Babler attackiert Doskozil von links
SPÖ-Vorsitz

Rote Richtungswahl: So unterschiedlich sind Doskozil und Babler

Von Maximalvermögen bis Mindestlohn: Wo sich Andreas Babler und Hans Peter Doskozil inhaltlich unterscheiden. 

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Das Duell um die SPÖ-Spitze ist noch nicht entschieden. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil lag bei der parteiinternen Mitgliederbefragung zwar knapp vorne, Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler will sich aber noch nicht geschlagen geben. Egal, wie sich die Partei entscheidet: Der neue Obmann wird die SPÖ in eine neue Richtung führen. Die sieben Punkte, die Doskozil und Babler trennen.

1. Mehr Lohn vs. weniger Arbeit

Ausgerechnet bei einem der Kern-Themen der Sozialdemokratie, nämlich Arbeit, unterscheiden sich die Forderungen von Hans Peter Doskozil und Andreas Babler diametral. Doskozil plädiert in erster Linie für höhere Mindestlöhne und verweist selbstbewusst auf das Burgenland: Dort hat der Landeshauptmann zuerst einen Mindestlohn im öffentlichen Dienst von 1.700 Euro netto eingeführt und dann auf 2.000 Euro erhöht. Das fordert er nun „für alle“. In Eisenstadt regiert Doskozil mit absoluter Mehrheit, er musste sich bei der Einführung des Mindestlohns also mit keinen Koalitionspartnern abstimmen. Aber auch die Sozialpartner band er nicht so ein, wie sie es gerne gehabt hätten. 

Dass Doskozil auch auf Bundesebene mit einem gesetzlichen Mindestlohn liebäugelt, ist nicht nur eine Kampfansage an geringe Einkommen, sondern auch an die sozialdemokratisch geführte Gewerkschaft: Der ÖGB ist es in Österreich, der Kollektivverträge und damit auch die Löhne verhandelt. Im internen Wahlkampf ging Doskozil aber ohnehin mehrere Schritte auf die Gewerkschaft zu: Er fordert jetzt höhere Löhne, aber in Abstimmung mit dem ÖGB. Erst dann, in einem nächsten Schritt, könne man über eine Arbeitszeitverkürzung sprechen.

Andreas Babler hat hingegen ganz andere Stunden-Pläne: Er fordert eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Vorbild dafür ist die vergangene, große Arbeitszeitreduktion in den 1970er-Jahren. Damals wurden die Wochenstunden schrittweise reduziert. Seine Hoffnung ist es, dass sich das gesamte Arbeitsvolumen in Österreich gleichmäßiger auf mehr Arbeitskräfte verteilen würde. Sein Argument: Vormals Arbeitslose könnten einen Job finden, Menschen in Teilzeit mehr arbeiten, Vollzeitbeschäftigte entlastet werden. Die Rechnung: „Wenn die Regierung das Geld in die Hand nehmen würde, das sie für die Senkung der Konzernsteuern ausgibt, könnte man kürzere Arbeitszeiten für 600.000 Menschen staatlich fördern und so 150.000 neue Arbeitsplätze schaffen.“ Ökonomen äußerten allerdings Bedenken daran.

2. (Un-)Populäre Maßnahmen beim Klima

Einig sind sich Doskozil und Babler darin, dass die Klimakrise das größte Problem dieses Jahrhunderts ist. Wie sie aber bekämpft werden soll, spaltet die beiden: So ist Burgenlands Landeshauptmann gegen Tempo 100 auf der Autobahn und will lieber auf erneuerbare Energien, öffentlichen Verkehr und alternative Antriebe setzen. Für Babler wäre langsam fahren auf der Autobahn hingegen eine sinnvolle Maßnahme, um CO₂-Emissionen kurzfristig zu senken. Öffi-Ausbau oder LKW-Maut auf allen Straßen kämen für den Niederösterreicher dann noch hinzu. 

Eine rein moralische Klimapolitik, die den Einzelnen Opfer abverlangt, den Reichen aber ihre Privilegien lässt, ist zum Scheitern verurteilt.

Andreas Babler

will beim Klimaschutz nicht zu viel Verantwortung auf die Bürger abladen.

Allzu unpopuläre Entscheidungen will Babler im Kampf gegen die Klimakrise allerdings nicht treffen: „Eine rein moralische Klimapolitik, die den Einzelnen Opfer abverlangt, den Reichen aber ihre Privilegien lässt, ist zum Scheitern verurteilt“, schrieb er als Antwort auf einen Fragebogen der Jungen Generation (JG). Doskozil ist hingegen ohnehin nicht für seine übertriebene Rücksicht bekannt. Politiker müssten auch unpopuläre Entscheidungen treffen, ließ er die JG wissen: Im Mittelpunkt dürfe „nicht bloß der Wille stehen, es allen recht zu machen“.

3. Zwei Flügel bei Migration und Asyl

Besonders viele Feinde machte sich Doskozil in der SPÖ durch seine restriktivere Migrationspolitik. So sprach er sich im Herbst 2020 etwa gegen die Aufnahme von Flüchtlingskindern in Moria aus, als das griechische Flüchtlingscamp abbrannte – und stellte sich damit auch gegen die rote Parteispitze, also Pamela Rendi-Wagner. Auch eine Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber kann sich Doskozil durchaus vorstellen. Eine solche wäre allerdings wohl verfassungswidrig. Über die Verfassung will sich der Burgenländer nicht hinwegsetzen.

Für Babler gilt hingegen: Kein Mensch ist illegal. In Traiskirchen steht Österreichs größtes Erstaufnahmezentrum, Bürgermeister Babler steht für ein Miteinander zwischen gebürtigen Traiskirchenern und Geflüchteten. Dass er trotz seiner offenen Arme Wahlerfolge erringen kann, ist für viele Parteilinke ein Hoffnungsschimmer. Zwar findet auch Babler, dass Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wird, das Land verlassen müssen, auf Abschreckung will er aber nicht setzen. Stattdessen tritt er für menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten und Resettlementkontingente ein.

 

Zweiteres bräuchte wohl eine europäische Lösung – auf die auch Doskozil mit der Forderung von Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und einem einheitlichen EU-Asylsystem setzt. Im Grunde deckt sich die migrationspolitische Position allerdings mit der bisherigen der Bundes-SPÖ – immerhin hat er die 2018 beschlossene SPÖ-Migrationsstrategie gemeinsam mit Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser ausgearbeitet. Arbeitsmigration müsse demnach von Asyl entkoppelt werden. Als Grundprinzip für Arbeitsmigrantinnen und -migranten gilt seitdem in der SPÖ: „Integration vor Zuzug“. Als die SPÖ ihre Mitglieder auch zu diesem Slogan befragte, kritisierte Babler die Fragestellung: „Integration vor Zuzug“ oder „Illegale Migration stoppen“ „würde sich auch bei einer FPÖ-Mitgliederbefragung wieder finden“, sagte er in der ORF-Sendung „Hohes Haus“.

4. Erleichterungen für die Staatsbürgerschaft?

Eigentlich hat die SPÖ eine Linie zu Erleichterungen beim Staatsbürgerschaftsrecht erarbeitet – doch Hans Peter Doskozil weicht davon ab. Er spricht sich gegen Lockerungen aus, höchstens die finanziellen Hürden könnte man seiner Meinung nach senken. Die SPÖ plädiert bisher unter anderem dafür, dass Betroffene allgemein nach sechs Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich einen Antrag auf Einbürgerung stellen können (statt derzeit zehn Jahre).

Babler unterstützt diese und andere Erleichterungen. Auch ein Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer kann er sich durchaus vorstellen, schwächte seine Worte aber im internen Wahlkampf ab. Zu profil sagte er noch: „Da gibt es differenzierte Modelle, die muss man zusammenführen. Aber klar ist: Es gibt Arbeitsmigranten, die sind wahnsinnig lang da, manche sind schon mit mir in die Schule gegangen, und haben keine Rechte. Das ist doch meschugge".

Das ist doch meschugge.

Andreas Babler

findet, dass Arbeitsmigrantinnen und -migranten mehr Mitbestimmung verdienen.

5. Mieter oder Eigentümer?

Sein „neues Verständnis von sozialem Wohnbau“ lebt Doskozil vor: Im Burgenland soll leistbarer Wohnraum geschaffen werden, deren Mieter nach 30 Jahren zu Eigentümern werden. In der Partei ist das umstritten: Aus der staatlichen Subvention werde dadurch vererbbares Vermögen, sozial Schwächere würden bald wieder durch die Finger schauen, lautet die Kritik. Auch Babler will den öffentlichen Wohnbau daher deutlich ausbauen, aber keinesfalls privatisieren.

Wir wollen, dass Eigentum zum Errichtungspreis erworben wird.

Hans Peter Doskozil

will sozialen Wohnbau in leistbares Eigentum verwandeln.

Außerdem fordert der Niederösterreicher, die Flächenwidmung „sozialer Wohnbau“ in ganz Österreich anzuwenden, Leerstand konsequent zu bekämpfen und Mietverträge nur noch mit Begründung zu befristen. Als kurzfristige Antwort auf die Teuerung hat der burgenländische Landeshauptmann gar Mieten eingefroren – allerdings nur in rund 3000 Genossenschaftswohnungen. Im Bund hätte er dafür einen wesentlich größeren Hebel

6. Maximalvermögen vs. Freihandel

Der Traiskirchner Bürgermeister ist wirtschaftlich deutlich radikaler als Doskozil: Marxismus sei eine gute Brille, um auf die Welt zu schauen, befand Babler in der ZIB2. So sieht Babler gegenüber der JG etwa „keinen Bedarf” nach weiteren Freihandelsabkommen, da diese zuletzt vor allem dazu gedient hätten, „Konzernrechte zu stärken und Regulierungen im Sinne der Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen zu reduzieren“. Doskozil würde hingegen weiterhin Freihandelsabkommen unterzeichnen, dabei aber auf die Einhaltung von Arbeitnehmer- und Konsumentenrechte sowie Tierschutz- oder Gesundheitsstandards achten wollen.

Babler spricht sich außerdem für ein Maximalvermögen aus, denn: „Die Konzentration hoher Vermögen in den Händen einiger Weniger gefährdet unsere Demokratie.“ Genaue Betragsgrenzen – etwa ab einer Milliarde Euro – müssten allerdings demokratisch definiert werden. Doskozil lehnt derartige Obergrenzen ab, ist aber für die Einführung einer progressiven Vermögenssteuer. Eine solche ist für Babler Koalitionsbedingung

7. Gro-Ko als No-Go?

Allerdings dürfte sich die SPÖ mit Babler nicht in die stärkste Verhandlungsposition begeben: Der Niederösterreicher hat sowohl FPÖ als auch ÖVP als Koalitionspartner ausgeschlossen: „Ich kann mir ja nicht vorstellen, wie es Fortschritt und Verbesserung mit ÖVP oder FPÖ geben kann“, sagte er gegenüber profil. So bleiben ihm nur noch die Grünen und NEOS als Regierungspartner. 

Auch für Doskozil wäre eine rot-grün-pinke „Ampel-Koalition“ die liebste Wahl. Eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen sei für ihn „die undenkbarste Variante“, sagte er Ende März in der ZIB2. Ausschließen will er aber nur eine Koalition mit der „Kickl-FPÖ“, darüber hinaus gelte der in der SPÖ beschlossene Wertekatalog. Eine Rückkehr der Großen Koalition wäre unter Doskozil folglich möglich.

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Hat ein Faible für visuelle Kommunikation, schaut aufs große Ganze und kritzelt gerne. Zuvor war er bei der "Kleinen Zeitung".