Blick auf Hallstatt

profil-Morgenpost: Chinesische Wiener, Wiener Chinesen

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Meine neue Normalität am gestrigen Mittwoch begann mit der Neun-Uhr-Zeit-im-Bild auf ORF1 und sie endete dort auch gleich wieder. Der Beitrag fand vor der farbenfrohen Kulisse von Hallstatt statt. Sie ahnen bereits, was jetzt kommt und gestern auch kam? Ich ahnte auch. Tatsächlich ging es um die Existenzängste jenes Ortes im Salzkammergut – ein Ort, der ja schon deshalb keine Existenzängste zu haben brauchte, weil für den Worst Case eine jederzeit abrufbereite Kopie der Gemeinde in der chinesischen Provinz existiert und wahrscheinlich in noch kleinerem Format auch in einigen Millionen chinesischen Haushalten. Jedenfalls und unserer dunklen Ahnung entsprechend: Alexander Scheutz, der Hallstatter Bürgermeister, beklagte das völlige Ausbleiben der Touristen – die ja bekanntlich zu etwa 150 Prozent aus China anreisen –, und er wies darauf hin, dass damit der lokalen Wirtschaft die Existenzgrundlage entzogen wurde: keine Umsätze mit garantiert lokalem Salz, keine lokale Busgebühr, keine Übernachtungen in der lokalen Beherbungsindustrie, kein Geld für die Lokale (Scheutz auch hier in der supralokalen Tageszeitung).

Das stimmt nachdenklich. Einerseits, weil Hallstatt seit Jahren über eine Invasion der vornehmlich chinesischen Touristen klagt und bereits an eine venezianische Eintrittsgebühr gedacht hat. Bei allem Verständnis für das Schutzbedürfnis der "Oahoamischen": Was jetzt bitte? Andererseits: Vier fast angrenzende Gemeinden des inneren Salzkammerguts hatten kürzlich per gemeinsamem Brief der Bürgermeister an die übergeordneten politischen Entscheidungsträger ihre Besorgnis über Zweitwohnbesitzer mit nicht lokalem – häufig Wiener – Autokennzeichen geäußert, die den lokalen „Wachdiensten“ aufgefallen seien. Man möge doch den Übertritt jener Herrschaften in die Gemeinden unterbinden, zumal nicht nur das Einschleppen des Corona-Virus zu befürchten sei, sondern auch der Ausverkauf des lokalen Angebotes der Supermarktketten.

Wir sehen: Das Salzkammergut hat sich zum Minimundus des Verkehrs mit Fremden entwickelt. Es geht nicht ohne sie, aber auch nicht mit ihnen. Vielleicht könnten die chinesischen Wiener und die Wiener Chinesen einfach ihr Urlaubsgeld überweisen und dennoch zu Hause bleiben?

Möglicherweise können die Hallstätter kurzfristig auch den amerikanischen Präsidenten als Ratgeber gegen die Chinesen heranziehen. Im Handelsstreit hat er der Welt bekanntlich schon gezeigt, wo der Chinese wohnt. Trump plant nun ein generelles Einwanderungsverbot in die USA, vorläufig auf 60 Tage begrenzt. Das erinnert mich an eine Folge aus der Neftlix-Serie „Designated Survivor“, die ich unlängst im Lockdown – nach 30 Folgen von „The Crown" – sah. Dort weist der US-Präsident nach einem Terroranschlag Hunderte von den USA bereits formell akzeptierte Flüchtlinge ab und leitet ihr Flugzeug nach Kanada um, wo sie dann Aufnahme finden. Und ja: Der Attentäter in Kanada, der im Amoklauf am vergangenen Wochenende mit Stand gestern 23 Menschen umgebracht hat, war kein Syrer, kein Chinese, kein Mann mit Migrationshintergrund. Gabriel Wortman war ein wohlhabender weißer Zahntechniker mit einer Zusatzausbildung als Bestatter. Nichts gegen Zahntechniker (und nichts gegen Bestatter).

Herausgeber & Chefredakteur

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