Haus mit PV-Anlage am Dach

Warum Solaranlagen-Besitzer nicht mehr Everybody‘s Darling sind

Der Solarausbau wird zum Opfer seines eigenen Erfolgs. Die Netze können kaum noch mithalten. Jetzt könnte sich einiges ändern.

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Sie waren die Vorreiter der Energiewende, die Pioniere der Unabhängigkeit, wurden gefördert und gelobt. Die Anzahl der Solaranlagen auf heimischen Dächern stieg schnell und machte den Fortschritt der Energiewende auf dezente Art sichtbar. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Balkonkraftwerke und Solaranlagen auf den Dächern werden an sehr sonnigen Tagen zur Belastung für die Stromnetze. Die Zeit der Lobeshymnen nimmt ein Ende.

Aber warum? Die Energiewende erreicht ein neues Stadium: Der Ausbau verlief rasant, jetzt muss die Infrastruktur erst einmal nachziehen. Gleichzeitig haben in Österreich und Deutschland neue Regierungen das Ruder übernommen. Die Grünen sind hier wie dort nicht mehr an der Macht. Die neuen Koalitionen schwören der Energiewende nicht ab, aber heften sie weniger auf ihre Fahnen. Statt „Wind und Sonne schicken keine Rechnung“, heißt es bei Politkern und Energieunternehmen jetzt „Kein Ausbau um jeden Preis, das Netz muss mitwachsen.“

 „Eine Möglichkeit wäre, die Spitzen zu vermeiden – also die Produktion bei Bedarf abzuschalten – weil der Strom zu diesem Zeitpunkt nicht gebraucht wird und die Netze überfordert.“ 

Barbara Schmidt von Österreichs Energie

über Solarspitzen

Bauchweh bei Sonnenschein

Beim BDEW-Kongress, einem großen jährlichen Branchentreffen in Berlin, kommen Netzbetreiber und Energieunternehmer immer wieder auf einen Punkt zurück: Am Freitag prüfen sie die Wetterprognosen. Sonnige Wochenenden erfreuen die Bevölkerung, machen den Betreibern jedoch Bauchweh.

An solchen Tagen wird viel Strom erzeugt, doch wenig verbraucht. Das führt dazu, dass die Netze überlastet sind und instabiler werden. Sie für diese Spitzen auszubauen sei unökonomisch, heißt es von Barbara Schmidt von Österreichs Energie, die Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft. „Eine Möglichkeit wäre, die Spitzen zu vermeiden – also die Produktion bei Bedarf abzuschalten – weil der Strom zu diesem Zeitpunkt nicht gebraucht wird und die Netze überfordert.“ 

Im Vorjahr wurde in Österreich nach vorläufigen Zahlen achtmal so viel Solarleistung installiert wie noch vor fünf Jahren (247 Megawattpeak (MWp) 2019 versus 2.143 MWp 2024). Diese Art der Energieproduktion ist gesellschaftlich akzeptiert und trifft auf wenig Widerstand – im Gegensatz zu Windrädern oder Leitungen, wie etwa die 20-jährige Ausbau-Geschichte der gerade eröffneten Salzburgleitung zeigt. Für die Netze und damit für die Netzkosten wäre aber etwas mehr Windstrom und etwas weniger Solarenergie die bessere Lösung, sind sich Branchenvertreter einig. Die zugebaute Solarleistung anzuschließen, bedeutet hohe Infrastrukturkosten, die in steigenden Netzentgelten für die Bevölkerung spürbar werden. Da zunehmend mehr Menschen eigenen Strom produzieren und sich in Energiegemeinschaften organisieren, bleiben auch weniger übrig, die die Mehrkosten tragen.

„Vier bis acht schwierige Jahre“

Das heißt keinesfalls, dass der Solarstrom nicht grundsätzlich gebraucht wird, aber eben nicht immer dann, wenn am meisten davon produziert wird. „Wir rechnen mit vier bis acht schwierigen Jahren des Übergangs. Wir müssen in dieser Zeit viel investieren“, sagt die Geschäftsführerin der Kärnten Netz GmbH Eva Tatschl-Unterberger am Rande der Berliner Konferenz. Konkret rechnet Österreichs E-Wirtschaft mit Investitionen von 24 Milliarden bis 2030 und 42 Milliarden bis 2040.

Österreich ist zwar am Weg, eine strombasierte Gesellschaft zu werden. Derzeit wächst der Stromverbrauch allerdings langsamer als prognostiziert. Mit mehr E-Autos, Wärmepumpen und einer Industrie, die auf Strom umsteigt, steigt der Absatz und die Zahl der Nutzer – und das wirkt sich wiederum positiv auf die Netzkosten aus. 

Doch nicht nur kappen, auch speichern und anpassen sind bei der Konferenz in Berlin ein großes Thema. Die Branche nennt das „netzdienliches Verhalten“. Das heißt: zu Mittag speichern, später einspeisen. Derzeit ist das nicht der Fall. Wer einspeist erhält konstant denselben Preis – der sich im Vergleich zum Vorjahr allerdings stark verringert hat. Durch das hohe Angebot drehen die Spotpreisen rund um die Mittagszeit sogar ins Negative. Deutschland hatte im Vorjahr 342 Stunden negative Strompreise, Österreich 227 Stunden. Das sind umgerechnet mehr als neun Tage.

Windräder im Bau

Investitionsjahre

Konkret rechnet Österreichs Energie mit Investitionen von 24 Milliarden bis 2030 und 42 Milliarden bis 2040.

Neues Stadium der Energiewende

Die neue Regierung versucht derzeit, das E-Wirtschaftsgesetz (EIWG) in die Zielgerade zu bringen. Das soll beim Erneuerbaren-Ausbau nachjustieren und den massiven Umbrüchen der Branche Rechnung tragen. Ursprünglich hätte es schon unter der türkis-grünen Koalition kommen sollen, es fiel allerdings den Zwisten des Wahlkampfs zum Opfer. Bis zum Sommer soll es diesmal eine regierungsinterne Einigung geben und das Gesetz damit in die Begutachtung gehen. In Deutschland soll ein Monitoring Aufschluss darüber geben, wie jetzt am effizientesten ausgebaut werden soll.

Die Balance zwischen Klima, Preis und Stabilität ist kompliziert, sehr sogar. In den letzten Jahren wurde viel ausgebaut, aber das alte Strom-System ist noch nicht abgeschrieben, das neue System ist noch nicht ausgereift. Die Frage, wie die Kosten auf alle Kunden und Kundinnen gerecht verteilt werden, ist virulent in der Branche. Auf jeden Fall: Die Netzbetreiber werden diesen Sommer nicht nur wegen der Hitze schwitzen.

Transparenzhinweis: Die Reise zum BDEW-Kongress erfolgte auf Einladung von Österreichs Energie. 

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.