Heineken streicht bis zu 400 Stellen – was das für Österreich bedeutet
Mit 64 Euro je Stück erreichte die Aktie des Bierkonzerns Heineken zuletzt ihr Jahrestief. Die Geschäfte des international tätigen Brauereiriesen mit Sitz in Amsterdam liefen schon einmal besser. Hohe Produktionskosten und nicht zuletzt die volatile Zollpolitik tun ihr übriges. Dass hierzulande noch dazu die Kartellbehörde mit einer milliardenschweren Strafandrohung im Nacken sitzt, befeuert die Nervosität der Anleger.
In der Zentrale in Amsterdam zieht man nun die Reißleine. Wie das Unternehmen bekannt gab, soll ab 2026 eine umfassende „Umstrukturierung“ beginnen. Allein am Firmensitz in den Niederlanden sind 400 Arbeitsplätze davon betroffen.
In Österreich blickt man aufmerksam auf die Sparpläne des Mutterkonzerns. Hierzulande wird Heineken durch seine Tochtergesellschaft, die Brau Union, vertreten. Deren Zentrale steht in Linz, von wo aus das Unternehmen dank eines dichten Vertriebsnetzes und strategisch übernommener Großbrauereien österreichweit operiert. Mit rund 60 Prozent Marktanteil vereint die „Heineken Company“ Traditionsmarken wie Gösser, Wieselburger oder Schladminger unter ihrem Dach – Biere, die trotz der Konzernstrukturen die regionale Vielfalt bewahren sollen. Doch die Realität sieht nicht immer so lokal aus: So wird etwa das Kärntner Villacher Bier seit der Konsolidierung im Vorjahr nicht mehr in Kärnten, sondern in der Steiermark gebraut.
„Mit jedem Schluck Bier helfen wir, Straßen und Schulen zu bauen“, sagt Generaldirektor Hans Böhm, der 2023 an die Spitze der Brau Union berufen wurde. Der gebürtige Niederländer war zuvor in der Heineken-Zentrale als Geschäftsführer tätig. Sein Lieblingsbier? „Das Gösser Spezial“, sagt der Holländer – selbstverständlich ein Bier aus der eigenen Produktion.
Trotz aller Kritik am „Konzernbier“, wie Skeptiker die Brau Union bezeichnen, verweist Böhm auf den starken Österreich-Bezug: Die Biere der Brau Union werden im Inland gebraut und versteuert. Sogar Heineken-Bier soll in den österreichischen Standorten als Lizenzbier produziert werden, so Generaldirektor Böhm – laut ihm sogar eines der besten Heineken-Biere der Welt.
Christian Helmenstein, Leiter des industrienahen Economica Instituts, hat im Auftrag der Brau Union ihren volkswirtschaftlichen Fußabdruck in Österreich berechnet. Der Tenor: Zwar gehört die Brau Union zu Heineken, doch produziert sie ihre Biere in Österreich und trägt damit wesentlich zur heimischen Beschäftigung, Wertschöpfung und Steueraufkommen bei.
Die direkte Wertschöpfung der Brau Union übertraf im Vorjahr mit 370 Millionen Euro jene der gesamten österreichischen Wasserversorgung – ein plakativer Vergleich, bei dem es nicht bleibt. Rechne man die Sozial- und Lohnabgaben der Mitarbeiter dem Steueraufkommen des Braukonzern zu, führte demnach die Brau Union 343 Millionen Euro an die Republik ab – mehr als alle Zolleinnahmen des Bundes. Zählt man indirekte Effekte aus Landwirtschaft, Logistik und Vertrieb hinzu, schaffe der Konzern rund 4000 Arbeitsplätze – etwa so viele Menschen, wie in der Marktgemeinde Mondsee leben.
„Wir sind ein Familienbetrieb“, betont Böhm und meint damit das aus seiner Sicht enge Verhältnis zu den Partnerbetrieben und Landwirtschaft. Doch wie in jeder Familie bleiben auch Konflikte nicht aus. Derzeit müssen sich sowohl die Brau Union als auch ihre Muttergesellschaft Heineken vor dem Kartellgericht verantworten – der Vorwurf lautet Missbrauch von Marktmacht.
Getränkelieferanten werfen dem Linzer Konzern vor, ihnen die Sortimentsgestaltung vorgeschrieben und dadurch konkurrierende Marken ausgeschlossen zu haben. Parallel dazu soll die Brau Union ihre Rolle als Brauer zunehmend um jene eines Getränkehändlers erweitert haben – eine Entwicklung, die den Wettbewerb zusätzlich erschwert.
Brau Union vor Gericht
Im Raum steht eine mögliche Kartellstrafe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes. Heineken könnte dabei für die Vergehen seiner Tochtergesellschaft mitbelangt werden. Angesichts des Konzernvolumens – Heineken setzte zuletzt rund 30 Milliarden Euro um – könnte das ein empfindlicher Betrag werden. Entscheidend wird vor Gericht sein, in welchem Ausmaß die niederländische Mutter Einfluss auf die österreichische Tochter ausübt. Böhm wollte, wie bisher, das laufende Kartellverfahren nicht kommentieren. Dass die Linzer Zentrale inmitten des Kartellprozesses ihr Logo in den Heineken-Grünton umgestaltet hat, sendet jedenfalls kein besonders geschicktes Signal.
Während die rechtlichen Fragen noch vor Gericht geklärt werden, richtet sich der Blick bereits auf die Zukunft des Konzerns – und auf die Folgen der Umstrukturierung. Doch wie stark wird Linz von den Sparmaßnahmen in Amsterdam betroffen sein? Hans Böhm kalmiert. Gegenüber profil erklärt er die Verschlankung der Konzernmutter in Amsterdam als längst ausstehende Maßnahme, „das Hauptbüro ist immer weiter gewachsen, weil es viele Projekte gab. Da ist immer die Gefahr, dass es dann weiterwächst.“ Böhm betont, dass die operativen Entscheidungen letztlich in den Absatzländern getroffen werden sollten – dafür benötige es jedoch ein kleines Hauptbüro in Amsterdam, „am Ende unterstützte ich das Ganze, weil uns das als Standort in Österreich wieder stärkt.“
Wenn die Mengen aller Marken um sieben Prozent zurückgehen und man nichts unternimmt, ist das Geschäft übermorgen kaputt.
Vorstandsvorsitzender, Brau Union
Der europäische Biermarkt zeigt sich jedoch schwach. Der Konsum alkoholischer Getränke geht seit Jahren zurück, hohe Kosten drücken zusätzlich auf die Margen. Schon im Vorjahr kündigte Heineken den Abbau von 200 Stellen an. Auch andere Brauereien reagieren mit Einsparungen und Investitionen in wachstumsstärkere Regionen wie Asien oder Lateinamerika, wo Auflagen für Jugendschutz und Alkohol lockerer gehandhabt werden. Droht mit dem Sparkurs hierzulande nun eine Brauereikrise? Böhm winkt ab: „Das hat keinen direkten negativen Effekt auf Österreich.“
Ganz unbesorgt ist er dennoch nicht. Angesichts sinkender Absätze hat Böhm die Sorge, an Produktivität zu verlieren: „Wenn die Mengen aller Marken um sieben Prozent zurückgehen und man nichts unternimmt, ist das Geschäft übermorgen kaputt.“ Kündigungen wolle der Brau-Union-Generaldirektor vermeiden – vorerst. Die Brau Union setze auf natürliche Abgänge und Pensionierungen, so Böhm.