Nicolescu
Es geht um eine mittel- und längerfristige Betrachtung. Wladimir Putin startete den verrückten Krieg in der Ukraine, der zu einer Energiekrise führte. Preise sind dramatisch gestiegen. Das kann dazu führen, dass Umsätze und Gewinne um ein Mehrfaches höher sind als zuvor. Sehr wichtig ist jedoch nachhaltiges Wachstum. Grundlage dafür ist, dass das Unternehmen in der Lage ist zu investieren. Die OMV selbst hat ein eigenes Aufsichtsrats-Komitee, in dem große Projekte öfters diskutiert und Fragen dazu gestellt werden. Ich setze mich dafür ein, dass es das auch bei OMV Petrom gibt. Aber es geschieht nicht, weil Stern dagegen ist. Er will bei Petrom eine schwächere Aufsicht als in der OMV. Wir haben ein sehr ehrgeiziges Investment im Bereich „Carbon Capture and Storage“ (Anm.: CO2-Abscheidung und -Speicherung) – ein 1,5-Milliarden-Euro-Projekt. Mein Eindruck ist, dass es nicht gut läuft. Da wir aber dem Kapitalmarkt Ziele präsentiert haben, müssen wir liefern. Wir brauchen die richtigen unternehmerischen Rahmenbedingungen und motivierte Leute im Team – nicht Leute mit gepackten Koffern, die in andere Organisationen wechseln (Anm.: Stern hat bereits angekündigt, nur bis August 2026 OMV-Chef zu bleiben).
In Ihrem Brief an Stern schreiben Sie nicht nur, er habe nicht verstanden, dass OMV Petrom nicht sein Eigentum sei. Sie schreiben auch, er habe nicht verstanden, dass Rumänien nicht sein Eigentum sei. Offenbar ein zusätzlicher, nationalistischer Aspekt. Ist OMV Petrom zum Schlachtfeld für politische Spannungen zwischen Österreich und Rumänien geworden?
Nicolescu
Nein, das hat nichts mit Nationalismus zu tun. Ich bin sehr pro-europäisch. Ich würde gerne in den Vereinigten Staaten von Europa leben.
Dennoch waren Sie an vorderster Front, als es wegen Österreichs Schengen-Veto bezüglich Rumänien 2022/23 Spannungen gab. Sie forderten von Österreich Kompensationszahlungen von 200 Millionen Euro pro Monat und haben eine Petition im Europäischen Parlament initiiert. Sind die Spannungen bei OMV Petrom eine Folge davon?
Nicolescu
Nein, da gibt es keine Verbindung. Ich engagiere mich auf EU-Ebene sehr im Bereich der Energiewende. Die Verschiebung von Rumäniens Schengen-Beitritt hat zusätzliche Luftverschmutzung verursacht, weil Lastwägen tagelang bei Grenzkontrollen warten mussten. Aber das ist vorbei – und das ist für beide Länder gut.
Benimmt sich Österreich (Anm.: die OMV gehört zum Teil dem Staat) – aus Ihrer Sicht – imperialistisch, was OMV Petrom betrifft?
Nicolescu
Nein. Der Mehrheitserwerb der Petrom durch die OMV ist bisher eine Win-Win-Situation gewesen. Es gab zwanzig erfolgreiche Jahre. Aber jetzt ist es wichtig, die nächsten 10, 15, 20 Jahre zu planen. Und zwar auf Basis von Gesetzen und bestmöglicher Corporate Governance (Anm.: Strukturen der Unternehmensführung). Die Börse von Bukarest hat neue Regeln – zum Beispiel, wie der Aufsichtsrat gewählt und Aufsichtsrats-Komitees eingerichtet werden sollten. Als börsenotiertes Unternehmen müssen wir uns daran halten. Wenn das jemand nicht möchte, kann er den Rest der Aktien kaufen, um hundert Prozent zu besitzen. Wenn er das aber nicht macht, muss er sich an die Regeln halten. Im Sinne einer erfolgreichen Organisation sollte es ein System der gegenseitigen Kontrolle und Gewaltenteilung („checks and balances“) geben, das im Interesse aller Aktionäre ist, nicht nur eines Aktionärs.
Sie betonen, ein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied zu sein. Aber Sie waren im Jahr 2014 Minister. Und sie gelten medial als Vertrauensperson der rumänischen Regierung. Sind Sie so etwas wie ein inoffizieller Regierungsvertreter?
Nicolescu
Nein. Im rumänischen Staat kennt man mich als jemand, der auf Regeln pocht und der alles, was er macht, mit seinem ganzen Herzen, all seinen Fähigkeiten und mit voller Entschlossenheit angeht. Wahrscheinlich trauen sie mir deshalb und haben deshalb meine Kandidatur für die Wiederwahl zum Aufsichtsrat vorgeschlagen. Es wäre aber illegal, Anweisungen von ihnen zu erhalten oder Aufsichtsratsangelegenheiten mit ihnen zu besprechen, und das mache ich nicht. In einem börsenotierten Unternehmen sollten alle Aktionäre in Sachen Informationszugang gleich behandelt werden.
Wie sollte sich die Beziehung zwischen OMV und Petrom weiterentwickeln?
Nicolescu
Die Beziehung zwischen OMV Petrom, ihrem Mehrheitseigentümer und anderen wichtigen Aktionären ist wichtig. Man kann vieles teilen. Aber wir sollten das in einem Rahmen machen, der dem Gesetz und den Börseregeln entspricht. Das verhindert auch, dass Leute, die in Wahrheit nicht zuständig sind, Entscheidungen treffen. Und dass jemand versteckt Entscheidungen trifft. Es sollte keine parallelen Entscheidungsstrukturen geben. Alles muss transparent und gesetzeskonform ablaufen. Ich will ein widerstandsfähiges Unternehmen mit starker Corporate Governance, das erfolgreich durch die nächsten Jahrzehnte steuern kann. Und niemand soll glauben, dass man mich einschüchtern kann. Ich habe meinen Job gemacht und mache weiter – ungeachtet jeder Form von Druck.
Das Interview wurde in englischer Sprache geführt.