Österreich

Warum Schlepper im Burgenland härter bestraft werden

Der Präsident des Landesgerichts Eisenstadt, Karl Mitterhöfer, schildert, wie lange Schlepper "sitzen" und warum sie kaum abgeschoben werden.

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Das Burgenland wurde zum europäischen Hotspot der Schlepper-Bekämpfung. Wie hat das Ihr Gericht verändert?
Mitterhöfer
Wir sind eines der kleinsten Landesgerichte. Von insgesamt 18 Richterinnen und Richtern sind gerade einmal sechs fürs Strafrecht zuständig. Mit 230 Verfahren im vergangenen Jahr wurden unsere Kapazitätsgrenzen gesprengt. Heuer waren es bereits über 100.
Wie personalintensiv sind Schlepperprozesse?
Mitterhöfer
Sehr. Weil die Staatsanwaltschaft Eisenstadt verdächtige Schlepper grundsätzlich als Teil einer kriminellen Vereinigung anklagt. Darauf stehen bis zu zehn Jahre Haft. Bei diesem Strafrahmen ist automatisch das große Schöffengericht mit zwei Richterinnen zuständig, einer Richterin, die den Vorsitz hat und einem Beisitzer. Ich bin selbst in den letzten Jahren bei circa 200 Schlepperverfahren als Beisitzer tätig gewesen, um die Strafrichterinnen zu entlasten. Dazu kommt: Die Tatverdächtigen sind meist Ausländer. Fast alle brauchen Dolmetscherinnen. Ich habe übrigens absichtlich nicht gegendert. Alle Strafrichterinnen bei uns sind weiblich. Das gilt auch für die meisten Staatsanwältinnen und Dolmetscherinnen. Damit tun sich Schlepper aus Kulturkreisen mit anderem Frauenbild nicht immer leicht.
Bekam das Landesgericht Hilfe von auswärts?
Mitterhöfer
Anfang des Jahres wurde uns eine eigene Richterin nur für Schlepperverfahren abgestellt. Wir hätten sie deutlich früher gebraucht. Während die Polizei in der Flüchtlingswelle 2022 sofort aufgestockt wurde, mussten wir lange um Verstärkung kämpfen.
Welche Strafen fassen Schlepper in der Regel aus?
Mitterhöfer
Es gibt in der Regel nur unbedingte Strafen, mit Ausnahme von teilbedingten Strafen bei jugendlichen Tätern. Bei einmaligen, sogenannten Komfort-Schleppungen steigen wir mit einer Haftdauer von 14 Monaten ein, sofern keine Vorstrafen vorliegen. Dann geht es rauf bis zu sieben Jahren, wenn besonders qualvolle Umstände im Spiel sind und es sich um Wiederholungstäter handelt. Meiner Einschätzung nach werden am Landesgericht Eisenstadt die strengsten Strafen verhängt.
Was sind Komfort-Schleppungen?
Mitterhöfer
Davon sprechen wir, wenn Menschen nicht auf engstem Raum über Stunden zusammengepfercht sind und kaum Luft bekommen, sondern wie normale Passagiere in einem Fahrzeug transportiert werden.
Denken Sie, die vergleichsweise harten Urteile in Eisenstadt schrecken Schlepper ab?
Mitterhöfer
Wir wollen natürlich abschrecken. Zur generalpräventiven Wirkung bin ich dennoch skeptisch. Dazu sind der Migrationsdruck und die Verlockung auf das schnelle Geld zu groß. Man findet fast immer neue Fahrer, die in ganz Europa über Social-Media-Kanäle für „spezielle Transporte“ angeworben werden – wie von einem Reisebüro. Dazu kommt: Das Unrechtsbewusstsein ist kaum vorhanden, weil viele selbst mit Schleppern kamen und denken, jetzt helfe ich meinen Landsleuten, auch in den gelobten Westen zu gelangen.
Ungarn ließ ausländische Schlepper laufen, um die Gefängnisse zu entlasten.
Mitterhöfer
Das Schlepperproblem einfach „durchzuwinken“, ist für uns keine Alternative. Wir leben in einem funktionierenden Rechtsstaat, in dem Täter daher auch entsprechend zu verurteilen sind.
Kosten würde es sparen.
Mitterhöfer
Ja. Ein Tag Haft kostet den Steuerzahler 150 Euro. Vor der Haft fallen die Kosten für Dolmetscher an.
Warum werden die Täter nicht abgeschoben?
Mitterhöfer
Diesen Ruf hört man oft aus der Bevölkerung. Aber nach Syrien oder Afghanistan darf niemand abgeschoben werden. Andere Länder verweigern die Rücknahme ihrer Staatsbürger. Haben Schlepper in anderen EU-Ländern Asyl erhalten, könnten sie theoretisch dort ihre Haft verbüßen. Aber das sehr formalistische und aufwendige Überstellungsverfahren zahlt sich erst bei langjährigen Haftstrafen aus.
Rechnen Sie irgendwann mit einem Ende der Schlepperei übers Burgenland?
Mitterhöfer
Nein. Es wird immer Krisengebiete geben. Aus Afrika hat die Migrationswelle noch gar nicht richtig angefangen, weil den meisten das Geld für die Schlepper fehlt.
Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.