Château Zach: ÖVP-Stiftungsrat veranstaltete exklusive Seminare in Südfrankreich

Thomas Zach, prominenter ÖVP-Stiftungsrat im ORF und einst Wirecard-Geschäftspartner, hat eine Firma nebst Landschlösschen in Südfrankreich. Er veranstaltet dort exklusive Seminare für Führungskräfte, auch aus dem ORF. [E-Paper]

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Für diese Referentenliste muss man sich nicht verstecken: Thomas Mayr-Harting, österreichischer Diplomat, OSZE-Sonderbeauftragter. Gustav Gustenau, Brigadier des österreichischen Bundesheeres. Joachim Bitterlich, ein Deutscher, einst außenpolitischer Berater von Helmut Kohl. Ulrich Schlie, auch er ein Deutscher, ehedem Leiter des Planungsstabs im Berliner Verteidigungsministerium. Clemens Martin Auer, Sektions- und Kabinettschef im Gesundheitsministerium außer Dienst, nunmehr Sonderbeauftragter des Gesundheitsressorts in der Corona-Krise. Franz Schellhorn, Direktor des Thinktanks Agenda Austria (und profil-Kolumnist). Peter Hagen, einst Generaldirektor der Vienna Insurance Group. Roland Weißmann, derzeit unter anderem stellvertretender kaufmännischer Direktor des ORF.

Die Genannten haben eine Gemeinsamkeit. Sie (und noch einige andere) hatten in den vergangenen Jahren das Pläsierchen, auf Einladung eines Wiener Unternehmensberaters für das eine oder andere verlängerte Wochenende nach Südfrankreich zu reisen, um in lockerer Seminar-Atmosphäre über die großen und kleinen Zusammenhänge zu sinnieren. Bei "High Level"-Referaten, die sie selbst hielten, oder solchen, denen sie lauschten. Exklusivität garantiert. Kleiner Kreis, kaum mehr als ein Dutzend Teilnehmer (überwiegend Männer). Und erst das Setting: ein rund 400 Jahre altes Château, stilsicher auf Neuzeit adaptiert, eingebettet in eine malerische Landschaft unweit der mittelalterlichen Festung Cité de Carcassonne, eine gute Autostunde von Toulouse entfernt. Ein Postkarten-Idyll; insta-tauglich, wie das heute heißt.

Der Hausherr ist ein Österreicher mit Vergangenheit und Gegenwart in der ÖVP: Thomas Zach, einst Mitarbeiter im Kabinett von Innenminister Ernst Strasser, dann Manager der Staatsdruckerei, dann Unternehmensberater. Seit 2011 sitzt Zach für die ÖVP im Stiftungsrat des ORF, seit 2014 leitet er den "bürgerlichen Freundeskreis" ebenda. Das ist der einflussreiche Zusammenschluss aller ÖVP-nahen Stiftungsräte.

Wie profil Anfang des Monats berichtete, spielt Thomas Zach schon seit längerer Zeit eine wichtige Rolle im Machtgefüge der ÖVP. Und: Er hatte geschäftliche Verbindungen zu dem im Vorjahr abgetauchten Wirecard-Manager Jan Marsalek (Nr. 6/21).

Zach und sein Partner Christoph Ulmer - auch er arbeitete einst im Kabinett Strasser - hatten Mitte 2016 über ihre gemeinsame Wiener Beratungsfirma Gradus Proximus einen Wirecard-Auftrag an Land gezogen: stramme 300.000 Euro im Jahr für Social-Media-Monitoring. Jan Marsalek persönlich hatte die Wiener Berater verpflichtet. Die Geschäftsbeziehung währte bis zum Zusammenbruch des deutschen Finanzdienstleisters im Sommer des Vorjahres.

Neben seiner Hälfte-Beteiligung an Gradus Proximus (Gründung 2013) besitzt Thomas Zach darüber hinaus auch eine eigene Beratungsfirma in Wien, die 2015 gegründete Zacon Unternehmensberatung GmbH. Und von da führt der Weg nach Frankreich.

Laut profil vorliegenden Handelsregister-Auszügen gründete Zach Ende 2016 in Paris die Zacon France SARL (das Kürzel bezeichnet eine französische GmbH), die er mit einem Gründungskapital von 10.000 Euro ausstattete. Geschäftszweck: Beratungsleistungen aller Art. Die Gründung der französischen Firma erfolgte etwa ein halbes Jahr nach dem Vertragsschluss mit Wirecard, ein Zusammenhang ist nicht notwendigerweise gegeben. In zeitlicher Nähe zur Firmengründung in Paris erwarb Zach allerdings auch das Anwesen "Domaine de la Chevalinière" nahe Carcassonne. Wie viel er für das Château bezahlte und was ihm die Erhaltung so abverlangt, geht es aus den Dokumenten nicht hervor.

Was trieb Zach überhaupt nach Frankreich, und was genau macht er dort? Nach welchen Kriterien werden Referenten ausgewählt und honoriert? An welches Publikum richten sich die Seminare, und was kostet die Teilnahme?

profil übermittelte Zach im Zuge dieser Recherche mehrere Fragen zu den Geschäften der Zacon France. Der Stiftungsrat beantwortete keine - vielmehr ließ er die Anfrage über seinen Firmenanwalt Gerald Ganzger mit einer Drohung quittieren: "Sollten in Bezug auf Herrn Mag. Zach, sein Unternehmen oder die Seminartätigkeit irgendwelche unrichtigen Zusammenhänge konstruiert werden, wäre dies zweifelsohne ein Überschreiten einer roten Linie, auf die mit geeigneten rechtlichen Mitteln entsprechend reagiert werden müsste."

Auch so lassen sich Tatsachen schaffen. Wie überhaupt diese Recherche von Merkwürdigkeiten begleitet war.

So betreibt die Firma Zacon France eine eigene Website, zacon.fr. In französischer, englischer und deutscher Sprache werden Management-und Strategieleistungen beworben. Referenzen fehlen, dafür führt ein Link zum Seminargeschehen der Jahre 2017,2018 und 2019 auf Château Zach (vor der Pandemie konnten auch Touristen dort nächtigen, die Bewertungen waren durchwegs wohlwollend. Der Betrieb ist derzeit geschlossen).

Die Site zacon.fr zeigt interessante Referenten und ihre Lebensläufe, dazu Schnappschüsse aus den Seminaren und Impressionen entspannter After-Work-Runden mit Rotwein-Begleitung und Blick auf den Pool.

Da lässt sich zum Beispiel auch nachlesen, dass der Brigadier des Bundesheeres, Gustav Gustenau, in allen drei Jahren als Vortragender in Südfrankreich war. Im Mai 2017 sprach er über sicherheitspolitische Entwicklungen in Europa, im Juni 2018 über die Rolle Russlands in Europa und im Juni 2019 über Europa an sich.

Ganz nebenbei pflegte auch Gustenau, er ist stellvertretender Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium, einen direkten Umgang mit Jan Marsalek. Wie berichtet, war der Brigadier 2018 an einem von Marsalek aufgesetzten "Aufbauprojekt Libyen" beteiligt, das jedoch im Sand verlief (profil berichtete).

profil wollte von Gustenau unter anderem wissen, wie seine dreifache Verpflichtung als Referent in Frankreich zustande gekommen war-und welche Honorare der Amtsträger verrechnete. Die Replik kam über das Verteidigungsministerium: "In den Jahren 2017,2018 und 2019 haben keine dienstlichen Reisebewegungen von Brigadier Mag. Gustav Gustenau nach Frankreich stattgefunden." Wieder keine Antwort. Der Brigadier war offenbar privat dort.

Im Juni 2019 machte der stellvertretende kaufmännische ORF-Direktor Roland Weißmann dem Château die Aufwartung. Er hielt einen Vortrag, Thema: "Die Zukunft des ORF-die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten am Scheideweg".

Wie kam der Trip zustande? Und wie wurde abgerechnet? Abermals keine Antwort. Eine profil-Anfrage an Weißmann landete bei dessen Anwalt Oliver Scherbaum: "Kein Kommentar."

Ein ORF-Manager reist auf Einladung eines ORF-Stiftungsrats nach Südfrankreich, um auf dessen Landschlösschen im kleinen Kreis über die Zukunft des ORF zu räsonieren. Das ist fast schon kitschigschön.

Weißmann gilt als ein Vertrauter Zachs. Er verbrachte beruflich einige Zeit beim ORF-Landesstudio Niederösterreich, ehe er 2012 "Chefproducer" des ORF-Fernsehens wurde und 2017 zum stellvertretenden kaufmännischen Direktor avancierte. Im Vorjahr übernahm Weißmann zudem auch Managementverantwortung für das digitale Projekt "ORF-Player".

In diesem August werden im ORF die Weichen für die kommenden fünf Jahre gestellt. Der Stiftungsrat muss ein neues Direktorium bestellen, am 31. Dezember laufen die Verträge der amtierenden Manager um Generaldirektor Alexander Wrabetz aus. Die bürgerlichen Stiftungsräte um Thomas Zach werden hier maßgeblich mitreden.

Dafür dass Zach im Kontrollgremium eines staatlichen Medienunternehmens sitzt, ist seine Öffentlichkeitsarbeit, nun ja, ausbaufähig.

Am Nachmittag des 9. Februar übermittelte profil Zachs Anwalt Ganzger ein Aviso, wonach eine Anfrage zu den Aktivitäten der Firma Zacon in Vorbereitung sei.

Nur wenige Stunden, nachdem profil die Anfrage angekündigt hatte, war die französische Website zacon.fr. nicht mehr im Netz zu finden. Thomas Zach hatte offensichtlich eine vollständige Löschung der Site veranlasst. Weder verblieben Cache-Inhalte, noch ließen sich archivierte Seiteninhalte mittels Webarchiv-Suche ("Wayback Machine")rekonstruieren. Die Site war von einem Moment auf den anderen perdu, ohne eine verwertbare Datenspur zu hinterlassen. Anstelle des Webauftritts von Zacon France stand da plötzlich eine Leermeldung: "Diese Domain ist nicht mit einer Website verbunden!" Lediglich der Domain-Name konnte noch Zachs Wiener Unternehmensberatung zugeordnet werden (profil hatte allerdings vorsorglich Screenshots angefertigt).

Am Vormittag des 10. Februar schickte profil die angekündigte Anfrage ab - und wollte gleich einleitend erfahren, warum die Website von Zacon France plötzlich nicht mehr existiere.

Kurz darauf war zacon.fr wieder online - im ursprünglichen Zustand.

Auch zum (vorübergehenden) Verschwinden seiner Site äußerte Zach sich nicht. Dafür heißt es in der Stellungnahme seines Anwalts an profil: "Um auch urheberrechtliche Missverständnisse von vornherein zu vermeiden, weist unsere Mandantschaft ausdrücklich darauf hin, dass der Verwendung von Texten oder Fotos von der Website keine Zustimmung gegeben wird."

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.