Keine Signale des Einlenkens von Fidesz
profil-Morgenpost

Angriff der Fidesz-Trolle

In Sozialen Medien häufen sich unter profil-Artikeln plötzlich merkwürdige Kommentare. Warum nur?

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Journalisten wollen, dass ihre Artikel gelesen werden. Sonst hätte es wenig Sinn, sie zu schreiben. Aus diesem Grund bewerben sie ihre Artikel gern im Internet. Sie stellen sie in Soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook. Leser und andere Interessierte können dann Kommentare posten. Auch ich mache das so.

„profil = Völkischer Beobachter“

Warum ich Ihnen das erzähle? Nun, neuerdings finden sich unter meinen Einträgen merkwürdige Botschaften. Meistens weisen sie einen Bezug zum Nachbarland Ungarn auf. „Long live Viktor Orbán“, schreibt da jemand beispielsweise. Oder: „Liberal media/profil = liberal fascism.“ Oder, noch geistreicher: „profil = Völkischer Beobachter“. Wohlgemerkt, die von mir beworbenen Artikel, unter denen sich diese Kommentare finden, haben rein gar nichts mit Ungarn oder Viktor Orbán zu tun. Sie befassen sich mit völlig anderen Themen.

Warum haben mich trotzdem Internet-Trolle, die im Umfeld der rechtsautoritären ungarischen Regierung herumturnen, zum Adressaten ihrer Botschaften auserkoren? Ich habe da eine Theorie. Vergangene Woche veröffentlichten zwei Kolleginnen aus dem Ressort Außenpolitik, Siobhán Geets und Franziska Tschinderle, einen Bericht über den Plan der ungarischen Orbán-Partei Fidesz, im Europäischen Parlament eine Rechtsaußen-Fraktion zu gründen. Im Rahmen der Recherche sandte Tschinderle drei Fragen an die Fidesz. Der Rest der Causa schlug ziemlich Wellen: Prompt wurde Tschinderle im regierungshörigen ungarischen Staatsfernsehen in minutenlangen TV-Beiträgen niedergemacht. Es ging soweit, dass man ihr „Geistesverwirrtheit“ unterstellte. Grundtenor: Die liberale Lügenpresse aus dem Ausland greift aufrechte Ungarn an.

Ein Signal nach innen

Das Motiv hinter dem abstrusen Angriff ist die „beabsichtige Wirkung nach innen“, wie Robert Treichler in diesem Kommentar analysiert. Kommendes Jahr finden in Ungarn Parlamentswahlen statt. Die sechs wichtigsten Oppositionsparteien treten gemeinsam gegen Orbán an. Die absolute Mehrheit könnte wanken – bei aller Kontrolle, die Orbán sich über den Staat gesichert hat. Also gilt es, das Volk rechtzeitig auf einen gemeinsamen Außenfeind einzuschwören.

Und der wäre: der eurokratisch-westlich-internationalistisch-genderverseucht-jüdisch-migrationsfreundliche Liberalismus, der in Wahrheit allein den Befehlen des US-Milliardärs George Soros gehorcht. Ihn zum Feind zu erklären, das ist seit vielen Jahren das Hauptmotiv der Propaganda Orbáns und seiner Mitstreiter. Als neueste Ausgeburt der Verkommenheit präsentierten sie nun - profil. Und lassen ihre kleinen Internet-Trolle auf alles los, was damit in Zusammenhang steht. Auch auf meine Einträge.

Joseph Gepp

PS: Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.