Wolfgang Ganzenhuber (ÖVP), Bürgermeister in Plainfeld, sitzt vor seinem Computer
Reportage

Wahlen in Salzburg: In 31 Gemeinden steht der Bürgermeister bereits fest

Votum ohne Auswahl: Bei den Gemeinderatswahlen am 10. März haben tausende Salzburger keine Entscheidungsmöglichkeit. Denn in immer mehr Gemeinden findet sich für das Bürgermeisteramt nur ein Kandidat. Warum ist das so?

Drucken

Schriftgröße

Wolfgang Ganzenhuber telefoniert, als sich die Tür ins Gemeindehaus automatisch öffnet. profil besucht ihn an einem Freitag, dem stressigsten Tag für den Plainfelder Bürgermeister. Ganzenhuber trägt einen marineblauen Blaser und einen silbernen Ohrstecker. Wenn er nicht gerade vor dem Computer in seinem Büro sitzt („Alles ist nur noch digital“), arbeitet er in der Aufzugtechnik. Offiziell ist er nur drei Tage die Woche im Amt, inoffiziell rund um die Uhr erreichbar, dafür gibt es rund 5000 Euro brutto.

Salzburg macht den Auftakt zum Superwahljahr in Österreich. In weniger als einem Monat, am 10. März, werden Gemeinderäte und Bürgermeister gewählt. Auch in der 1300-Einwohner-Gemeinde Plainfeld, gelegen am Salzburgring, dem „Mekka für Motorsportfans“, und Veranstaltungsort für das 50.000-Besucher-Festival „Electric Love“.

Bürgermeister will dort nur einer werden: Der seit 15 Jahren amtierende Ortschef Wolfgang Ganzenhuber. Seine Partei, die ÖVP, hat bei der letzten Gemeinderatswahl 80 Prozent der Stimmen erreicht. Konkurrenten hat er schon lange nicht mehr. In Plainfeld und dreißig weiteren Salzburger Gemeinden will nur eine Person Ortschef werden. Darin zeigt sich: Bürgermeister ist ein Mangelberuf.

Bürgermeister ohne Konkurrenz

Wenn es nicht gerade um Raumplanung oder Baugenehmigungen geht, führt er Vorstellungsgespräche für die gegenüberliegende Volksschule. Kinderbetreuung ist ein Problem, das die Bundesregierung lösen will. 4,5 Milliarden Euro sollen bis 2030 allen Kindern ab dem ersten Lebensjahr einen Platz sichern. Offen bleibt freilich, wie sie mit dem Personalmangel umgehen wird, der in Plainfeld stark zu spüren ist. Fallen Pädagoginnen aufgrund von Krankheit aus, werden die Gruppen entweder zusammengelegt – oder die Schule bleibt geschlossen. Entscheiden muss das: Ganzenhuber.

An der Wand in seinem Büro hängen die Bilder ehemaliger Bürgermeister, darunter auch sein Großvater, der bis 1945 im Amt war. Der Job hat sich seitdem stark verändert. 120 Termine hatte Ganzenhuber in den vergangenen zwei Monaten. Er ist die erste Anlaufstelle für Beschwerden, Fragen und Probleme. Ortskaiser und Buhmann. Auch rechtlich werde es „immer komplizierter“. Das Amt des Bürgermeisters kann auch zur Haftungsfalle werden.

Imageschaden durch Korruptionsfälle

„Ich bin die letzte Instanz für alles“, sagt der 53-Jährige. Kommt es zu Schäden – wenn etwa Wasserzähler nicht rechtzeitig ausgetauscht werden – haftet er privat. Auch bei Veranstaltungen wie Faschingsumzügen oder Krampusläufen, bleibe „immer ein Risiko“, weiß der Bürgermeister, denn keine Versicherungsanstalt will die Haftung für solche Events übernehmen. Gemeindefeste wie die Feuerwehrfeier, bei der sich Ganzenhuber heute als Cowboy verkleiden wird, will er aber sicher nicht abschaffen.

Wolfgang Ganzenhuber (ÖVP), Bürgermeister in Plainfeld, sitzt vor seinem Computer

Dorfkaiser und Buhmann

Zusätzlich zu den Pflichten eines Bürgermeisters, die laut Salzburger Gemeindebund-Chef Günther Mitterer zu „einer enormen Belastung“ werden können, haben die medial prominenten Korruptionsfälle der vergangenen Monate für „extremen“ Imageschaden gesorgt, wie er profil berichtet. „Die Bürgermeister sind die Politiker, die der Bevölkerung am nächsten stehen.“ Die Enttäuschung nach geheimen Grundstücksdeals und Umwidmungsaffären um den ehemaligen Gemeindebundpräsidenten Alfred Riedl (ÖVP) und den SPÖ-Bezirksvorsteher aus der Wiener Donaustadt, Ernst Nevrivy, ist umso größer.

Bürgermeister wollen Entlastung

Das Phänomen, dass Anwärterinnen und Anwärter fürs Bürgermeisteramt immer seltener werden und sich in manchen Gemeinden gar nur mehr eine Wahlliste findet, begrenzt sich nicht auf Salzburg. In Niederösterreich gab es 2020 acht ÖVP-Hochburgen, etwa in Adeklaa oder Moorbad Harbach. Dort war die Volkspartei die einzige wahlwerbende Partei.

Selbst bei den dominierenden Fraktionen hapert es mit dem Nachwuchs: Die ÖVP kämpft in Plainfeld damit, neue Mitglieder anzuwerben. Über Zulauf junger Menschen, hört man, dürfte sich nur die Freiheitliche Partei freuen (aktuell hat sie ein Mandat). Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle weiß, woran das liegt: „Früher hat politische Parteizugehörigkeit für Vorteile gesorgt, heute haben junge Menschen Angst, durch politisches Engagement in der Karriere Nachteile zu erfahren.“ Ganzenhuber, der seit 2009 Bürgermeister ist, sucht seit Jahren eine Nachfolge. Bisher wollte jedoch niemand seinen Job in der Privatwirtschaft dafür aufgeben. 

Dem Vernehmen nach sind viele Bürgermeister also auf dem besten Weg zum kollektiven Burn-out. Sie wünschen sich weniger Bürokratie und juristischen Schutz. Ganzenhuber fordert mehr Unterstützung. Bei Baugenehmigungen oder wenn es darum geht, das beschlossene Infofreiheitsgesetz umzusetzen, wünscht er sich mehr „Entlastung für Bürgermeister durch einen Juristen in jedem Gemeinderat“, derzeit ist das nur in großen Gemeinden vorgeschrieben.

Die Opposition hält Stellung

In den 119 Salzburger Kommunen werden Anfang März 8252 Personen um 2164 Sitze in den Gemeindevertretungen konkurrieren. 270 wollen Bürgermeister werden. Im Flachgau, dort liegt auch Plainfeld, gibt es mit neun Gemeinden die meisten Solo-Kandidaten ohne Konkurrenz. In Fusch an der Großglocknerstraße und Thomatal tritt überhaupt eine Liste für die Gemeindevertretungswahl an. 

Es fällt schwer, in diesem Zusammenhang noch von einer Demokratie zu sprechen.

In diesen Gemeinden steht der Sieger fest

  • Flachgau: Bergheim, Dorfbeuern, Fuschl am See, Göming, Hintersee, Lamprechtshausen, Obertrum am See, Plainfeld und Seeham
  • Lungau: Göriach, Lessach, Mauterndorf, Ramingstein, Thomatal, Tweng, Weißpriach und Zederhaus
  • Pongau: Altenmarkt im Pongau, Flachau, Goldegg, Pfarrwerfen, St. Martin am Tennengebirge, St. Veit im Pongau, Wagrain und Werfenweng
  • Pinzgau: Fusch an der Großglocknerstraße, Lofer, Stuhlfelden und Wald im Pinzgau
  • Tennengau: Annaberg-Lungötz und Scheffau am Tennengebirge

Quelle: Land Salzburg

Bei einem Lokalaugenschein in Plainfeld verliert niemand ein schlechtes Wort über den Bürgermeister. Von allen Parteien heißt es, man würde gut zusammenarbeiten, die dominierende ÖVP schert auch gerne mal von der Bundesparteilinie aus. Den „Österreich-Plan“ des Bundeskanzlers hat Wolfgang Ganzenhuber jedenfalls nicht gelesen, wie er beteuert. 

Das traditionelle Wahlverhalten in Landgemeinden aufzubrechen, gleicht hier einer Herkulesaufgabe. Einige versuchen es dennoch.

Sonja Ebner zeigt gerne Farbe: Sie hat rote Haare – und sitzt seit fünf Jahren auch in der Gemeindevertretung als einzige Sozialdemokratin. „Wolfgang ist sozial eingestellt“, sagt die 51-Jährige über Bürgermeister Ganzenhuber. In den seltenen Fällen, in denen gegensätzliche Positionen gibt, werden sie „geduldet“. Im Plainfelder Gemeinderat sieht sie ihre Rolle weniger darin, ständig „dagegen zu sein“, als für den „sozialen Ausgleich“ zur wirtschaftstreuen ÖVP zu sorgen. Was das in der Praxis bedeute? „Stellung halten“, sagt Ebner. 

Umgeben von Orchideen und mit Blick auf das Gemeindehaus auf der anderen Seite des Tals, erzählt sie profil wie es ist, nicht zur ÖVP-Clique zu gehören. Sie klingt fast ein wenig einsam. „Ich bin eine Alleinkämpferin“, sagt sie. Für Wahlgeschenke, die ÖVP verteilt derzeit Faschingskrapfen, fehlen Ebner die Mittel. 

Sonja Ebner, SPÖ-Gemeinderätin in Plainfeld auf ihrem Balkon

Ebners Ansporn ist die Sozialpolitik: „Mütter sollen finanziell mehr unterstützt werden“, sagt die frühere Tagesmutter, „ob sie für die Kinderbetreuung zuhause bleiben oder wieder früh arbeiten gehen wollen.“ Jedes Kind solle einen Betreuungsplatz bekommen.

ÖVP-Burg kein Einzelfall

Politik-Beobachterinnen wie Stainer-Hämmerle deuten das nicht unbedingt als Krankheitssymptom einer Demokratie. Denn wenn die nicht vorhandene Auswahl am Wahlzettel für die Gemeindebürger ein Problem wäre, könnten sie sehr niederschwellig politisch aktiv werden: „Protest kann schnell mit neuen Listen sichtbar gemacht werden und langjährige Bürgermeister stürzen oder neue Bevölkerungsgruppen in den politischen Prozess integrieren.“

Dazu kommt: Gemeindepolitik werde in größeren Gemeinden tendenziell „bunter“, erklärt die Politologin, und die Bürger selbstbewusster: „Die bedingungslose Anerkennung der Autorität eines Bürgermeisters ist ein Auslaufmodell.“ 

Opposition will wachsen

Auch Plainfeld will bunter werden. Seit einem Jahr sind die Grünen im Ort vertreten, nun wollen sie mit drei Kandidaten ins Gemeindehaus einziehen. Horst Gassner ist Listenerster und hat bereits dreißig Unterstützungserklärungen gesammelt. Mit 15 Stimmen wäre in der Kleingemeinde ein Mandat gesichert. „Mir ist Nachhaltigkeit wichtig“, sagt der 57-Jährige, und das meint er ernst: Als seine Frau samt der zwei Kinder auf Urlaub nach Peru flogen, war er nicht dabei; er steigt aufgrund der hohen CO2-Emmissionen in kein Flugzeug mehr. 

Damit Plainfeld im wahrsten Sinne „grün“ bleibt, will sich der selbstständige Softwareentwickler und Bergwanderführer für einen neuen Radweg zwischen Koppl und Thalgau einsetzen und eine Energiegemeinschaft aufbauen. Derzeit werden die Verträge mit dem Netzbetreiber geprüft.

Horst Gassner (Grüne) vor dem Gemeindeamt in Plainfeld

Vor dem Bürgermeisteramt hat der Grüne Gassner allerdings Respekt – er sehe sich nicht als Berufspolitiker. Jedenfalls noch nicht.

Und so kann sich Ortschef Ganzenhuber seiner Sache bereits heute sicher sein, er wird auch in den kommenden fünf Jahren an der Spitze der Gemeinde stehen.

Die Suche nach einem Nachfolger wird ihn wohl noch länger beschäftigen. 

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.