Lisas Lust

Elfriede Jelineks "Eine Partie Dame": Lisas Lust

Ein bisher unveröffentlichtes Drehbuch von Elfriede Jelinek zeigt, wie famos die Autorin über Wien schreiben kann.

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Der Berliner Verbrecher Verlag hat mit Elfriede Jelineks Drehbuch "Eine Partie Dame" von 1980 einen Rohdiamanten ausgegraben. Geplant hatte die spätere Literaturnobelpreisträgerin "Eine Partie Dame" als aufwendigen Kinofilm mit finanzieller Fernsehbeteiligung und der Traumbesetzung Serge Gainsbourg und Tilda Swinton.

Das Unternehmen scheiterte, die Veröffentlichung des Drehbuchs ist ein später Coup. Der Film spielt in einem Wien, das als Schnittpunkt zwischen Ost und West die ideale Kulisse für einen klassischen Spionagethriller abgibt, der bei Jelinek allerdings überraschende Wendungen nimmt: Der polnische Jude Andzrej schmuggelt Mikrochips in den Ostblock; er lernt Lisa, eine Theaterwissenschaftsstu dentin aus gutem Hause, kennen. Andzrej und Lisa schlittern bald in eine verhängnisvolle Affäre, die gewalttätig endet.

Den Grundton der Erzählung gibt Jelinek in der Einleitung vor: "Tristesse, die jedoch mit großer Leichtigkeit gepaart sein soll, sowie mit ironischer Distanzierung und Distanzierungsfähigkeit, ein Element, das typisch für den östlichjüdischen Kulturkreis ist." Bei Lisa ist jede Geste Inszenierung; Großbürgertum trifft auf Unterwelt, der reiche Spross auf den polnischen Emigranten -sprachlich (wie sozial) ist das präzise erfasst.

Lisa ist eine Vorgängerin von Jelineks unterkühlt-obsessiver Klavierspielerin; sie weist auch starke Ähnlichkeit mit Sophie aus "Die Ausgesperrten" auf, die zu einer Jugendbande, die aus Langeweile mordet, gehört. Jelineks entlarvender Blick auf ihre Figuren ist pointiert und mitleidlos. Die Orte in diesem Wien-Drehbuch-Film sind genau benannt: Andzrej und Lisa verbringen ein romantisches Wochenende im Hotel Panhans am Semmering; Hietzing, Grinzing, Kagran, der Prater dienen als Kulisse. Das Drehbuch "Eine Partie Dame" liest sich fast wie ein Jelinek-Roman.

Elfriede Jelinek: Eine Partie Dame. Verbrecher Verlag. 120 S., EUR 15,50

Karin   Cerny

Karin Cerny