
Wo in Oberösterreich neue Erdgasbohrungen geplant sind
„Drill, Baby, Drill“, lautete einer von Donald Trumps zentralen Wahlkampfslogans der Präsidentschaftswahl 2024. Gemeint ist mit dem Slogan die ungezügelte Ausbeutung von fossilen Rohstoffen. Öl, Gas und Kohle also. Doch mit dem Wunsch, neue Erdöl- und Erdgaslagerstätten zu erschließen, steht Trump keineswegs allein da. Auch in Österreich sind noch für dieses Jahr Bohrungen geplant. Das österreichisch-australische Unternehmen ADX VIE GmbH, das bereits in Molln nach Erdgas sucht, plant vier weitere Projekte in Oberösterreich. Wo genau soll gebohrt werden? Und wie steht die Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos zu neuen fossilen Energieprojekten?
Die ADX VIE GmbH – das österreichische Tochterunternehmen der australischen Muttergesellschaft ADX Energy Ltd. – verfügt in Österreich über Aufsuchungslizenzen für zwei große Gebiete. Zum einen geht es um die Region rund um Molln, Steyr, Bad Hall und Kremsmünster. Zum anderen um ein großes Lizenzgebiet zwischen Gmunden, Vöcklabruck und Straßwalchen; westlich grenzt es beinahe an den Mattsee in Salzburg.
Neben der OMV und der RAG Austria AG ist ADX eines von drei Unternehmen, die in Österreich nach Erdöl und Erdgas suchen oder fördern. Von den genannten Unternehmen ist es vor allem ADX, das derzeit an Neuerschließungen arbeitet. Im oberösterreichischen Molln hat das Unternehmen bereits eine Probebohrung durchgeführt. Diese blieb ohne Erfolg, weitere Bohrungen sind jedoch geplant, ein Rechtsstreit mit Umwelt-NGOs ist anhängig. Molln ist jedoch nur eines von vielen Projekten, die bei ADX in der Pipeline sind – und nach dem Willen des Unternehmens möglichst bald auch an eine solche angeschlossen werden sollen.
Vier Projekte „bohrbereit“
In den vergangenen zwei Jahren habe das Unternehmen „mit Unterstützung internationaler 3D-Seismik-Experten zwei Jahre an der Analyse des Untergrunds“ in den Aufsuchungsgebieten gearbeitet. Rund um Kremsmünster möchte ADX nun ernst machen. Ein Hinweis darauf ist eine Gebietsänderung, die ADX im Frühjahr beim Finanzministerium beantragt und genehmigt bekommen hat. Vereinfacht erklärt wurden die Lizenzen um besonders vielversprechende Flächen in geringer Tiefe (800 bis 1200 Meter) erweitert und gegen weniger aussichtsreiche Gebiete eingetauscht.
„Durch diese Änderung von Teilen der Aufsuchungsgebiete blieb das Gesamtflächenausmaß der beiden Aufsuchungsgebiete unverändert“, erklärt ein Sprecher des Finanzministeriums, in dem die Bergbau- und Mineralölagenden angesiedelt sind. ADX informierte am 22. Mai darüber in einer Presseaussendung. Darin finden sich auch Hinweise auf die nächsten Standorte für Probebohrungen.
Kremstal im Fokus
Im Mai 2025 hat das Unternehmen vier Projekte als „bohrbereit“ ausgewiesen. Drei davon – im sogenannten „GOLD Cluster“ – befinden sich rund um Rohr im Kremstal, Kremsmünster und Ried im Traunkreis.
Die Rede ist vom „GOLD Cluster“ (so nennt ihn ADX in den Presseunterlagen), zu dessen Lizenzgebiet auch das Projekt in Molln gehört. Die drei Standorte, von denen sich das Unternehmen am meisten verspricht, liegen aber deutlich näher am oberösterreichischen Zentralraum als die Nationalparkgemeinde im Steyrtal. Das Unternehmen möchte die genauen Örtlichkeiten der nächsten Projekte erst dann bekannt gegeben, wenn die Finanzierung steht und beim Finanzministerium um die notwendigen Probebohrlizenzen angesucht wurde. Legt man jedoch die Bilder der Presseaussendung über die Karte der Aufsuchungsgebiete des Finanzministeriums, lassen sich diese Standorte relativ genau eingrenzen. Die drei Projekte im „GOLD Cluster“ befinden sich in oder um Rohr im Kremstal (ZAUN; siehe Bild), Kremsmünster (GRAB) und Ried im Traunkreis (GOLD). Im Erfolgsfall sei laut Unternehmensaussendung eine Erweiterung Richtung Osten, eine Lagerstätte in der Gegend rund um Neuzeug und Aschach an der Steyr (PIC), möglich.
Auf profil-Nachfrage heißt es aus den drei Gemeinden, dass über die geplanten Bohrungen nichts bekannt sei. Stefan Schöfberger (SPÖ), der Bürgermeister von Ried im Traunkreis, meint aber: Sollte es in Österreich Erdgas geben, dann soll man das auch fördern, anstatt auf andere Staaten angewiesen beziehungsweise von ihnen abhängig zu sein. „Alles andere wäre ‚nimby (not in my backyard; Anm.)‘-Politik und daher nicht seriös bzw. für mich nicht vertretbar“, so Schöfberger. Einen Kontakt mit ADX habe es bislang aber nicht gegeben. Ein bekanntes Vorgehen des Unternehmens, bereits in der Vergangenheit haben die Gemeinden von den Vorhaben aus der Zeitung erfahren, wie Gemeindepolitiker kritisieren. Das Unternehmen selbst betont, dass es die Kommunen sehr wohl informiere, wenn sie Projekte konkretisieren.
Zeithorizont unbekannt
Wann genau gebohrt werden soll, wollte das Unternehmen auf Nachfrage nicht beantworten. „Bohrbereit“ sind die Gebiete jedenfalls laut ADX-Aussendung. Zunächst scheitert es aber noch an Formalitäten: „Dem BMF liegen derzeit keine Anträge betreffend weitere Probebohrungen in Oberösterreich vor.“ Wie schnell könnten Vorkommen tatsächlich erschlossen werden?
Sollte tatsächlich Gas gefunden werden und „alle Genehmigungen vorhanden sein, kann es schon schnell gehen“, sagt Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur. Abhängig ist dieser Zeithorizont unter anderem davon, wie gut Gebiete generell erforscht sind, „die Detailerkundung für ein konkretes Bohrloch dauert dann etwa ein halbes Jahr bis ein Jahr“, so der Energieexperte. Wie lange der Weg im Erfolgsfall bis zum Andocken an eine bestehende Pipeline wirklich ist, hängt maßgeblich davon ab, ob und wie Projektgegner den Rechtsweg wählen. „Wenn solche Verfahren beeinsprucht werden – bei Gas ist das wohl wahrscheinlich der Fall – kann es ein oder mehrere Jahre dauern“, sagt Dolna-Gruber zu profil.
Rechtsstreit in Molln
Das weiß ADX auch, spätestens seit dem Vorhaben in Molln. Für das dortige Projekt „Welchau-1“ hat das Unternehmen im November 2023 eine Genehmigung für eine Probebohrung bekommen. Greenpeace, der Umweltdachverband, der Naturschutzbund und der Alpenverein sind gerichtlich dagegen vorgegangen. Die Beschwerde hatte aber keine aufschiebende Wirkung und die Bohrung wurde durchgeführt, bevor das Gericht entschieden hat. Weil bereits gebohrt wurde, hat das Landesverwaltungsgericht das Verfahren eingestellt. Die Umweltgruppen sind nun vor den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) gezogen, wo geklärt werden soll, ob das Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung gebraucht hätte. Sollte der Verwaltungsgerichtshof den Genehmigungsbescheid aufheben, müsste das Verfahren neu aufgerollt werden.
Für ADX geht es mit den neuen Projekten auch um die Rettung des Rufs: Nach der erfolglosen ersten Bohrung in Molln im November des Vorjahres brach der Aktienkurs vom Mutterkonzern ADX Energy von 0,063 Euro pro Aktie auf 0,02 Euro ein. Sind die neuen Projekte bloß hoffnungsvolle Ankündigungen auf der Suche nach neuem Investorengeld? Schließlich kostet eine einzige Bohrung rund fünf Millionen Euro.
25 Prozent Fundwahrscheinlichkeit
„Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Explorationsbohrung immer mit Risiken behaftet ist. In den vergangenen Jahrzehnten konnte das Risiko – durch verbesserte Seismik-Technologie – international von 1:10 auf 1:5 reduziert werden, bei ADX rechnet man mit 1:4 (also 25 Prozent Fundwahrscheinlichkeit)“, schreibt ein Sprecher des Unternehmens auf Nachfrage zu den geplanten Projekten. Derzeit werde die Finanzierung für diese Vorhaben aufgestellt, „Gespräche mit potenziellen Co-Investoren zu neuen Beteiligungen haben bereits begonnen“, heißt es in der Aussendung vom Mai 2025.
Und wie steht die Bundesregierung zu neuen fossilen Energieprojekten in Österreich?
„Man kann nicht Abhängigkeiten von ausländischen fossilen Energieträgern kritisieren und sich der Diskussion um die Hebung heimischer Rohstoffe völlig entziehen, zumal fossilen Energieträgern auch als Übergangstechnologie eine wichtige Bedeutung zukommt“, schreibt eine Sprecherin des Wirtschaftsministers Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP). Dort sind seit der Aufsplittung des ehemaligen Klimaministeriums von Leonore Gewessler (Grüne) die Energieagenden angesiedelt. Und: „Der Gaspreis ist zudem auch ein entscheidender Faktor in der Strompreisbildung“. Was die Sprecherin meint: Der Gaspreis hat direkten Einfluss auf den Strompreis. Denn wenn zur Deckung des Strombedarfs zusätzlich Gaskraftwerke gebraucht werden, richtet sich der Preis für den gesamten Strom nach dem teureren Gasstrom – auch wenn viel günstiger Ökostrom verfügbar ist. Wäre Gas billiger, etwa durch mehr verfügbares Gas auch aus Österreich, könnten auch die Strompreise sinken, so das Argument aus dem ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium.
Aber: Die Nachfrage nach fossilen Rohstoffen gehe global und in Europa laufend zurück, „letztlich werden unter anderem wirtschaftliche Überlegungen sowie die Entwicklung der Nachfrage eine Rolle dabei spielen, ob und in welchem Ausmaß eine Förderung (von fossilen Energieträgern; Anm.) erfolgt“, schreibt die Sprecherin.
Die Klimakrise und Österreich
Emissionen, die weltweit bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern sowie Gase aus der Landwirtschaft entstehen, sorgen für den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur. Österreich ist davon besonders betroffen, weil sich Bergregionen wie die Alpen schneller erwärmen als andere Gegenden. Wenn Schnee schmilzt, wird der Boden dunkler und nimmt mehr Sonnenwärme auf – dieser sogenannte Albedo-Effekt verstärkt die Erwärmung zusätzlich. Konkret führt das zu:
- mehr Hitzetagen (über 30 Grad Celsius),
- mehr Tropennächten (über 20 Grad Celsius),
- eine höhere Wahrscheinlichkeit für Starkregen, Überschwemmungen und Muren,
- längeren Trockenperioden im Sommer und
- einem Rückgang von Schnee- und Gletschermassen.
Bis 2040 möchte Österreich klimaneutral sein, dafür bedarf es Reduzierungen der Treibhausgasemissionen im Verkehr, bei Gebäuden, in der Industrie, der Abfall- und Landwirtschaft. In manchen energieintensiven Branchen wie etwa der Zementproduktion wird es außerdem Anstrengungen darüber hinaus brauchen, Stichwort Carbon Capture and Storage.
Wie passen also neue fossile Rohstoffprojekte ins Bild, wenn Klimaschutz ernst genommen werden soll?
„Jede neue Investition in fossile Infrastruktur verzögert die Energiewende und behindert den Weg zur Klimaneutralität.“
Dolna-Gruber erklärt das Spannungsfeld: „Es ist absehbar, dass es auch die nächsten 20 Jahren noch Erdgas brauchen wird, insofern ist der Energieträger, der sehr oft auch stofflich genutzt wird (Kunststoffindustrie, Pharma, Chemie, Düngemittel; Anm.), schon noch länger relevant.“ Das Problem: ein Erdgasfeld folgt dieser Logik nicht. Stillgelegt wird es dann, wenn die Lagerstätte aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr rentabel ist. Betrieben werden Erdöl- und Erdgasfelder für eine Dauer „zwischen 15 und 50 Jahren, je nach Größe und Mächtigkeit“, sagt Dolna-Gruber.
Das Internationale Institut für Nachhaltige Entwicklung (IISD) warnte nach Auswertung diverser Studien und Berichte – unter anderem vom Weltklimarat (IPCC) und der Internationalen Energieagentur (IEA) – bereits im Herbst 2022 vor der weiteren Erschließung fossiler Energieprojekte. Neue Öl- und Gasfelder seien mit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius nicht vereinbar. Dass neue Erdgasprojekte nicht mit Österreichs Klimazielen zusammenpassen, zeigt auch der heute präsentierte zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2).
„Der Bericht macht ganz klar deutlich, dass jede Verzögerung beim Ausbau der Erneuerbaren und ein weiterer Carbon Lock-in (langfristige Bindung an CO₂-intensive Technologien; Anm.) uns langfristig hohe Kosten bescheren wird“, sagt Daniel Huppmann vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien. „Jede neue Investition in fossile Infrastruktur verzögert die Energiewende und behindert den Weg zur Klimaneutralität“, fasst der IIASA-Forscher die Ergebnisse zusammen.
Ob ADX mit der nächsten Bohrung mehr Erfolg als in Molln hat, bleibt abzuwarten. Fest steht aber schon heute: Während sich die Regierung Klimaneutralität ins Regierungsprogramm geschrieben hat, drehen sich in Österreich neue Bohrköpfe in die Erde.