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Zehn Jahre später: Wie geht es vier Menschen, die 2015 nach Österreich flüchteten

Louai, Almogheeth, Abdulhkeem und Faihaa waren Teil der 90.000 Menschen, die damals einen Asylantrag stellten. Wie ist ihr Leben heute?

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„Meine Mutter fehlt mir, wenn es mir nicht gut geht.“

Faihaa, 38

 

Als der Krieg in Syrien im Jahr 2011 begann, wurde ich krank. Nachdem die ersten Bomben fielen, bekam ich Multiple Sklerose. Damals war ich 24 Jahre alt. Ich bin Mutter von mittlerweile fünf Kindern, mein ältestes Kind ist mein 18 Jahre alter Sohn, meine jüngste Tochter ist drei Jahre alt. Zwei meiner Töchter kamen in Österreich auf die Welt, sie sind anders als meine anderen Kinder, sie sind freier und unbeschwerter als die Älteren. Sie haben keine Erinnerungen an den Krieg. 

Mein Mann flüchtete allein aus Damaskus nach Wien und bekam 2015 Asyl. Ich kam mit unseren drei Kindern ein Jahr später per Familiennachzug nach. Ich machte einen Deutschkurs, er hat mittlerweile einen Vollzeitjob als Optiker. Wir leben gut, ich bin zufrieden und bin dankbar dafür, dass ich keine Angst um meine Kinder haben muss. Meine Familie ist meine Welt. 

Manchmal kommt die Erinnerung an das, was wir in Syrien erlebt haben, und sie kommt plötzlich – die Bomben, die Detonationen. Doch mit der Zeit wird es einfacher. Ich finde hier keinen Job, ich bin auch nicht beim AMS gemeldet. Zu Hause in Damaskus habe ich bald Kinder gekriegt, und ich habe kaum Berufserfahrung. Die einzige Arbeit, die ich je hatte, war als Ordinationshilfe bei meinem Onkel. Außerdem setzt mir meine Krankheit zu. 
Mein Mann und meine Kinder ermutigen mich immer, Deutsch zu reden, manchmal gehe ich in ein Sprachcafé, aber es ist eine Überwindung für mich. Ich vermisse meine Familie, ich vermisse meine Mutter. Sie fehlt mir in meinem Alltag. Sie fehlt mir, wenn es mir nicht gut geht. 

„Sie haben gerufen: „Wir wollen die toten Frauen ficken.“ 

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.