Mittlerweile, vier Jahre nach dem großen Blackout-Event in Tulln, steht die Deadline für die Umsetzung von Tanners Plänen kurz bevor. Bis Ende des Jahres sollen alle 100 Kasernen autark sein. Auf profil-Anfrage gibt das Bundesministerium für Landesverteidigung Auskunft: Ende August sind gerade einmal 14 der 100 Kasernen vollständig autark. Dabei hätten es bereits Ende 2022 schon 25 sein sollen, wie der Blick in einen Rechnungshofbericht von Anfang 2025 zeigt. Das Verteidigungsministerium verweist auf eine zu kurz bemessene Umsetzungsphase, Covid-19-bedingte Lieferkettenprobleme und eine angespannte Personalsituation. Dennoch gibt man sich optimistisch: Auch die restlichen 86 Kasernen sollen bis Jahresende vollständig autark sein.
Ob sich das ausgeht? Nein, sagen Alois Kainz und Robert Laimer am Telefon. Beide Abgeordneten haben zahlreiche parlamentarische Anfragen zu diesem Thema gestellt. Laimer, Wehrsprecher der SPÖ, sieht den Ausbau der Kasernen innerhalb des Zeitplans kritisch: „Ich glaube, dass wir das Ziel nicht erreichen.“ Auch Kainz, Zivilschutzsprecher der FPÖ und seit über 40 Jahren im Bundesheer aktiv, betont: „Wir haben großen, großen Nachholbedarf.“
Unklarheit im Heer
Das birgt große Gefahren. „Ohne autarke Kasernen ist das Bundesheer bei einem Blackout nicht handlungsfähig“, warnt Herbert Saurugg. Er ist Präsident der Gesellschaft für Krisenvorsorge und internationaler Blackout-Experte. Solange die Eigenversorgung nicht gesichert sei, könne das Heer auch anderen nicht helfen. Dabei müsste es im Ernstfall, neben der klassischen Landesverteidigung, auch Behörden und Einsatzkräfte unterstützen.
Eine großflächige Unterbringung der Bürger oder eine Versorgung mit Essen, Wasser und Co. ist nicht Aufgabe des Bundesheeres, dafür würden die Kapazitäten ohnehin nicht ausreichen. Die Österreicherinnen und Österreicher sind selbst allerdings nur schlecht für einen Blackout gerüstet. Laut Umfragen kann sich ein Drittel der Österreicher nur für maximal vier Tage selbst versorgen. „Wenn man in so einer Wohlfühl- und Vollkasko-Gesellschaft aufgewachsen ist, ohne Bedrohungslage, dann ist man nicht mehr resilient“, sagt Blackout-Experte Saurugg.
In der Bevölkerung gebe es große Unklarheiten darüber, was im Blackout-Fall zu tun ist und wie man sich vorbereiten sollte. Und auch die Abstimmung innerhalb des Bundesheeres weise Lücken auf: „Das Bundesheer weiß nicht, was seine Rolle ist.“
Genau hier wollte das Verteidigungsministerium im Jahr 2021 mit einem Kommunikationskonzept ansetzen. Dieses sollte sowohl die Allgemeinheit als auch die eigenen Soldatinnen und Soldaten für Krisenvorsorge und Blackouts sensibilisieren. Rund 1,6 Millionen Euro nahm das Ministerium dafür in die Hand. Davon flossen etwa eine Million Euro in Medien-Inserate, weitere knapp 270.000 Euro in das eigens inszenierte Blackout-Event in Tulln. Das erklärte Ziel: auf die Gefahr eines Blackouts aufmerksam machen. Laut Blackout-Experte Saurugg verfehlte das Event dieses Ziel: „Das war irgendeine Show mit null Relevanz.“ Mit einem realen Blackout-Szenario habe das Großaufgebot an Panzern, Hubschraubern und vermummten Soldaten nichts zu tun. Vielmehr würden solche Bilder falsche Erwartungen schüren, nämlich dass das Bundesheer ausreichend vorbereitet ist und für alle sorgen kann.
Zwar appelliert das Bundesheer auch an die Eigenverantwortung, etwa mit Plakaten, Vorsorge-Websites oder einem Blackout-Kochbuch. Allerdings lobt Tanner in Letzterem auch die Krisenfestigkeit des Bundesheeres: „Darauf können wir stolz sein!“ Ein anderer Flyer des Ministeriums hebt hervor: „Dank autarker Kasernen und einer modernen Ausrüstung kann es“, also das Bundesheer, „im Ernstfall die Einsatzorganisationen bestmöglich versorgen und unterstützen.“ Der Appell an die Bevölkerung, sich selbst vorzubereiten, geht in solchem Selbstlob schnell unter, sagt Experte Herbert Saurugg: „Bei vielen, die sich nicht weiter damit beschäftigen, bleibt nur hängen: Die sind vorbereitet und lösen das Problem, es geht mich also nichts an.“
Scheinsicherheit und Dosenbrot
Eine Fehlkommunikation, die auch der Rechnungshofbericht bemängelt. Es sei „nicht auszuschließen“, dass das Verteidigungsressort mit seiner Kommunikation einen Eindruck der Hilfeleistungsfähigkeit vermittelt, der nicht der Realität entspricht. Für das, was der Rechnungshof naturgemäß sehr vorsichtig ausdrückt, findet der Blackout-Experte Saurugg klarere Worte: Er attestiert dem Verteidigungsministerium ein Kommunikationsproblem. FPÖ-Zivilschutzsprecher Kainz formuliert es noch drastischer: „Es handelt sich aus meiner Sicht nur um Überschriften.“
Das Verteidigungsministerium äußert sich auf Anfrage nicht zu der Kritik. Immerhin: 80.000 Dosen Roggenvollkornbrot wurden schon einmal besorgt. „Der Grundstock für die Autarkie in jeder Kaserne“ ist damit laut eines Tweets des Ministeriumssprechers Michael Bauer gelegt.