Ludwig kürzt Sozialhilfe für Großfamilien? Nicht ganz.
„Ludwig kürzt Sozialhilfe für Großfamilien“, prangt es auf dem Cover der Gratis-Zeitung oe24. Auch andere Medien betonen in Schlagzeilen, dass Wien jetzt bei Kindern kürze.
Diese Headlines sind für den Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig PR-technisch ein Volltreffer. Denn der Fall einer syrischen Großfamilie, die mit ihren elf Kindern pro Monat 9000 Euro Mindestsicherung und Familienbeihilfe erhält, sorgt auch in der eigenen Wählerschaft weiterhin für Irritationen. Hier null zu sparen, während die Stadt ihre Preise fürs Parken und für das Öffi-Jahresticket um ein Drittel hinaufschnalzt, würde auch den klaren Sieger bei der Wienwahl im April diesen Jahres in Bedrängnis bringen.
Eigener Koalitionspartner hätte Sparstift angesetzt
Nun zeigt Ludwig also Härte. Doch in Wahrheit schont er Großfamilien. Denn er geht weder auf das Drängen der Kanzlerpartei ÖVP ein, die Sozialhilfe für jedes weitere Kind automatisch zu senken, wie es andere Bundesländer bereits praktizieren (Modell: Pullover und Schultasche wandern zu den Kleineren weiter, deswegen kostet nicht jedes Kind gleich viel). Noch gibt er dem Drängen des eigenen Koalitionspartners Neos nach, deren Chefin im profil dasselbe forderte.
Was Wien bei Familien ändert: Künftig werden jene 25 Prozent der Mindestsicherung, die fürs Wohnen zweckgewidmet sind, auch bei den Kindern von der Mietbeihilfe abgezogen. Beides parallel voll auszuzahlen, war ein – im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern – großzügigerer Wiener Sonderweg. Dieses Extra abzuschaffen, spart der Stadt 20 Millionen Euro. Dem stehen Gesamtkosten für die Wiener Mindestsicherung von heuer 1,2 Milliarden Euro gegenüber. Ludwigs „Kürzungen bei Großfamilien“ spielen sich also in der zweiten Kommastelle ab.
Gekürzt wird bei syrischen Männer-WGs
Substanziell gekürzt wird anderswo: In Wohngemeinschaften. 29.000 Bezieher von Mindestsicherung leben in Wien in sogenannten Bedarfsgemeinschaften. Also nicht in Familien. Das sind zu einem guten Teil syrische oder afghanische Flüchtlinge, die in einer WG zusammenleben, weil sie sich eigene Wohnungen nicht leisten können. Die Männer unterstützen sich in der eigenen Sprache bei Amtswegen, der Jobsuche, Kochen zusammen und teilen sich die Kosten für Strom, Heizung, Wasser. Die Familienväter unter den Flüchtlingen lebten in der Vergangenheit solange in solchen Männer-WGs, bis sie Frau und Kind über die Familienzusammenführung nachholen konnten. Doch die Familienzusammenführung aus Syrien ist seit Monaten ausgesetzt.
Künftig bekommen Sozialhilfebezieher in solchen Wohngemeinschaften nicht mehr den Höchstsatz der Mindestsicherung als wären sie Single, sondern einen abgestuften Satz als wären es Familien. Das soll im nächsten Jahr 75 Millionen Euro sparen.
Fazit: Wien kürzt bei der Mindestsicherung und bewegt sich minimal auch bei Großfamilien. Dem Druck der Kanzlerpartei ÖVP, pro weiterem Kind weniger auszuzahlen wie in Oberösterreich oder Niederösterreich, gibt Ludwig aber nicht nach. Er schafft seine eigenen Fakten, was die Ausgangsbedingungen für eine einheitliche Sozialhilfe in ganz Österreich nicht gerade erleichtert.
Das rote Wien bleibt bei der Sozialhilfe bewusst anders.