Trump. Die USA hätten die drei wichtigsten Atomanlagen des Iran angegriffen: Natanz, Isfahan und Fordo. Der „Rabauke des Nahen Ostens“ müsse nun Frieden schließen, um nicht weitere, „noch schlimmere Angriffe“ zu riskieren.
Auf Natanz sind laut Berichten zwei Bomben von einem Tarnkappenbomber B-2 abgeworfen worden, von U-Booten starteten Marschflugkörper. Auch Isfahan wurde von Marschflugkörpern getroffen, ausschlaggebend war aber der Angriff auf die wichtigste und am besten geschützte Anlage in Fordo. Auf die dortige Atomanlage, die bis zu 90 Meter tief unter der Erde liegt, haben sechs Tarnkappenbomber ein Dutzend GBU-57-Bomben abgeworfen. Dabei handelt es sich um bunkerbrechende Geschosse, über die allein die USA verfügen.
Deshalb brauchte Netanjahu Trump.
Eine gute Nachricht und viele Risiken
Die gute Nachricht: Laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) soll es zu keiner radioaktiven Kontamination der Umwelt gekommen sein. In den vergangenen Tagen war die Sorge groß, dass austretendes Material (vor allem aus dem Kernreaktor Buschehr an der Golfküste, der allerdings nicht getroffen wurde) den Golf vergiften könnte. Die Golfstaaten sind auf entsalztes Meerwasser angewiesen, auch als Trinkwasserquelle.
Mit seiner Entscheidung hat Trump alle Karten darauf gesetzt, dass die Atompläne des Iran mit dem Angriff zunichte gemacht wurden. Doch das ist alles andere als sicher. Unklar war zunächst, wie viel Schaden die Bomben aus den USA tatsächlich angerichtet haben.
Im schlimmsten denkbaren Szenario hat Teheran den Angriff kommen sehen. Sollte der Iran mit seinem Atomprogramm weiter sein als angenommen und Teile seines angereicherten Materials an einen geheimen Ort ausgelagert haben, wird das Land alles daransetzen, jetzt erst recht so rasch wie möglich eine Atombombe zu bauen. Langfristig könnte der Iran den nordkoreanischen Weg einschlagen – und im Geheimen weitermachen. Laut Schätzungen hat Nordkorea mittlerweile 60 Atomsprengköpfe. Damit hat sich das Regime de facto unangreifbar gemacht.
Unklar ist auch, wie der Iran nun reagieren wird. Seine Stellvertreter in der Region, allen voran die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon und die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, sind geschwächt, und keiner der Golfstaaten wird Iran zur Hilfe eilen. Doch Teheran hat bereits Vergeltung angekündigt und könnte etwa dafür sorgen, dass die Huthi-Miliz im Jemen ihre Angriffe auf Schiffe nahe der Arabischen Halbinsel wieder verstärkt. Laut Meldungen internationaler Medien hat das iranische Parlament zudem die Blockade der Straße von Hormus beschlossen. Durch diese Schifffahrtsstraße, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman verbindet, wird der Großteil des Erdöls des Nahen Ostens transportiert.
Der Iran könnte auch die rund 40.000 in der Region stationierten US-Truppen ins Visier nehmen. Niemand weiß, über wie viele Raketen das Land noch verfügt. Dazu kommen potenzielle nicht-konventionelle Kriegsmethoden wie Terroranschläge, Entführungen und Cyberattacken.
Der Kriegseintritt als Sonderweg
Der Kriegseintritt der USA ist eine Zäsur.
In den vergangenen Jahrzehnten hat Washington vieles versucht, um den Iran vom Bau einer Atombombe abzuhalten, darunter Sanktionen, Sabotage und Diplomatie. Von einem direkten Eintritt in den Konflikt haben die US-Präsidenten abgesehen. Bis jetzt.
Als Israel vor zehn Tagen Angriffe auf iranische Atomanlagen, Öldepots, Militäreinrichtungen und auf die politische und militärische Führung startete, reagierte Trump zunächst zurückhaltend. Die USA seien daran nicht beteiligt, sagte auch Außenminister Marco Rubio. Doch dann änderte Trump wie so oft seine Haltung. Die USA könnten den Obersten Führer des Iran Ayatollah Khamenei jederzeit töten, polterte er auf seiner eigenen Social-Media-Plattform „Truth Social“. Wenig später ließ er wissen, dass sich „in den kommenden zwei Wochen“ entscheiden würde, ob die USA aufseiten Israels in den Krieg eintreten würden – um dann doch gleich zuzuschlagen.
Benjamin Netanjahu dürfte zufrieden sein. Seine Beliebtheitswerte sind seit dem Beginn der Militärschläge gegen den Iran vor zehn Tagen in die Höhe geschnellt, und mit der Hilfe aus den USA ist ein lange gehegter Traum des israelischen Premiers in Erfüllung gegangen. Die Zerstörung des iranischen Atomprogramms hat für ihn seit Jahren oberste Priorität.
Für Donald Trump ist die Sache komplizierter. Er bricht mit dem Kriegseintritt sein wichtigstes Versprechen: die USA nicht in einen Krieg zu führen. Seine Basis war schon vor dem Militärschlag am Samstag aufgebracht. Zwei wichtige Stimmen der MAGA-Bewegung, Tucker Carlson und Steve Bannon, machten gegen eine Involvierung der USA in Nahost mobil. Bis Sonntagabend verhielten sich die beiden Chefideologen ungewöhnlich ruhig. Doch auch sie haben ihr letztes Wort wohl noch nicht gesprochen.