Wiener Polizisten leiten in der Arbeitszeit Enduro-Motorradkurse
Eine riesige Asphaltfläche, die aussieht, wie der Parkplatz eines Einkaufszentrums, daneben Äcker, im Hintergrund Windräder. In der niederösterreichischen Kleingemeinde Markgrafneusiedl, etwa 35 Autominuten von der Wiener Innenstadt entfernt, liegt der Übungsplatz des Vereins für Verkehrssicherheit in Wien und Ausübung des Motorsports (kurz: VFV).
Von März bis Ende Oktober kurven hier an Wochenenden Motorradfahrer um orange-weiß-gestreifte Hütchen und fetzen mit Geländebikes über den angrenzenden, hügeligen Enduro-Parkour.
Die Kurse – darunter: „Wiedereinsteiger“, „Ladys Day“, „Perfektion“ oder „Enduro Light“ – richten sich an Privatpersonen und sind völlig kostenlos. Auch für Lenker von Maschinen, die nicht auf der Straße zugelassen sind.
Polizisten als Kursleiter
Erstaunlich ist, von wem die Gratistrainings geleitet werden: Nicht, wie man annehmen könnte, von ehrenamtlichen Mitgliedern des Verkehrssicherheitsvereins, sondern: von Motorrad-Instruktoren der Wiener Landespolizeidirektion – und zwar in deren Dienstzeit.
Braucht es das wirklich?
Die Wiener Motorradpolizisten nennen sich selbst „Weiße Mäuse“ (wegen ihres weißen Helms) und sind eigentlich dazu da, Staatsgäste in ihren Limousinen zu eskortieren und den Wiener Straßenverkehr zu regeln.
Offenbar mangelt es der Abteilung nicht an Personal, denn mehrere Instruktoren der Polizei Wien finden an Wochenenden auch Zeit die entsprechenden Kurse zu leiten, die jeweils von 9 bis 15 Uhr dauern.
Die Fahrsicherheitstrainings für Privatpersonen haben eine lange Tradition und gehen auf den legendären Wiener Motorradpolizisten Robert Schwarz zurück, Spitzname „Blacky“. 1984 begann er mit den Trainings. Es gehe darum, die Verkehrssicherheit zu heben, sagte Schwarz einst über das Angebot. Und: „Als Nebeneffekt sind die Kurse Werbeveranstaltungen für die Polizei.“
Wozu braucht es den Verein?
Warum wird all das über einen privaten Verein abgewickelt, der seine Zustelladresse in der Wiener Roßauer Kaserne hat, wo auch die Verkehrsabteilung der LPD Wien sitzt? „Da der Landespolizeidirektion Wien kein geeignetes Gelände für derartige Präventionsmaßnahmen von Motorradfahrern zur Verfügung steht, stellt der VFV Wien seit Mitte der 1980er Jahre die erforderliche Infrastruktur bereit. Seit 2007 erfolgt dies in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins.“
Dafür, dass es sich um den Übungsplatz eines privaten Vereins handelt, wirkt alles recht offiziell. Auf dem verglasten Container, in dem das kleine Büro untergebracht ist, steht „Bundesausbildungszentrum“. Am Gelände wehen Fahnen des Landes Niederösterreich, der Stadt Wien, der Republik und der EU.
Hochrangige Unterstützer im Innenministerium
Die Gratis-Kurse haben jedenfalls den Segen von ganz oben: Alles sei von den Erlässen des Innenministers gedeckt, sagt die LPD Wien. Instruktoren würden „im Sinne der Nachhaltigkeit und zur Erfüllung des Präventionsauftrags auch für die Durchführung von Verkehrspräventionskursen eingesetzt.“ Wie viele Arbeitsstunden pro Motorradsaison anfallen, wollte die LPD Wien auf mehrmalige Nachfrage nicht sagen.
Langjähriger Vizepräsident des Vereins war Michael Takacs, der aus dem Kabinett von ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka volley in die Leitungsfunktion der Verkehrsabteilung der LPD Wien gewechselt war und nunmehr zum Bundespolizeidirektor aufgestiegen ist. Zu Beginn der Motorradsaison im April besuchte Takacs den Übungsplatz, um auf die Unfallzahlen von Motorradfahrern hinzuweisen und die Bikerkurse zur bewerben.
Was bringen Kurse für Motorräder ohne Straßenzulassung?
Bleibt die Frage: Was hat die Allgemeinheit davon, dass Wiener Polizisten in ihrer Dienstzeit vorhüpfen, wie man geländegängige Enduro- und Trial-Motorräder (ohne Sattel) über sandigen Untergrund steuert? Also Bikes, die für den Straßenverkehr in der Regel gar nicht zugelassen sind?
„Besondere Kursformen wie Enduro- und Trialtrainings, die auch Teil der internen Aus- und Fortbildung sind, tragen zur Verbesserung der Fahrzeugbeherrschung, des Feingefühls und der Feinmotorik bei und leisten somit einen nachweisbaren Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im öffentlichen Straßenverkehr.“
Mit demselben Argument könnte die Polizei Wien auch Kurse für Rallye-Autos anbieten – wobei hier niemand auf Ideen gebracht werden soll.
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