Abstrakte Illustration zum Thema Jugendbande
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Im Bann der Wiener Jugendbanden

Nach dem Fall Anna steht wieder eine Gruppe männlicher Teenager vor Gericht. Sie sollen eine Lehrerin erpresst, bestohlen und missbraucht haben. Ufert die Bandenkriminalität aus?

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„Wir hatten einen Nothammer bei uns. Er hat die Balkonscheibe eingeschlagen, ist durchgegangen und hat den Balkon geöffnet. Wir haben den Vorhang vorgezogen und die Wohnung nach Schmuck, Handtaschen, Uhren und Klamotten durchsucht. Dann wurde ein Feuer gelegt. Im Schlafzimmer sind wir dann aus dem Fenster gesprungen.“

Der Bursche, der dieses Geständnis ablegt, ist 14 Jahre alt und stammt aus Afghanistan. Vom Aussehen her ein „Milchbubi“, wurde er im Sommer wegen Raubs verurteilt und ist auf Bewährung. Von den sechs Mitangeklagten sind drei vorbestraft – wegen Körperverletzung, Einbruch oder Sachbeschädigung. Der älteste ist gerade einmal 17 Jahre alt.

Die kriminelle Energie, die sich an diesem Mittwochvormittag im Saal 303 des Wiener Landesgerichts ballt, macht die Anwesenheit von zehn Justizwache-Beamte erforderlich. Einer davon hat einen Teaser im Revers.

Seit acht Monaten in U-Haft

Bereits am Montag sagten der irakische, rumänische und ebenfalls afghanische Hauptangeklagte aus. Sie sitzen seit acht Monaten in Untersuchungshaft und sind auch an diesem Tag anwesend. Drei Beamte haben ihnen die Handschellen abgenommen und sitzen reaktionsbereit gegenüber. Vor der Tür bewachen drei Polizisten den Saal.

Die Szene, die der 14-Jährige schildert, ist Teil eines Martyriums, das eine 29-jährige Lehrerin im Vorjahr laut Anklageschrift durchlebte. Nach einvernehmlichem Sex mit einem damals 16-Jährigen soll die Gruppe gedroht haben, sie in der Schule zu outen. Sie sollen sie in ihrer Wohnung über Monate belagert, erpresst, mehrfach bestohlen und im Zusammenspiel mit Drogen vergewaltigt haben. Letzteres wird den drei Hauptangeklagten vorgeworfen.

Der Endpunkt dieses unglaublichen Kriminalfalls ist der Wohnungsbrand, den die Berufsfeuerwehr rechtzeitig löschen kann, bevor er auf weitere Wohnungen übergreift.

PROZESS UM IN WIEN MISSBRAUCHTE LEHRERIN MIT SIEBEN ANGEKLAGTEN IM ALTER ZWISCHEN 14 UND 17
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„Ich war bekifft und fand es lustig“

„Es brennt, ihr springt aus dem Fenster. Was, dachtet ihr, wird dann passieren?“, fragt die Richterin den 14-Jährigen. „Ich dachte, es wird nicht so schlimm enden.“

Nach ihm schildert ein 16-Jähriger mit ungeklärter Herkunft, wie wild es in der Wohnung über Monate zuging. Aber auch von seinem Versuch, den Tresor in der Schule der Lehrerin zu knacken. Er scheiterte und zertrümmerte kurzerhand das Lehrerzimmer. „Ich war bekifft und fand es lustig. Jetzt bereue ich die Tat.“ Der vermeintliche Rädelsführer, ein 15-jähriger Iraker, hatte sich am ersten Verhandlungstag abgebrüht als Drogendealer präsentiert und gestanden, die Lehrerin mehrfach bestohlen zu haben.

Die Erpressung, besonders die Sexualdelikte, die sie für Jahre ins Gefängnis bringen könnten, bestreiten alle vehement. Es sei alles immer von der Lehrerin ausgegangen. Sie zeichnen das Bild einer „kaputten“ Frau, die sich gerne mit den Burschen umgeben hätte, um mit ihnen Drogen zu konsumieren und sie zu verführen. Demgegenüber stehen die Aussagen der Frau, die mehrfach versucht haben soll, sich umzubringen und der ein posttraumatisches Belastungssyndrom diagnostiziert wurde. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Ab dem Jahr 2023 terrorisierte eine Bande ausgehend vom Liesinger Hauptplatz den Bezirk. Sie gingen auf Raubzüge, vandalierten, schlägerten und dealten mit Drogen. Die Angeklagten im Saal 303 sollen gegenüber der Lehrerin damit geprahlt haben, Teil der „Liesinger Gang“ zu sein und per Chat 80 Mitglieder herbeirufen zu können.

Clemens Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.