Was stimmt nicht mit Robert Holzmann?

So hört sich das also an, wenn der OeNB-Gouverneur Österreichs Wirtschaftstreibenden Trost spendet: Only the strong survive!

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Wenn Robert Holzmann im Alter meines Sohnes wäre, vier nämlich, würde ich ihm wohl manches nachsehen. Bei uns daheim geht so einiges kaputt, weil mein Sohn dazu neigt, erst zu handeln und dann – vielleicht, selektiv - nachzudenken. Robert Holzmann ist Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und seit wenigen Tagen 71, somit Teil der Risikogruppe.

Holzmann gehört zu den älteren Mitmenschen, die Sebastian Kurz‘ Aufruf, doch bitte daheim zu bleiben, trotzig nicht folgen. Am Montag nahm er im Finanzministerium zunächst an einer Pressekonferenz teil, um anschließend dem „Standard“ ein Interview zu geben. Und was für eins. Holzmann nutzte die Gelegenheit für ein kleines Best of Böse. Auf die Gefahr gehäufter Unternehmensinsolvenzen angesprochen sagte er: „Von Insolvenzen sind wir in Österreich noch entfernt, und Insolvenzen gehören auch in guten Zeiten zur Wirtschaft dazu.“ Mit Hinweis auf das staatliche Hilfspaket urgierte er: „Man muss aber sicherstellen, dass nur die überlebensfähigen Firmen überleben, die anderen, die auch ohne Krise aus dem Markt ausgeschieden wären, sollen nicht überleben.“ Dies deshalb, weil: „Jede Wirtschaftskrise ist auch eine Reinigung, Sie kennen sicher Joseph Schumpeter und seine Theorie der schöpferischen Zerstörung. Schon die Geldpolitik der letzten Jahre mit Null- und Negativzinsen hat diese Reinigungskraft etwas unterbrochen. Man kann eine Krise auch dazu nützen, gestärkt daraus hervorzugehen.“

Das kann man vor allem dann besonders gut, wenn man gemütlich im Ledergestühl seines Vorstandsbüros sitzt und weiß, dass der Job auch morgen noch da. Erst recht, wenn man wie Holzmann kein Tag seines Berufslebens in der Privatwirtschaft verbracht hat (Quelle: sein Lebenslauf auf der OeNB-Website).

So geht also Zynismus. Fragen dazu: Wer soll wie vernünftig feststellen, welche Firma „auch ohne Krise aus dem Markt ausgeschieden wäre“ und welche nicht? Wer wird entscheiden, welche Firma mit staatlicher Hilfe überlebt und welche nicht? Robert Holzmann? Schumpeters Geist? Die Würfel?

Tatsächlich werden das die Beamten des Finanzministeriums, die Leute der Förderstellen und die Bankdirektoren entscheiden müssen. Und wie das so ist mit Ermessensentscheidungen: Es wird viele richtige und einige falsche geben. Und die eine oder andere politische. Je nachdem.

Ich rätsle ja bis heute darüber, wie es der Not leidende Salzburger Baukonzern Alpine in der Finanzkrise geschafft hatte, an Staatsgarantien zu kommen, obwohl das damalige Hilfspaket der Regierung ausdrücklich nur für „gesunde“ Unternehmen gedacht war. Alles schon da gewesen. Und ja, Robert Holzmann hat das ernst gemeint. Er tickt genau so. Erst vor wenigen Monaten hatte er drei langgediente Führungskräfte rausgeschmissen, weil ihm mal eben danach war. Der OeNB-Generalrat musste ihn daraufhin zurückpfeifen, was für die OeNB, die Hüterin der Stabilität, schon urpeinlich war. Am Tag nach Erscheinen des "Standard"-Interviews ging die Europäische Zentralbank in einer Presseaussendung auf Distanz zum OeNB-Gouverneur, der ja selbst im EZB-Rat sitzt. Auch das war zum Fremdschämen - wie so vieles in diesen Tagen.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.