FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl

Die FPÖ und Corona: Warum rechtspopulistische Parteien in Krisen schwächeln

In Krisen wird der Laute leiser, selbst Herbert Kickl. Warum die FPÖ ausgerechnet im Ausnahmezustand schwächelt.

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Es ist ein fragwürdiger, aber effektiver Kunstgriff: Redet US-Präsident Donald Trump öffentlich über Corona, spricht er vom "China-Virus". Als hätte SARS-CoV-2 eine Staatsbürgerschaft. Die Wirkung ist erwünscht: Für ein "Ausländer"-Virus kann der US-Präsident keine Verantwortung tragen. Gegen illegale virale Einwanderer lässt sich kein Zaun bauen. Trumps Volte dürfte nach dem Geschmack von Herbert Kickl sein. Der FPÖ-Klubobmann weiß um die Macht der Sprache. Als Innenminister ließ er Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge in "Ausreisezentren" umbenennen.

Mittlerweile heißen sie wieder "Aufnahmestellen" und Herbert Kickl ist nicht mehr Minister. So gern er auch in der Regierung war, ist doch die Opposition sein natürliches Habitat. Doch derzeit kämpfen die Freiheitlichen um die eigene Identität. Opposition in Zeiten von Corona ist für die Rambazamba-Partei keine leichte Übung. Für den nationalen Schulterschluss müssen sich die Blauen ordentlich verrenken.

Selbst ein Politprofi wie Herbert Kickl verlor die Orientierung. Als das Corona-Krisenmanagement Ende Februar anlief, schossen sich die Freiheitlichen auf Türkis-Grün ein. Die Koalition würde "durch ihr Tun und Lassen unheilvolle Beiträge liefern". Die Polizei müsse man "vor Innenminister Karl Nehammer schützen". Gesundheitsminister Rudolf Anschober sei "ein Opfer des ÖVP-Projekts Betreutes Regieren", jeder Auftritt der Regierungsmitglieder ein "Huldigungsritual" für Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die NEOS warfen der FPÖ daraufhin vor, aus der Corona-Krise "politisches Kleingeld" schlagen zu wollen.

Zickzack-Kurs

Wie sehr die FPÖ der richtige Instinkt fehlte, zeigen zwei skurrile Details. So beschuldigte Herbert Kickl die Regierung, es "verschlafen" zu haben, die Domain "coronavirus.at" zu reservieren. Und der oberste Krisenmanager des Innenministeriums, der geschäftsführende Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Lang, sei laut Kickl gar nicht "zuständig". Der eigentlich bestgeeignete Mann für den Job sei noch von ihm als Minister eingesetzt, danach allerdings "rechtswidrig" abberufen worden. Gemeint ist Peter Goldgruber, Kickls Vertrauter im Innenressort, Kurzzeit-Sicherheitsgeneraldirektor und Erfüllungsgehilfe bei der Razzia gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Nach der ersten Krawallphase schwenkten die Freiheitlichen um. Angesichts der Schreckensbilder aus Italien und der Ausbreitung des Virus in Österreich war Kampfrhetorik nicht mehr angemessen. In Krisen werden auch Laute leiser. Plötzlich traten die Freiheitlichen als konstruktive Oppositionspolitiker auf.

Der von Regierung und Öffentlichkeit erwartete Schulterschluss wurde praktiziert. Und selbst ihr Lieblingsthema "Ausländer/Asylanten/Flüchtlinge" fuhren die Freiheitlichen zurück. Anfang März hielt Kickl noch den Einsatz von Wasserwerfern und Gummimunition - und sogar Warnschüsse - an Österreichs Grenze für geboten, sollte es zum "Ansturm" von Flüchtlingen kommen.

"Schwarzgrüner Husch-Pfusch"

In Woche 3 des Ausnahmezustands fand die FPÖ wieder zur gewohnten Form. Innenminister Nehammer verbreite "Fake News",die Verschärfung der Maßnahmen durch die Regierung sei "ein hundertprozentiges Eingeständnis des eigenen Missmanagements", die Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft ein "schwarzgrüner Husch-Pfusch".

Eines muss man den Freiheitlichen trotzt ihres Zickzack-Kurses lassen. Sie waren die Ersten, die Maßnahmen gegen das Coronavirus forderten - ob aus parteitaktischen Gründen oder echter Sorge. Schon am 5. Februar verlangte Parteichef Norbert Hofer Gesundheits-Screenings bei der Einreise am Flughafen Wien-Schwechat. Und Herbert Kickl sprach sich vor der Regierung für Kontrollen an der Grenze zu Italien aus. Doch seit die türkisgrüne Koalition die Österreicher kollektiv in Hausarrest schickte (wofür ein Innenminister Kickl wahrscheinlich einen Misstrauensantrag kassiert hätte), ringt die FPÖ um Präsenz.

Eine Partei, die nur ein einziges Thema ("Ausländer") spielt, verhungert zwangsläufig, wenn ein anderes Thema die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit aufsaugt. Dazu ist Covid-Corona eine reine Inländer-Angelegenheit geworden. Grenzschließungen und Kontrollen für Ausländer spielen keine Rolle mehr. Und nun wurde bekannt: Das Virus wurde nicht großflächig eingeschleppt. Nur 3,5 Prozent der Infektionen passierten im Ausland. Tatsächlich steckten Österreicher andere Österreicher in Österreich an. Stabilität nützt den Regierenden. Daher versuchen rechtspopulistische Oppositionsparteien in normalen Zeiten möglichst viel Unruhe zu verbreiten, um verunsicherte Bürger einzufangen. Ihr wirkungsvollstes Mittel ist dabei die Lautstärke. In ohnehin angespannten Zeiten steigt aber das Bedürfnis nach Ruhe. Es punktet, wer eine Politik der ruhigen Hand betreibt wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober, oder möglichst unaufgeregt Leadership zu zeigen vermag wie Kanzler Sebastian Kurz. Beider Beliebtheitswerte ziehen an. Die FPÖ reagiert darauf schrill. Generalsekretär Michael Schnedlitz warf Anschober sogar "Perfidität" bei der Aufarbeitung der Fehler im Tiroler Krisenmanagement vor.

In einer aktuellen Umfrage des "Standard" liegt die FPÖ bei elf Prozent. Bei den Wahlen 2019 kam sie auf - damals enttäuschende - 16 Prozent.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.