Als profil in der Vorwoche die Details des geplanten Geschäfts enthüllte, löste dies einen Wirbel im Landhaus in Eisenstadt und in der Landesregierung aus. Die Opposition aus ÖVP und FPÖ kritisierte den Deal scharf. Und auch im „Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen“ ist die Skepsis groß. Dass die öffentliche Hand eine Wohnbauvereinigung quasi verstaatlicht, gab es in dieser Form noch nicht.
Offenbar wurde zumindest einem Beteiligten die öffentliche Debatte zu viel. Mittwochmittag gab die Raiffeisen Landesbank Burgenland bekannt, die Verhandlungen mit dem Land nicht fortzusetzen – womit der Deal geplatzt ist. Generaldirektor Rudolf Könighofer: „Angesichts der derzeitigen öffentlichen und politischen Diskussion rund um einen möglichen Verkauf der Raiffeisen-Anteile an der ,Neuen Eisenstädter‘ sehen wir aktuell keine Grundlage für die Fortsetzung der Gespräche.“ Könighofers semantischer Salto: Von einem „geplatzten Deal“ könne man nicht sprechen, da es keinen Deal gebe.
Kritik an Gemeinnützigen
Auch das Büro von Landeshauptmann Doskozil bestätigte, dass es Gespräche mit den beiden Banken über die „Neue Eisenstädter“ gegeben habe. Dies sei aber „ausschließlich vor dem Hintergrund einer Sonderprüfung“ bei der Wohnbaugesellschaft erfolgt, die das Land als Aufsichtsbehörde in Auftrag gegeben habe. So weit, so richtig, aber verkürzt: Doskozil wollte die „Neue Eisenstädter“ unbedingt und übte entsprechenden Druck auf Erste Bank und Raiffeisen aus.
Schon seit Jahren hat der Landeshauptmann die vier gemeinnützigen Bauvereinigungen des Burgenlandes im Visier, die seiner Meinung nach alles andere als gemeinnützig seien, sondern zu hohe Mieten vorschreiben und Überschüsse nicht an ihre Mieter weitergeben würden. Bei einem Wahlkampfauftritt am 6. Jänner in Oberwart warf er Raiffeisen und Erste Bank vor, aus ihrer Wohnbaugesellschaft „Gewinne rausziehen“ zu wollen. 2023 strich Doskozil den Wohnbauvereinigungen über eine Richtlinie sogar die Wohnbauförderung des Landes.
Als Eigentümer der „Neue Eisenstädter“ wollte Doskozil beweisen, dass eine Wohnbauvereinigung im Besitz des Landes billiger sozialen Wohnraum schaffen kann als die von ihm kritisierten Gemeinnützigen. Seinen Bürgern „leistbares Wohnen“ zu ermöglichen, lautet immerhin das wichtigste Politversprechen des Landeshauptmanns. Zu diesem Zweck ließ Doskozil sogar eine eigene Wohnbaugesellschaft gründen, die „So Wohnt Burgenland GmbH“, unter dem Dach der Landesholding: Diese ist mit 78 Gesellschaften, 7300 Mitarbeitern und 1,6 Milliarden Euro Umsatz das Vehikel für Doskozils Zentralverwaltungswirtschaft und betreibt unter anderem eine Flugschule, eine Online-Hochzeitsplattform und ein Kompetenz-Zentrum für Fliesen, Keramik und Ofenbau. Da die Holding eine ausgegliederte Gesellschaft ist, haben die Oppositionsparteien keinen Einblick in deren Geschäftsgebarung – im Gegensatz zum Bundesrechnungshof, der seit September die finanziellen Verflechtungen der Landesholding prüft. Der SPÖ-Klubobmann im burgenländischen Landtag, Roland Fürst, spricht von einem „völlig normalen Vorgang“, dem man „mit Gelassenheit“ entgegensehe. Die Opposition vermutet, dass die Landesholding auf einem Schuldenberg sitze.
Zentralverwaltungswirtschaft
Hans Peter Doskozil ist – für einen Landeshauptmann ungewöhnlich – im Herzen Zentralist. Sein Wirtschaftsverständnis – die viel zitierten „Doskonomics“ – gründet auf der Überzeugung, dass Politik und Landesverwaltung viele Aufgaben und Dienstleistungen am effizientesten erfüllen, wenn nötig eben auch eine Online-Hochzeitsplattform.
„The Art of the Deal“ (Copyright: Donald Trump) schaut im Burgenland etwa so aus: Zur finanziellen Unterstützung der 171 Gemeinden schlug Doskozil als Sofortmaßnahme Einmalzahlungen in Gesamthöhe von 100 Millionen Euro durch das Land vor. Zur Gegenfinanzierung forderte er einen „Müll-Deal“: Die Gemeinden müssten dem Land den in ihrem Besitz stehenden Müllverband verkaufen. Die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag scheiterte am Widerstand der ÖVP.
Ein weiteres Prestigeprojekt des Landeshauptmanns war die Neuaufstellung der Pflege im Land. Doskozil zufolge sei sein Modell „einzigartig für ganz Österreich“ und regle „das Thema Pflege abschließend“. Tatsächlich kommt das neue System einer Monopolisierung gleich. Doskozil unterteilte das Burgenland in 28 Pflegeregionen mit 71 Pflegestützpunkten. Pro Region ist nur noch ein Betreiber zentral für alle Angebote in Pflege und Betreuung verantwortlich. Man erwarte sich Synergien, Kostenvorteile und kürzere Fahrzeiten für die Pfleger, so Doskozil. Betreiber wie Caritas, Volkshilfe, Rotes Kreuz oder Hilfswerk kritisieren die Reform. Das bisherige kleinteilige System habe funktioniert, im neuen würden die Patienten die Wahlfreiheit zwischen den Anbietern verlieren. Schon 2021 war die mobile Palliativversorgung in den Verantwortungsbereich des Landes übertragen worden.
Gegenüber privatwirtschaftlich geführten Einrichtungen im Sozialbereich hegt der Landeshauptmann offenes Misstrauen: Er sehe nicht ein, dass „der Staat alles finanziere und private Unternehmer Profite einfahren“. Folgerichtig wird nicht-gemeinnützigen Alten- und Pflegeheimen ab 2027 die Landesförderung gestrichen.
Vor Doskozils Zugriff war auch das burgenländische Waidmannswesen nicht sicher. Ende 2022 wurde der Landesjagdverband nach 74-jähriger Tätigkeit durch ein Landesgesetz aufgelöst. Dessen Zuständigkeiten wanderten in ein neues Landesjagdreferat im Amt der burgenländischen Landesregierung.
Wahlerfolg trotz Schuldenanstieg
Doskozils Verstaatlichungen haben einen Preis: höhere Schulden. Laut Statistik Austria stieg der Schuldenstand in Doskozils Ära von einer Milliarde Euro (2019) auf 1,65 Milliarden Euro (2024) – und damit um 65 Prozent. Die Pro-Kopf-Verschuldung nahm von 3500 Euro (2019) auf 5300 Euro (2024) zu. Das Defizit (Nettofinanzierungssaldo) betrug laut offiziellem Rechnungsabschluss im Jahr 2020 29,6 Millionen Euro, im Jahr 2023 bereits 63 Millionen Euro. Den Landeshauptmann ficht das nicht an. Den hohen Schulden würden Werte gegenüberstehen, und die Defizite seien auch bilanziellen Maßnahmen im Rechnungsabschluss geschuldet. Doskozil: „Wir haben ein stabiles Budget. Wir haben stabile Finanzen.“
Die Bürger sind mit ihrem Landeshauptmann jedenfalls zufrieden. Bei der Landtagswahl 2020 erzielte Doskozil mit 49,9 Prozent der Stimmen die absolute Mandatsmehrheit – als einziger Landeshauptmann in Österreich. Bei der Wahl im heurigen Jänner – die SPÖ kandidierte als „Liste Doskozil“ – kam er auf immer noch beeindruckende 46,4 Prozent und ging eine Koalition mit den Grünen ein.
Bestimmte Dienstleistungen vergibt selbst der staatsaffine Doskozil an private Anbieter. Einem Bericht des Landesrechnungshofs zufolge kaufte das Land Burgenland von 2020 bis 2023 externe Beratungsleistungen im Ausmaß von 8,23 Millionen Euro zu. Allein 3,6 Millionen Euro gab es für Sachverständige aus. Die jährlichen Ausgaben für Beratungen stiegen von 1,4 Millionen Euro auf 2,4 Millionen Euro. Die Empfehlung des Landesrechnungshofs: „Angesichts dieser dynamischen Ausgabenentwicklung“ solle das Land „seine Kernaufgaben möglichst selbst erfüllen“ – was eigentlich auch den „Doskonomics“ entspricht.