Gesundheitsminister Rudolf Anschober tritt zurück

Gesundheitsminister Rudolf Anschober tritt zurück. Wolfgang Mückstein folgt nach.

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Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) tritt zurück. Bei einer kurzfristig angesetzten "persönlichen Erklärung" in Wien sprach Anschober von einer "Überlastungssituation" und berichtete von einem Kreislaufkollaps vor einem Monat und einem weiteren vor einer Woche. "Ich bin überarbeitet und ausgepowert", sagte 60-Jährige. Daher habe er sich entschieden, sein Amt zurückzulegen.

"In der schwersten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten braucht die Republik einen Gesundheitsminister, der zu 100 Prozent fit ist", begründete Anschober seinen Abgang. Und: "Ich will mich auch nicht kaputt machen." Bis Montag soll Vizekanzler Werner Kogler die Geschäfte führen, dann soll sein Nachfolger angelobt werden.

Van der Bellen dankt für "unermüdliche Arbeit"

Die "unermüdliche Arbeit" des scheidenden Gesundheitsministers Rudolf Anschober (Grüne) "in dieser so unendlich schwierigen und belastenden Zeit der Pandemie" würdigte nach der Rücktritts-Bekanntgabe am Dienstag Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dankte dafür, dass sich Anschober "für unser Land aufgeopfert" habe. Von der Opposition kam persönlicher Respekt, aber auch Kritik am Corona-Management der Regierung.

Mückstein wird Gesundheits- und Sozialminister

Der Mediziner und Ärztekammer-Funktionär Wolfgang Mückstein wird neuer Gesundheitsminister. Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler hat Mückstein nur zwei Stunden nach dem Rücktritt von Gesundheitsminister Rudolf Anschober als dessen Nachfolger vorgestellt. Angelobt wird Mückstein am Montag, Fragen waren nicht zugelassen. Dem scheidenden Minister dankte Kogler für dessen Einsatz gegen die Pandemie und für dessen Beitrag zum Neustart der Grünen nach der Wahlniederlage 2017.

Allgemeinmediziner Mückstein ist einer der Leiter des Primärversorgungszentrums im sechsten Wiener Gemeindebezirk. In der Wiener Ärztekammer fungiert der Mit-Vierziger als Referent für Gruppenpraxen und neue Organisationsformen.

In seinem ersten Statement - Fragen waren nicht zugelassen - betonte Mückstein, dass ihm die Herausforderung bewusst sei: "Wenn du keine Bedenken hast, mitten in der Pandemie Gesundheitsminister zu werden und damit oberster Krisenmanager, dann fehlt dir der Respekt vor der Aufgabe." Den aktuellen Lockdown in der Ostregion hält der neue Minister zwar für eine unpopuläre, aber nötige Entscheidung um Menschenleben zu retten: "Ich werde unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn es nötig ist. Weil ich mich dazu als Gesundheitsminister und Arzt verpflichtet sehe."

Kogler bedachte den neuen Gesundheits- und Sozialminister mit reichlich Vorschusslorbeeren. Die Pandemie werde noch einige Zeit eine Ausnahmesituation bleiben, Politik, Gesundheitseinrichtungen und Mitarbeiter seien "voll gefordert", so der Vizekanzler: "Gerade deshalb brauchen wir jetzt jemanden, der mit Expertise und Kraft diese Gesundheitskrise managt. Neben mir steht jemand, der das kann."

Dem scheidenden Minister Anschober dankte Kogler dafür, dass dieser ohne Pause für den Gesundheitsschutz in Österreich gearbeitet habe. "Es ist eine Herkulesaufgabe." Außerdem habe Anschober auch Fehler eingestehen können. "Wenn so viel gehobelt wird, dann fallen auch Späne", betonte Kogler, der auch Anschobers Beitrag zum Neustart der Grünen nach 2017 würdigte: "Danke, lieber Rudi."

Türkis-grünes Kabinett verliert drittes Mitglied

Mit dem Rücktritt von Gesundheitsminister Anschober nach einem Jahr, drei Monaten und sechs Tagen im Amt verliert die im Jänner des Vorjahres angelobte Regierung bereits ihr drittes Mitglied. Davor waren bereit Kultur-Staatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) sowie Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) abgetreten. Allein schon aufgrund seiner Funktion als Gesundheitsminister in einer Pandemie ist der Rückzug Anschobers das bisher bedeutendste Ausscheiden.

Am kürzesten dauerte dabei die Amtszeit Lunaceks - wobei eine Staatssekretärin genau genommen nicht der Regierung angehört. Sie nahm nach nur 129 Tagen den Hut - davor hatten Vertreter der Kulturszene mehrfach ihre Maßnahmen bzw. Auftritte im Zusammenhang mit der Corona-Krise kritisiert. Nachfolgerin wurde die ehemalige Leiterin der Kunst- und Kultursektion Andrea Mayer.

Ganz andere Gründe hatte dagegen der Rücktritt Aschbachers: Plagiatsjäger Stefan Weber hatte in ihrer Diplomarbeit "Plagiate, falsche Zitate und mangelnde Deutschkenntnisse" geortet. Kurz darauf wurden auch in ihrer Dissertation sprachliche Stilblüten und plagiatsverdächtige Stellen entdeckt. Als Konsequenz verabschiedete sich die Ministerin nach einem Jahr und zwei Tagen ohne weiteren öffentlichen Auftritt per schriftlicher Erklärung. Ihr folgte der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher.

Anschobers Nachfolger soll Anfang kommender Woche angelobt werden.