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Wann Sie beim Impfen drankommen

Leider hängt es nicht nur von objektiven Kriterien ab, wann Sie geimpft werden. Ein bisschen Vitamin B steigert nachweislich Ihre Chancen.

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Vergangene Woche hat mich mal wieder das Gefühl gepackt, das am Beginn jeder Recherche steht: die Neugier.

Je größer die Fragezeichen, desto besser. Und die der Vorwoche waren richtig groß. Als ich mich durch Meldungen über das „Impfchaos“, die schleppende Impfkampagne und Lieferausfälle von Pharmaunternehmen klickte, fragte ich mich: Wann komme eigentlich ich beim Impfen dran?

Der Verdacht lag nahe, dass diese Frage derzeit auch ein paar Millionen andere Menschen in Österreich beschäftigt. Also studierten mein Kollege Thomas Hoisl und ich den Impfplan des Gesundheitsministeriums, telefonierten mit Mitgliedern des nationalen Impfgremiums und versuchten, von den Impfkoordinatoren der Bundesländer möglichst genaue Terminzusagen zu erfragen – welche Gruppen wann mit einer Impfung rechnen können.

Zuerst die gute Nachricht: Selbst unabhängige Experten schätzen die Chancen hoch ein, dass bis August alle geimpft werden, die das auch möchten. Im best case könnten wir Impfwilligen sogar bis Ende Juni mit einem Erststich rechnen, der uns bereits ausreichend immunisieren sollte. Um es mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober zu sagen: Die nächsten drei bis fünf Monate werden entscheidend. Das Ende dieser Pandemie schien noch nie so nahe.

Die mittelgute Nachricht: Wann genau Sie persönlich – und ich – drankommen, hängt von fünf Faktoren ab:

  1. Ob die Hersteller ihre Lieferzusagen einhalten
  2. Von Ihrem Wohnort
  3. Von Ihrem Alter und allfälligen Vorerkrankungen
  4. Von Ihrem Beruf
  5. Von Ihrem Netzwerk

Die ersten vier Punkte können Sie in der Story „Stich-Tag“ aus dem aktuellen profil nachlesen, die wir ausnahmsweise auch für Nicht-Abonnenten online freigeschaltet haben.

Den fünften Punkt lesen Sie hier: Leider hängt es nicht nur von objektiven Kriterien ab, wann Sie geimpft werden. Ein bisschen Vitamin B steigert nachweislich Ihre Chancen, früher dranzukommen – Landbürgermeister, Bekannte von Pflegeheimbetreibern und Freunde von Ärzten wissen das nur zu gut. Es stimmt schon: Jeder Geimpfte bringt uns einen Stich näher Richtung Normalität. Es stimmt aber auch: Je länger es dauert, die besonders gefährdeten Gruppen, die Vorerkrankten und über 65-jährigen, durchzuimpfen, desto länger werden die Intensivstationen ausgelastet sein und desto dramatischer wird die Sterbestatistik ausfallen.

Dass es immer wieder zu egoistischen Überholmanövern auf der Impfstraße kommt, liegt an der kleinteiligen Verteilung des Impfstoffes. Der Sprecher des Impfkoordinators in Niederösterreich bestätigt auf Anfrage der profil-Morgenpost: Wenn einer Impfstelle – etwa einem Hausarzt – kurzfristig die von der Impfkoordination zugeteilten Impfwilligen absagen, dann liegt es im Ermessen der Impfstelle, wer in den Genuss der Impfung kommt. Dafür müssen die Impfstellen zwar eigene Wartelisten führen. Aber Sie wissen ja, wie das ist: Da erreicht man niemanden und dann steht zufällig der Bürgermeister vor der Tür. Tatsächlich sagt auch der Sprecher des Impfkoordinators in NÖ: „Wenn man die Leute auf der Warteliste durchtelefoniert und niemanden erreicht, dann kann man selbstverständlich auch andere Leute impfen.“ Das sei immer noch besser als den Impfstoff wegzuschütten. Aus Angst vor Skandalisierungen durch Medien wären in einzelnen Impfstellen bereits Dosen im Müll gelandet. Was das System anfällig für Missbrauch macht: Derzeit kontrolliert niemand, an wen die Dosen verimpft wurden, die übriggeblieben sind.

Mit diesem Wissen könnten Sie jetzt natürlich Ihren Hausarzt beknien oder abends vor einer Impfstraße auf ein paar Restdosen spitzen. Oder Sie gehen den etwas längeren, aber richtigen Weg – und stellen sich einfach hinten an. Warten lohnt sich.

Ich wünsche Ihnen einen baldigen Stich,

Jakob Winter

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Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.