Migration

Flüchtlinge könnten bei Umzug nach Wien Mindestsicherung verlieren

Zu viele Flüchtlinge ziehen aus anderen Bundesländern nach Wien. AMS-Chef Johannes Kopf macht einen neuen Vorstoß für eine bessere Verteilung.

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Der seit Monaten andauernde Familiennachzug syrischer Kinder und Frauen nach Wien führt zu einer neuen Debatte über die Schieflage zwischen Wien und dem Rest Österreichs. Denn fast alle Familien gehen nach Wien, was vor allem die Schulen der Hauptstadt heillos überfordert. Auch Wohnungen fehlen. Der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, unternimmt nun einen neuen Vorstoß für eine bessere Verteilung der Zuwanderer aufs ganze Land. Er schlägt eine Art "Sozialhilfe-Auflage" vor.

Flüchtlingen steht Sozialhilfe oder Mindestsicherung zu, sobald sie Asyl bekommen. Für die Auszahlung sind die Bundesländer zuständig. Nach Kopfs Idee könnten die Länder eine Vereinbarung schließen, die folgendes besagt: Nur jenes Bundesland, in dem während des Asylverfahrens der Wohnsitz lag, ist für die Mindestsicherung an Flüchtlinge zuständig. Ziehen sie beispielsweise von Tirol nach Wien um, gäbe es dort kein Sozialgeld mehr. Die Flüchtlinge könnten keinen neuen Antrag stellen. Zu regeln wäre das laut Kopf über eine sogenannte 15a-Vereinbarung zwischen den Bundesländern.

Gegen "Ghettobildung" 

Lebt die gesamte Familie von Mindestsicherung, wären die Einbußen bei einem Umzug nach Wien noch höher. Umgekehrt könnte eine solche "Sozialhilfe-Auflage" die Menschen eher in Regionen halten, wo es mehr Arbeit gibt und sie rascher aus der Mindestsicherung raus kommen.

profil widmet der enormen Schieflage bei der Zuwanderung zwischen Wien und Restösterreich einen aktuellen Schwerpunkt. Johannes Kopf beschäftigt diese Schieflage seit 2015. Damals begann die große Flüchtlingswelle aus Syrien. Der AMS-Chef befand es schon damals als suboptimal, dass geflüchtete Personen dorthin ziehen, wo die höchste Arbeitslosigkeit herrscht – in Wien. Außerdem wies er auf die Gefahr von „Ghettobildungen“ hin. Er empfahl, über eine Residenzpflicht nachzudenken.

Für ÖVP ist Wien selbst schuld

Politisch fordern die Neos eine Residenzpflicht oder Wohnsitzauflage seit 2016. Sie soll anerkannte Flüchtlinge über einen Zeitraum von drei Jahren im ersten Bundesland halten, in dem sie Asyl bekamen. In Wien hat Vize-Bürgermeister Christoph Wiederkehr die Forderung nun wieder aufs Tapet gebracht, um die Stadt zu entlasten. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) stellte sich hinter ihn. Kopfs Vorstoß wäre rechtlich einfacher umzusetzen als eine harte, bundesgesetzliche Wohnsitzauflage.

Die ÖVP ließ sich - bis auf Gemeindebund-Präsidenten Johannes Pressl - bisher nicht auf die Debatte ein. Sie sieht Wien alleine für den starken Familiennachzug zuständig. Die im Bundesländervergleich teils deutlich höheren Sozialleistungen würden Geflüchtete verstärkt in die Hauptstadt ziehen.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.