Antifaschistisches Sommercamp am Peršmanhof. Zelte und Polizeibeamten sind zu sehen.
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Camp-Teilnehmer zu Peršmanhof-Bericht: „Eine einfache Entschuldigung wäre ein Anfang gewesen“

Teile des Polizeieinsatzes an der NS-Gedenkstätte in Kärnten waren unverhältnismäßig und rechtswidrig. Folgen daraus Konsequenzen?

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Eine vom Innenministerium eingesetzte Expertenkommission hat das umstrittene Vorgehen an der NS-Gedenkstätte Peršmanhof im Juli untersucht. Ihr Urteil fällt vernichtend aus: Der Einsatz war in Teilen unverhältnismäßig, rechtswidrig und diente einem anderen Zweck als offiziell angegeben. Die behaupteten Verwaltungsübertretungen waren lediglich ein Vorwand, um die Teilnehmenden des antifaschistischen Camps überprüfen zu können. Zudem fehlte den Einsatzkräften laut Kommissionsbericht jegliche Sensibilität für die historische Bedeutung des Ortes.

Zur Erinnerung: Am 27. Juli führte die Polizei einen groß angelegten Einsatz an der Kärntner NS-Gedenkstätte Peršmanhof durch. Dort fand ein antifaschistisches Bildungscamp des „Klub slowenischer Student*innen in Wien“ mit rund 60 Personen statt.

Offiziell begründet wurde der Einsatz mit Verstößen gegen das Kärntner Naturschutz- und Campingplatzgesetz. Beschwerden „aus der Bevölkerung“ seien eingegangen, erklärte der Einsatzleiter und stellvertretende Chef des Landesverfassungsschutzes (LSE). Hinweise, die sich durch die Untersuchung der Kommission nicht erhärtet haben. Stattdessen erklärte Sektionschef Matthias Vogl, Leiter der Analysekommission, am Donnerstag vor Medienvertretern: Nach Ansicht der Kommission war das ein Vorwand dafür, dass man an die Identitätsdaten aller Camp-Teilnehmer kommen wollte. 

Polizeieinsatz bei Antifa-Sommercamp: An einer Waldstraße stehen Polizeiautos, ein Rettungswagen und Polizisten.
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Trotz der angeblich geringfügigen Verwaltungsübertretungen rückte ein massives Aufgebot an: Acht Polizeikräfte aus Völkermarkt, drei Beamten der Schnellen Interventionsgruppe, eine Diensthundeführerin, ein Polizeihubschrauber, drei Mitarbeiter des Landesamts für Staatsschutz, zwei Vertreter der Bezirkshauptmannschaft und ein Mitarbeiter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

Der vierstündige Einsatz eskalierte: Polizist:innen drangen gegen den Willen des Museumsbetreibers in das Gebäude ein und nahmen Personen wegen Widerstands fest, zwei von ihnen wurden verletzt. Der Einsatz sorgte für Empörung. Am Peršmanhof hatten im April 1945 Männer eines SS- und Polizeiregiments elf Angehörige zweier Kärntner-slowenischen Familien ermordet. Dass ausgerechnet dort der Verfassungsschutz so massiv vorging, rief auch in Slowenien scharfe Kritik hervor.

Unverhältnismäßig 

Ein schriftlicher Einsatzbefehl oder Einsatzauftrag lag nicht vor“, heißt es im Abschlussbericht. Zudem war der Landesverfassungsschutz unzuständig für die behaupteten Verwaltungsübertretungen. Auch die Anwesenheit von Bezirkshauptmannschaft und des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sei „nicht beziehungsweise schwer erklärbar“. Angesichts der historischen Bedeutung des Ortes habe es an Sensibilität gefehlt, auch wenn der Einsatz nicht „gegen die slowenische Volksgruppe in Kärnten beziehungsweise das Museum Peršmanhof” gerichtet gewesen sei.

In Wahrheit, so die Kommission, handelte es sich um einen Einsatz des Verfassungsschutzes, nicht um die Ahndung von Campingverstößen. Im Einsatzhandout wurden „Antifa“ und das „linksextremistische Aktionsfeld Antifaschismus“ gleichgesetzt. Die Identitätsfeststellungen seien „überschießend“ gewesen.

Pressegesprächs des Innenministeriums "Abschlussbericht der multiprofessionellen Kommission Peršmanhof" mit Landespolizeidirektorin Kohlweiß, Generaldirektor Ruf (Öffentliche Sicherheit), Innenminister Karner (ÖVP), Sektionschef Vogl
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Bei der Präsentation der Kommissionsbericht wurde allerdings auch festgehalten, dass die Campteilnehmer:innen gegen die Hausordnung des Museums verstoßen haben: In der Hausordnung ist klar festgelegt, dass das Anbringen von Transparenten oder derartigen Meinungsbekundungen verboten ist. Wie wir den Unterlagen, die uns vorgelegen sind, entnommen haben, war das auch den Camp-Teilnehmenden bewusst, so Sektionschef Vogl.

Die Kommission kritisiert in ihrem Bericht auch die Bezirkshauptmannschaft. Diese hätte „auf eine gesetzmäßige und verhältnismäßige Durchführung drängen müssen“. Das LSE Kärnten und damit auch der stellvertretende Leiter des LSE waren für die Prüfung der genannten Verwaltungsübertretungen nicht zuständig. Alle Beteiligten hätten den Anordnungen eines unzuständigen Organs nicht Folge leisten dürfen. 

Fehlende Entschuldigung 

Rechtsanwalt Rudolf Vouk wurde während des Einsatzes von Camp-Teilnehmer:innen und Veranstaltungsleiter:innen hinzugezogen. Er zeigt sich im Gespräch mit profil in Hinblick auf den Abschlussbericht in seiner Einschätzung bestätigt: Die Aktion sei „rechtswidrig, unverhältnismäßig und nur ein Vorwand“ gewesen. Der Bericht zeige deutlich, so Vouk, wie tief Vorurteile gegenüber der slowenischen Volksgruppe in Kärnten noch verwurzelt seien – nicht nur bei der Polizei, sondern auch in der Bezirkshauptmannschaft. 

Rudolf Vouk ist ein Rechtsanwalt, ehemaliger Politiker und ein Angehöriger der slowenischsprachigen Volksgruppe in Kärnten.
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Scharf kritisiert er den Bezirkshauptmann, der den Einsatz hätte stoppen müssen, sowie Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der bislang kein Wort der Entschuldigung gefunden habe. „Nach einer rechtswidrigen Aktion muss ein Innenminister anders reagieren“, sagt Vouk. Auch im Rahmen der Pressekonferenz am Donnerstag wurde Karner direkt gefragt, ob er eine Entschuldigung für diesen Einsatz aussprechen werde – er verwies darauf, dass seine Gespräche mit dem slowenischen Botschafter und dem Innenminister vertraulich seien.

Ein Teilnehmer des Camps am Peršmanhof, Ertuğrul Bayraktar, zeigt sich nach Veröffentlichung des Abschlussberichts im Gespräch mit profil enttäuscht. Besonders schockiert habe ihn, dass sich niemand bei den Betroffenen entschuldigt habe. Die Stimmung unter den Campteilnehmer:innen sei dementsprechend ernüchtert. „Die Leute wollen Konsequenzen sehen, und selbst eine einfache Entschuldigung wäre ein Anfang gewesen“, so Bayraktar. Für ihn persönlich habe der Einsatz Spuren hinterlassen: „Als POC*-Person habe ich in Österreich ohnehin nicht viele gute Erfahrungen mit der Polizei gemacht – Racial Profiling, Kontrollen ohne Grund, Belästigungen.”

* People of Color (PoC) ist eine Selbstbezeichnung für Menschen, die Rassismus erfahren und von der Mehrheitsgesellschaft als nicht weiß wahrgenommen werden.

Rechtswidrigkeit ohne Rechtsfolge

Neben den juristischen Bewertungen des Abschlussberichts rückt nun die Frage nach Konsequenzen für die Beteiligten in den Fokus. Disziplinarrechtliche Schritte stehen weiterhin aus. Bekannt ist bislang nur die Versetzung des Einsatzleiters in eine andere Dienststelle, gegen den zudem das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittle.

Rudolf Vouk sieht die bisherigen Maßnahmen als absolut nicht ausreichend. Er fordert rechtliche Konsequenzen und konkrete Fortschritte beim Minderheitenschutz. Statt kosmetischer Maßnahmen brauche es, so Vouk, „ein Volksgruppenrecht, das überschaubar ist und das jeder Beamte kennt“.

Im Rahmen der Pressekonferenz kündigte Karner an, dass die zuständigen Dienstbehörden mit disziplinarrechtlichen Maßnahmen beauftragt würden. Zudem werde das Innenministerium eine Sachverhaltsdarstellung erstellen, die an die Landespolizeidirektion Kärnten, das Bundesamt für Fremdenwesen und die Landesamtsdirektion Kärnten übermittelt wird. Sie soll als Grundlage für die Prüfung von Anzeigen an die Disziplinarbehörde dienen.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser verkündete seinerseits, dienstrechtliche Schritte eingeleitet zu haben. Die Amtsinspektion und Personalabteilung sollen mögliche Konsequenzen für den Völkermarkter Bezirkshauptmann prüfen. Kaiser betont, dass die Verantwortung klar bei drei Führungspersonen liege und die übrigen Beamten keine Schuld treffe. Ziel sei es, „alles zu tun, damit sich derartige Vorfälle nicht wiederholen.“ 

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.

Hannah Leitner

Hannah Leitner

seit September 2025 Trainee bei profil. Moderiert ehrenamtlich bei Politiktrafik.