Veit Dengler spricht und gestitikuliert
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Wie der Bürokratieabbau die Neos zur Unternehmerpartei machen soll

Die Neos wollen wieder mehr als Wirtschaftspartei punkten – bis jetzt ist da allerdings noch nichts passiert. Mit Neos-Mandatar Veit Dengler auf Imagetour in der Steiermark.

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Bürokratie finden viele nervig, umständlich und zeitraubend. Sie produziert nichts und bindet Arbeit. Aber die Papiere und Unterlagen sollen letzten Endes belegen, dass man Anspruch auf etwas hat, Bedingungen erfüllt oder zumindest nicht verletzt. Wenn sich Missbrauchsfälle häufen, wird nachgeschärft, indem mehr Dokumente und Auskünfte verlangt werden. Über die Jahre sind so die Strukturen gewachsen und erweitert worden. Deshalb hat die Regierung jetzt einen Bürokratieabbau versprochen und will überschießende und nicht zielführende Regularien wieder streichen. Aber wie kann man das Sinnvolle vom Sinnlosen trennen? Wann ist Bürokratie zu viel? Wie überprüft man das? Und welche Art der Bürokratie braucht das 21. Jahrhundert?

In der Steiermark wird das schnell konkret. Veit Dengler war in seinem Leben vieles. Journalist, Unternehmer und Neos-Gründungsmitglied. Seit kurzem ist er Abgeordneter und besucht jede Woche in der Steiermark Unternehmen. In blauer Hose und modernem Trachtenjanker fährt er gemeinsam mit seinem parlamentarischen Mitarbeiter von Ort zu Ort. Themen, die aufkommen, und mögliche Lösungen werden an das Team Sepp weitergeleitet. Sepp Schellhorn ist Gastronom und seit Schwarz-Rot-Pink Staatssekretär für Entbürokratisierung. „Wir arbeiten eng zusammen“, betont sein Mitarbeiter. Dengler will in der heimischen Wirtschaft „strukturell etwas ändern, um wieder wettbewerbsfähiger zu werden.“ Bei einem Unternehmen geht es um komplizierte Verfahren, bei einem anderen darum, dass trotz steigenden Umsatzes kein Gewinn mehr bleibt und beim dritten geht es um Förderungen, die meist nur den Großen nutzen. Wo setzt er da an?

Bürokratieabbau auf österreichisch

Im Bürokratieabbau versuchen sich gerade einige. In den USA vollzog Tesla-Chef Elon Musk bei der Effizienzbehörde DOGE einige Monate einen Abbau mit der Abrissbirne. Die beiden US-amerikanischen Journalisten Ezra Klein und Derek Thompson widmen sich der Frage in ihrem Buch „Abundance“ (Überfluss).  Gesetze und Regelungen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts gäben nicht mehr die richtigen Antworten auf heutige Probleme. Sie führen dazu, dass der Bau von Zuglinien, Windrädern oder Stromleitungen jahrelang dauert und zu unzähligen Verfahren führt – es scheitert dabei nicht am Bauen, sondern am Papier. Sie überlegen welche Veränderungen eine strombasierte und klimafreundliche Gesellschaft ohne Degrowth – sondern eben mit Überfluss – braucht.

Auch in Österreich soll überschießende Bürokratie abgebaut werden. Bis jetzt ist aber noch nicht klar, wie das aussehen soll. Im Büro des Staatsekretärs Sepp Schellhorn wird jetzt daran gearbeitet, im Ministerrat Anfang Dezember sollen erste Vorhaben vorgestellt werden. Bisher sind Schlagworte gefallen wie Streichungen im Abfallwirtschaftsgesetz, bei der Gewerbeordnung, im Landwirtschafts- und Umweltbereich oder bei der Lohnverrechnung. 

„Ich bin mir nicht sicher, ob alle in der Koalition diese Dringlichkeit spüren.“ 

Veit Dengler

über die Regierung

Der Abgeordnete Veit Dengler ist ein klassisch liberaler Denker. Er ist für weniger Regulierung, weniger wertebasierte Markteingriffe und mehr freien Markt. Im Gegensatz zu den Autoren Thompson und Klein geht es ihm weniger um eine Strategie, die eine klimaneutrale Zukunft forciert, sondern um weniger Schranken für die Wirtschaft.  Für Dengler ist der Emissionshandel, beim dem Erzeuger Zertifikate für ihre Schadstoffe kaufen müssen, der beste Weg zu mehr Klimaschutz. Sehr oft an diesem Tag fällt der Satz: „Das verzerrt den Wettbewerb und macht uns alle ärmer.“ Auch in der Koalition stimmt er vielem nicht zu – etwa Korinna Schumanns Vorschlag, Unternehmen zu bestrafen, wenn sie keine älteren Arbeitnehmer beschäftigen. „Wir müssen in Österreich wirklich grundsätzlich etwas verändern, nicht an Rädchen drehen. Ich bin mir nicht sicher, ob alle in der Koalition diese Dringlichkeit spüren“, sagt Dengler. 

Fokus auf die Wirtschaftskompetenz

Bei Komptech in Frohnleiten geht es auch gleich um internationale Probleme. Im Murtal ist die Industrie sichtbar, es rauchen Schlote in den wolkigen Himmel. Die steirische Firma stellt Maschinen zur Müllzerkleinerung und -trennung her. Der Großteil wird exportiert, die Hälfte in die EU, rund 15 Prozent in die USA, der Rest quer durch die Welt. Doch der US-amerikanische Markt wird zunehmend zum Problem. Die Zölle für EU-Produkte (15 Prozent) und die Schwäche des Dollars seit Beginn des Jahres sind spürbar. „Das heißt, unsere Produkte werden gleich um ein ordentliches Stück teurer für den US-Markt“, sagt Geschäftsführer Christoph Feyerer. 

„Ich bin angesichts der russischen Aggressionen mehr Falke als früher. Ich bin auch für einen NATO-Beitritt. Neos Linie ist das allerdings nicht.“ 

Veit Dengler

über seine außenpolitischen Ansichten

Aber was kann da die österreichische Bürokratie dafür? Neos-Mandatar Dengler versucht, das Gespräch in Richtung Freihandel zu lenken. Seine Partei befürwortet das Mercosur-Abkommens mit Südamerika, die den anderen zwei Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP sind skeptischer. „Aus Unternehmenssicht wäre Mercosur sehr sinnvoll für uns, wir exportieren nach Südamerika und könnten dort weiter ausbauen“, meint Feyerer. Dengler nickt: „Die Stimmen aus der Industrie zu Mercosur sind noch sehr leise“, motiviert er sanft. 

Das Thema Wirtschaft ist allerdings umkämpft, ÖVP, Neos und FPÖ wollen hier punkten. Die Neos verweisen gerne auf ihre Wirtschaftskompetenz, sowie auf die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer in ihren Reihen. Unter Beate Meinl-Reisinger rückte allerdings Bildung in den Vordergrund, bei der letzten Nationalratswahl war es für die Neos-Wähler auch wichtiger als das Thema Wirtschaft, wie die Auswertungen des Instituts für Strategieanalysen zeigen. Die Auswertungen zeigen aber auch, dass die Neos-Wähler die kurzentschlossensten sind – das heißt, dass es wenige Stammwähler gibt. Der 57-jährige ist Teil des Wirtschaftsflügel der Neos, der wieder lauter werden soll.  Er sagt über sich selbst, er habe seine wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ansichten über die Jahre wenig verändert, außen- und sicherheitspolitisch sei er weniger idealistisch geworden. „Ich bin angesichts der russischen Aggressionen mehr Falke als früher. Ich bin auch für einen NATO-Beitritt. Neos Linie ist das allerdings nicht.“ 

Bei der Wirtschaftskammerwahl erreichten die Unos (Neos-Verband) mit 5,3 Prozent doppelt so viel wie beim letzten Mal (+2,6 Prozentpunkte). Sie konnten aber weitaus weniger von der Schwäche des ÖVP-Wirtschaftsbunds profitieren als die freiheitliche Wirtschaft, die ihren Stimmenanteil auf 13,6 Prozent (+7,3 Prozentpunkte) auch fast verdoppelte.  „Viele Unternehmer sind mit der Wirtschaftskammer unzufrieden“, sagt Dengler. Angesichts dessen hofft er bei der nächsten Wahl auf ein besseres Ergebnis und reist wohl auch deshalb von Ort zu Ort.

Veit Dengler und Susanne Hartinger vor einem Haus
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Veit Dengler zu Besuch bei Susanne Hartinger

Hartinger stört, dass viel über Start-ups geredet wird, es viele Accelerators (Anschubprogramme) gibt, Familienunternehmen hingegen kommen kaum vor. 

Lieber keine Förderungen

In einer Werbeagentur am Rande der Kleinstadt Leibnitz wartet Susanne Hartinger. Sie übernahm die Firma vor einigen Jahren von ihrem Vater. „Bei der Werbung sparen die Kunden immer als erstes, bei jeder Krise. Das ist ein Fehler, aber er wiederholt sich“, erzählt sie. Trotzdem laufen die Geschäfte ganz gut. Es stört sie, dass viel über Start-ups geredet wird, es viele Accelerators (Anschubprogramme) gibt, Familienunternehmen hingegen kommen in der Finanzierungsdebatte kaum vor. Und auch das Thema Förderungen beschäftigt sie: „Am liebsten wäre es mir, Österreich würde alle Förderungen streichen. Die großen Unternehmen beschäftigen eigene Abteilungen dafür oder es gibt Beratungsunternehmen, die darauf spezialisiert sind. Im Endeffekt erhalten die kleinen Unternehmen kaum die Förderungen, sondern die Großen.“ Dengler stimmt zu. „Es entwickeln sich Schmarotzerstrukturen um Förderungen herum. Wir müssen in großem Maßstab Förderungen streichen, nicht in Häppchen.“ 

Vor zehn Jahren fragte sich der mittlerweile verstorbene Anthropologe David Graeber, warum Bürokratie im Kapitalismus seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion explodiert ist. In vielen Bereichen nahm sie seitdem noch weiter zu – auch weil zentralistische politische Entscheidung fehlten. Statt auf Ziele, Verbote und fixe Zeitpunkte, konnte man sich auf mehr Berichte einigen.  Doch auch wenn jetzt Bürokratieabbau ein beliebtes Schlagwort ist, sollten wir eines nicht aus den Augen verlieren. Was ist das Ziel davon? Soll es weniger Auflagen für die Wirtschaft geben, wie Dengler argumentiert? Oder einen Bürokratieabbau, der eine post-fossile Gesellschaft ermöglicht, wie Klein und Thompson schreiben? Oder etwas ganz anderes?

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.