Anklage gegen Strache und Stieglitz: Eine Busfahrt ins Blaue

Ein oberösterreichischer Unternehmer und HC-Fan spendete einem FPÖ-nahen Verein 20.000 Euro – in zeitlicher Nähe zu seiner Bestellung zum Asfinag-Aufsichtsrat.

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Hat sich der oberösterreichische Unternehmer Siegfried Stieglitz den Sprung in den Asfinag-Aufsichtsrat 2018 mit Spenden an den FPÖ-nahen Verein "Austria in Motion" erkauft? Das war eine der zentralen Fragen eines Ermittlungsverfahrens, das die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ursprünglich gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, FPÖ-Infrastrukturminister a. D. Norbert Hofer und Siegfried Stieglitz geführt hatte.

Die Ermittlungen gegen Hofer wurden eingestellt – Strache und Stieglitz hingegen sollen nun wegen Bestechlichkeit und Bestechung angeklagt werden, wie die "Oberösterreichischen Nachrichten" unter Berufung auf die WKStA berichteten. Ein entsprechender Strafantrag (Strafandrohung: bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe) sei beim Landesgericht für Strafsachen in Wien eingebracht worden. Soweit sich die Beschuldigten bisher dazu geäußert haben, haben sie die Vorwürfe bestritten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Am 2. März 2018 hatte Stieglitz auf Wunsch von Norbert Hofer einen Sitz im Asfinag-Aufsichtsrat übernommen (ehe ihn die grüne Ministerin Leonore Gewessler 2020 wieder abberief). In zeitlicher Nähe zu seinem Avancement hatte Stieglitz dem Verein Austria in Motion insgesamt 20.000 Euro überwiesen, gestückelt in neun Tranchen zwischen Oktober 2017 und August 2018. Austria in Motion war eine der blauen Vereinskreationen im Umfeld des Wiener Rechtsanwalts und früheren FPÖ-Abgeordneten Markus Tschank.

Stieglitz, ein Bewunderer Straches, überwies ab Oktober 2017 zunächst 10.000 Euro in vier Tranchen à 2500 Euro an den Verein, nach seinem Einzug in den Asfinag-Aufsichtsrat folgten zwischen Juni und August 2018 noch einmal fünf Spenden zu je 2000 Euro.

Eine "Micky-Maus-Spende"

profil berichtete erstmals im August 2019 über die 20.000 Euro des Unternehmers an Austria in Motion. Stieglitz hatte diesem Magazin zwar eine Spende bestätigt, zugleich aber deren Höhe bestritten und keinen Betrag genannt. Stieglitz damals: "Im Vergleich zu Herrn Haselsteiner oder Frau Horten war das eine Mickey-Maus-Spende. Ich habe vermutet, dass sich der Verein im FPÖ-Umfeld bewegt, aber das war für mich irrelevant. Direkt an die Partei habe und hätte ich nicht gespendet." Er sei im Jahr 2017 "vom Verein angeschrieben worden", der Vereinszweck habe ihm gefallen.

Die Auswertung von Chat-Nachrichten ergab, dass Stieglitz Strache bereits Mitte Oktober 2017 darüber informierte, dass er jetzt bei Austria in Motion "dabei" sei. Die Chats zwischen Strache und Stieglitz legen auch den Verdacht nahe, dass der Unternehmer bei Strache intervenierte, um Aufsichtsratsjobs in Staatsbeteiligungen zu bekommen, die vom Infrastrukturministerium verwaltet wurden und werden: Asfinag und ÖBB.

In den ÖBB-Aufsichtsrat schaffte es Stieglitz nicht, in jenen der Asfinag sehr wohl.

Der Strafantrag behandelt darüber hinaus noch eine Einladung Stieglitz' an Strache zu einer Reise nach Dubai - die Strache allerdings ablehnte. Straches Anwalt Johann Pauer verwies in einer Stellungnahme gegenüber der Austria Presseagentur auf das vorangegangene Verfahren gegen Strache in der Causa "Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds", kurz Prikraf: ”Mein Mandant wurde bereits im Prikraf-Verfahren wegen einer Korfu-Reise angeklagt, die er nie angetreten hat, und diesbezüglich rechtskräftig freigesprochen. Jetzt wird er wegen einer Einladung zu einer Geburtstagsfeier in Dubai angeklagt, die er aus Compliancegründen abgelehnt hat."

Strache war Ende August des Vorjahres wegen Bestechlichkeit in der Causa "Prikraf" in erster Instanz zu 15 Monaten bedingter Haft im Prozess verurteilt worden. Strache hat dagegen berufen, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der "Gang Bang Bus"

Nicht Teil der Anklage ist ein Reisebus, den Stieglitz Straches FPÖ für den Wahlkampf 2017 zur Verfügung gestellt hatte. Der Bus brachte es im Oktober 2020 zu einschlägiger Berühmtheit. profil zitierte damals aus einem Chat zwischen Strache und seinem Generalsekretär Harald Vilimsky vom 19. Juni 2017:

Strache: „Das kann unser NR-Wahlbuss werden. Sigi Stieglitz stellt ihn kostenlos zur Verfügung … Aussenbeklebung natürlich durch uns möglich!“

Vilimsky: „Geiles Teil!!!“

Strache: „HC-Team-Bus :-)“

Vilimsky: „Nach dem 15. Oktober machen wir dann einen Gang Bang Bus draus“

Strache: „Du böser!“

Ganz so kam es dann doch nicht. Weder wurde daraus ein blauer "Gang Bang Bus", noch war dieser kostenlos. Es dauerte aber seine Zeit, bis Stieglitz der Partei eine Rechnung dafür legte. So hatte FPÖ-Bundesgeschäftsführer Johann Weixelbaum als Zeuge bei der WKStA unter anderem ausgesagt, dass Stieglitz den Iveco-Bus  "im Grunde gratis zur Verfügung stellen" habe wollen, was der Bundesgeschäftsführer damals abgelehnt habe: "Ich sagte, das geht nicht bzw. klärte ihn auf, dass dann eine derartige Zuwendung an den Rechnungshof zu melden wäre".

Man habe letztlich mündlich vereinbart, dass Stieglitz der Partei nach der Wahl eine Rechnung schicken werde. Doch die kam nicht. Dazu Weixelbaum in seiner Einvernahme: "Ich habe einige Male bei Herrn Stieglitz urgiert. Er hat wieder gemeint, er möchte spenden. Daraufhin habe ich ihm gesagt, wenn er dies möchte, dann wird sein Name und der Betrag der Spende dem Rechnungshof gemeldet. Wir haben uns dann unterhalten, wie das mit den Stückelungen ist, damit ich gesetzeskonform nicht zu einer Meldung an den Rechnungshof verpflichtet bin. Darüber hinaus habe ich ihm gesagt, dass es auch die Möglichkeit gibt, über einen Verein zu spenden. Wenn ich gefragt werde, was für einen Verein ich gemeint habe, gebe ich an, eben diesen Verein, Austria in Motion'."

"Freunde bei der FPÖ"

Die FPÖ hat stets betont, niemals Zuwendungen von Austria in Motion erhalten zu haben. Es mehren sich allerdings die Indizien dafür, dass zahlungswillige Freunde der Bewegung gezielt zu diesem Verein geschickt wurden, sofern sie kein gesteigertes Interesse an Rechnungshof-Meldungen hatten.

Erst am 10. April 2018, fast sechs Monate nach der Wahl, schickte eine von Stieglitz' Firmen schließlich eine Rechnung an die FPÖ, die diese auch bezahlte: 10.000 Euro für zehn Wochen Busmiete, dazu 2041,80 Euro Mautkosten und Umsatzsteuer, 14.450,16 Euro insgesamt. Stieglitz saß da schon im Asfinag-Aufsichtsrat und hatte Austria in Motion die ersten 10.000 Euro überwiesen.

Stieglitz wurde im Juli des Vorjahres als Beschuldigter einvernommen. Warum er sich mit der Bus-Rechnung ein halbes Jahr Zeit gelassen hatte? "Ich bin bei Fakturen nicht jemand, der sofort nach der Leistung nach dem Geld verlangt. "Die Miete für den Bus sei zwar "wohlwollend" gewesen, keinesfalls aber habe er vorgehabt, das Fahrzeug kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Die Spenden an Austria in Motion 2018 (also nach seinem Einzug in den Asfinag-Aufsichtsrat) erklärte er so: "Ich habe bei meiner Assistentin Nachfrage gehalten, ob die FPÖ den Bus schon bezahlt hat. Sie teilte mir mit, dass die Rechnung bezahlt wurde. Daraufhin habe ich für mich innerlich den Beschluss gefasst, dass ich EUR 10.000 an die Austria in Motion spende. Ich hatte Freunde bei der FPÖ. Das hätte sich herumgesprochen, dass ich der FPÖ den Bus in Rechnung gestellt habe. Man hätte mir den Vorwurf machen können, mich über die Partei bereichert zu haben."

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).