AMS-Chef Johannes Kopf

AMS-Chef: „Ein Deutschkurs ist billiger als ein Monat Mindestsicherung“

AMS-Chef Johannes Kopf resümiert die vergangenen zehn Integrationsjahre nach der Flüchtlingswelle 2015. Warum schaffen es viele Geflüchtete jahrelang nicht, einen Job zu finden? Muss man die Mindestsicherung reformieren?

Drucken

Schriftgröße

Als sich im Sommer 2015 Tausende Geflüchtete in Richtung Europa aufmachten und in langen Fußmärschen die Grenzen Österreichs und Deutschlands passierten, sagte die deutsche Ex-Kanzlerin Angela Merkel: „Wir schaffen das.“ Was haben wir denn tatsächlich geschafft?

Johannes Kopf

Ich würde sagen, 2015 war das Jahr der Menschlichkeit. Und jetzt sind die Jahre der Integration. Die Integration in den Arbeitsmarkt funktioniert. Sie ist teuer, aber aus meiner Sicht alternativlos, weil die Nichtintegration noch teurer ist als die Integration. Ein Deutschkurs ist billiger als ein Monat Mindestsicherung.

Von jenen Menschen, die damals zu uns gekommen sind, haben 57 Prozent heute einen Job. Ist das aus Ihrer Sicht ein Erfolg?

Kopf

Ja, ich sehe das als Erfolg. 100 Prozent werden wir nie erreichen. 22 Prozent sind aktuell gar nicht bei uns als jobsuchend gemeldet, weil sie gerade Kinder bekommen haben, ins Ausland gezogen oder schon in Pension gegangen sind. Manche sind noch in Ausbildung oder machen sogar den Präsenzdienst. Tatsächlich aber waren schon 77 Prozent von ihnen in einer Beschäftigung, die jedenfalls länger als sechs Monate gedauert hat. Wir haben jetzt drei Jahre Rezession hinter uns. Da kommen neu zugezogene Menschen schwieriger in Jobs, und gekündigt werden eher jene, die kürzer dabei sind.

Wer sitzt denn nach zehn Jahren heute noch immer bei Ihnen im AMS-Warteraum?

Kopf

Es sind meistens Personen mit multiplen Vermittlungshemmnissen: fehlende Sprachkenntnisse, niedrigste Ausbildung. Die zweite Gruppe, die mir Sorgen macht, ist gar nicht arbeitslos gemeldet. Das sind oft die Frauen.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".