Absolvent mit Sonnenbrille trägt einen Hut mit der Aufschrift „NEED JOB“ bei einer Abschlussfeier.
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Ghost Jobs – Warum Firmen Fake-Stellenanzeigen schalten

Die Lage am Arbeitsmarkt ist angespannt. Und Unternehmen finden scheinbar immer neue Tricks, um verzweifelten Arbeitslosen die Suche nach einer neuen Anstellung so schwer wie möglich zu machen.

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Brmm brmm. Das Handy vibriert. Zweimal hintereinander, ganz schnell. Mit dem Geräusch der Vibration beginnt auch Sonya Havrs Herz schneller zu schlagen. Es ist eine E-Mail der Personalabteilung eines Unternehmens, bei dem sie sich beworben hat. Bis in die zweite Bewerbungsrunde ist sie diesmal gekommen. Ob es gereicht hat? Ob es eine dritte Runde gibt? „Liebe Frau Havr, vielen Dank für Ihre Bewerbung. Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns diesmal für einen anderen Kandidaten entschieden haben…“ – Eine Absage. Immerhin hat es diesmal überhaupt dafür gereicht.

Dass Sonya manchmal gar keine Absage bekommt, sondern von den „Leider nein“-Arbeitgebern einfach geghostet wird, liegt nicht unbedingt daran, dass sie nicht gut genug für die ausgeschriebene Stelle ist. Manchmal kommt es nämlich vor, dass Firmen öffentlich Stellen ausschreiben, die sie gar nicht zu vergeben haben. Das nennt sich „Ghost Jobs“ und in Krisenzeiten kommt dieses Phänomen gar nicht so selten vor. Unternehmen wollen sich nach außen wirtschaftlich besser darstellen, als sie sind. Die ausgeschriebenen Stellen gibt es schlicht nicht, weil das Geld dafür im Unternehmen gar nicht da ist. Aber der Reihe nach.

„Ich habe – im Vergleich zu meinen Freundinnen – viel weniger Bewerbungen geschrieben. So zwischen 30 und 40. In meinem Freundeskreis gibt es einige, die seit Jahren einen Job suchen und Bewerbungen im dreistelligen Bereich abgeschickt haben“, erzählt die 24-Jährige Sonya Havr. Sie hat im Juni dieses Jahres ihren Bachelor in Internationaler Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien abgeschlossen. Neben ihrem Studium arbeitete Havr auch als Influencerin und leitete Perlenbastelworkshops. Jahrelang hat sie sich nach ihrem Studienabschluss gesehnt. Endlich keine Prüfungen mehr schreiben, endlich erfahren, wie es in den Betrieben, über die sie die letzten Jahre gelernt hat, wirklich aussieht, endlich ordentliches Geld verdienen. Doch aus den Wünschen wurde so schnell nichts.

Sonya Havr
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„Ich habe – im Vergleich zu meinen Freundinnen – viel weniger Bewerbungen geschrieben. So zwischen 30 und 40. In meinem Freundeskreis gibt es einige, die seit Jahren einen Job suchen und Bewerbungen im dreistelligen Bereich abgeschickt haben“

Sonya Havr

Arbeitslose Akademiker

Denn Sonya Havr gehört zu der Gruppe junger Akademikerinnen und Akademiker, die aufgrund der Wirtschaftskrise und Rezession Probleme haben, einen Job zu finden. Laut dem Arbeitsmarktservice (AMS) haben sich Anfang 2025 so viele Personen mit Studienabschluss arbeitslos gemeldet (18 Prozent mehr als im Vorjahr) wie noch nie – einzige Ausnahme: das Coronajahr 2020. Dass Sonya Havr und ihre Altersgenossen also eine Jobabsage nach der anderen in ihrem E-Mail-Postfach finden, ist für sie Alltag.

Geghostet vom Arbeitgeber

Alltag ist es allerdings auch, gar keine E-Mail in seinem Postfach zu finden. Dass Unternehmen Jobs ausschreiben, die es gar nicht gibt, passiert immer häufiger. Der Begriff „Ghost Jobs“ bezieht sich darauf, dass Firmen Jobs ausschreiben, die in Wahrheit gar nicht besetzt werden sollen. Die Bezeichnung lässt sich aus dem englischen Verb „to ghost“ ableiten und meint damit den plötzlichen Kontaktabbruch. Meistens wird „Ghosting“ im Datingkontext verwendet.

Auch Sonya bewarb sich bereits auf einen „Ghost Job“. Hierbei handelte es sich um die Ausschreibung eines großen Kosmetikkonzerns. Sie schrieb die E-Mail, hängte ihren Lebenslauf und ihr Bewerbungsschreiben an und bekam nie eine Rückmeldung. Über eine Freundin erfuhr sie schließlich, dass es die Stelle gar nicht gibt und dass das Unternehmen das Inserat seit fast zwei Jahren immer wieder online und offline stellt, um so den Anschein zu erwecken, es würde wirtschaftlich wachsen.

Doch wann weiß man, ob ein „Ghost Job“ tatsächlich ein „Ghost Job“ ist?

Laut der Jobplattform Stepstone seien „Ghost Jobs“ schwer messbar, aber nicht auszuschließen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Häufig schreiben Firmen Stellen aus, bei denen es grundsätzlich eine hohe Fluktuation gibt und die immer wieder neu besetzt werden – zum Beispiel Produktions- und Lagerarbeiter oder Zugbegleiter. Unter Personaldienstleistern ist es außerdem verbreitet, sogenannte Talentepool-Inserate zu schalten. Sie dienen dazu, einen Pool an möglichen Kandidaten für Stellen, die in Zukunft ausgeschrieben werden könnten, zu füllen. Dann gibt es auch noch Stellen, die online bleiben, obwohl sie besetzt wurden, weil man sich noch nicht sicher ist, ob die Person, die den Job bekommen hat und noch in der Probephase befindet, wirklich am besten dafür geeignet ist.

Betrugsmasche Fake-Job

Das AMS schreibt in einer Stellungnahme an profil, dass Gründe für ein Job-Posting ohne direkte Einstellungsabsicht von Versehen, Abklopfen des Bewerbermarkts oder einer bewussten wirtschaftlichen Signalwirkung bis hin zu Betrugsabsichten reichen.
Das Schwierige an „Ghost Jobs“ ist, dass man nie wissen kann, ob es sich bei der Ausschreibung um einen echten Job handelt – oder nicht. Als Faustregel empfehlen Recruiter und Jobexperten, darauf zu achten, ob eine Jobausschreibung schon länger online ist oder immer wieder neu gepostet wird – falls das so ist, besteht die Möglichkeit, dass es sich um einen „Ghost Job“ handeln könnte. Das AMS empfiehlt, seine persönlichen Daten nicht unaufgefordert vor einem Erstkontakt zu übermitteln, sollte man sich bei einem Unternehmen unsicher sein.
Stepstone macht auf die inhaltliche Qualitätssicherung aufmerksam, laut derer lediglich Unternehmen mit UID-Nummer schalten dürfen, und versichert, dass man jede Schaltung intern inhaltlich überprüfe. Auch bei LinkedIn, der wohl bekanntesten Business-Plattform, ist das Phänomen bereits bekannt. Man habe deshalb Verifizierungs-Badges für Stellenanzeigen, Unternehmensseiten und Recruiter-Profile eingeführt.

Für Sonya Havr ging die Jobsuche nach sechs Monaten Absagen und Ghosting-Erfahrungen schließlich mit einer Anstellung gut aus. Seit Anfang November arbeitet sie als Social-Media-Managerin für ein Gesundheits-Startup. Das Jobangebot erreichte sie allerdings über Bekanntschaften. Oft geht Vitamin B für „Beziehung“ eben über Vitamin B wie „Bewerbung“.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist seit Juni 2023 Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.