Der erste Verhandlungstag bestand also im Wesentlichen aus den Eröffnungsplädoyers der Anklagebehörde und von Benko-Anwalt Norbert Wess. Am Mittwoch, dem zweiten Prozesstag, folgten im Schnelldurchlauf dann mehrere Zeugeneinvernahmen: ehemalige Vertraute beziehungsweise Mitarbeiter Benkos sowie sein Insolvenzverwalter – der Signa-Gründer ist seit März 2024 als Einzelunternehmer in Konkurs. Die Verteidigung wartete mit einem Überraschungszeugen auf – zu ihm später mehr. Benkos Mutter, seine Ehefrau und seine Schwester wiederum lehnten allesamt eine Zeugeneinvernahme ab – als nahe Angehörige des Angeklagten steht ihnen das vom Gesetz her zu. Sie mussten auch gar nicht bei Gericht erscheinen.
Dann folgten die Schlussvorträge der WKStA und der Verteidigung, eine gut dreiviertelstündige, nicht-öffentliche Beratung der vorsitzenden Richterin Andrea Wegscheider mit den beiden Schöffen – und schließlich die Urteilsverkündung. 24 Monate unbedingte Haft brummte der Senat Benko in Bezug auf einen der beiden Anklagepunkte auf.
Geld-Geschenke mit der Mutter
Der Grund: Benko hatte im November 2023, als es rund um die Signa zunehmend eng wurde, von seiner Mutter die stolze Summe von 1,5 Millionen Euro geschenkt bekommen – offenbar als Unterstützungsleistung. Das Geld stammte ursprünglich aus einer Familienstiftung Benkos in Liechtenstein, die auch in Bezug auf weitere Verdachtsmomente im Signa-Ermittlungskomplex eine wichtige Rolle spielt. Das war in diesem ersten Prozess jedoch überhaupt nicht ausschlaggebend. Dem Gericht ging es nur um das eng eingegrenzte Faktum, dass Benko seiner Mutter einen Teil der Summe, nämlich 300.000 Euro, seinerzeit wieder zurücküberwiesen hatte. Dafür habe es keinen Rechtsgrund gegeben, erläuterte Richterin Wegscheider: „Damit ist es erledigt. Das reicht für die Krida“.
Aus Sicht des Gerichts, das damit der Ansicht der WKStA folgte, entzog Benko das Geld mit der Rücküberweisung seinen Gläubigern. Das Argument der Verteidigung, Benko habe die Summe einige Tage später im Rahmen einer weiteren, größeren Schenkung von seiner Mutter wieder retour bekommen, ließ der Schöffensenat nicht gelten. Das wäre bestenfalls als nachträgliche Schadensgutmachung zu sehen. Das Krida-Delikt sei jedoch bereits verwirklicht gewesen.
Auch die sogenannte subjektive Tatseite – also, dass Benko eine Schädigung der Gläubiger zumindest für möglich hielt und sich damit abfand – sah das Gericht als gegeben an. Benkos Anwalt Norbert Wess blieb nach der Verhandlung hingegen dabei, dass aus seiner Sicht keine betrügerische Krida vorgelegen sei. Das Geld wäre wieder zu Benko retour gekommen. Das Gesetz sei hier „sehr, sehr eng ausgelegt“ worden – aus seinem Verständnis heraus „zu eng“. Bezüglich möglicher Rechtsmittel wollte er sich mit seinem Mandanten beraten: „Es ist eher wahrscheinlich, dass es passiert, als dass es nicht passiert.“
Prozess mit Signalwirkung
Auch, wenn es sich beim ersten Benko-Prozess – gemessen an der Milliarden-Pleite der Signa – um ein Mini-Verfahren gehandelt hat: Eine gewisse Signalwirkung für die weitere, wohl noch viele Jahre dauernde Aufarbeitung der riesigen Causa, lässt sich daraus wohl doch ableiten.
Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass ein Gericht auch bei einem isoliert betrachteten, relativ kleinen Delikt eine vergleichsweise harte Strafe aussprechen kann. Benko wurden – nicht rechtskräftig – für einen Schaden von 300.000 Euro zwei Jahre unbedingte Haft aufgebrummt. Auch, wenn die Fälle nicht eins zu eins gleichzusetzen sind: Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser erhielt seinerzeit in erster Instanz für den rund dreißigfachen Schaden die vierfache Strafe, rechtskräftig in zweiter Instanz dann gar nur noch die doppelte. Kommt es bei Benko zu weiteren – in der Folge rechtskräftigen – Verurteilungen in dieser Größenordnung, könnte die Maximalstrafe von zehn Jahren erreicht sein, bevor überhaupt alle Ermittlungen abgeschlossen sind. Nochmals sei betont: Er bestreitet sämtliche Vorwürfe und kann sowohl gegen die Verurteilung als auch gegen die Strafhöhe Rechtsmittel einlegen.
Blick auf die WKStA
Der erste Prozess in Innsbruck war jedoch nicht nur wegen Benko und der Vorwürfe gegen ihn interessant. Die Gerichtsverhandlung ermöglichte auch einen seltenen, unmittelbaren Einblick in die Arbeit der WKStA. Wird akribisch genug ermittelt? Verfolgt die Anklagebehörde zielführende rechtliche Strategien und Ansichten? Bis dato läuft vieles bei den Signa-Ermittlungen so, dass die Öffentlichkeit zwar die Grundzüge erfährt, aber wenig von den Details. Umso wichtiger scheint es, die Tätigkeit der Anklagebehörde dort genauer unter die Lupe zu nehmen, wo die Möglichkeit dazu besteht: bei Gericht.
Auf der Haben-Seite kann die WKStA aus dem ersten Benko-Prozess mit Sicherheit mitnehmen, dass die Rechtsansicht in Bezug auf die Rück-Schenkung auch für das Gericht überzeugend war. Darüber hinaus dürften die Vertreter der Anklagebehörde bei jenen Erläuterungen von Richterin Wegscheider gut zugehört haben, die unter Umständen ein wenig über den aktuell Anlassfall hinausreichen könnten.
So habe sich – laut der Richterin in der mündlichen Urteilsbegründung – Aufgrund der Liquiditätssituation im Herbst 2023 der Anschein ergeben, dass „Benko Liquidität sichern wollte – und nicht bei sich selbst“. Er sei über jede Zahlung informiert gewesen. Außerdem verwies Wegscheider auf den Umstand, dass die Überweisungen der Mutter an Benko zunächst als „Darlehen“ bezeichnet gewesen seien – und man erst nachträglich eine schriftliche Schenkungsvereinbarung aufgesetzt habe. „Es drängt sich auf, dass 2024 versucht wurde, dem Geld ein anderes Mascherl zu geben“, meinte die Richterin. Und sinngemäß: Es dränge sich der Eindruck auf, dass man versucht habe, vor dem Hintergrund der Insolvenz Zahlungen zu legitimieren.
Zweite Anklage bald vor Gericht
Das sind Aussagen, die man bei der WKStA mit dem Blick auf weitere, noch laufende Krida-Ermittlungen wohl mit Interesse vernommen haben wird und die man aus dem Verfahren quasi mitnehmen kann. Eine echtes Plus aus Sicht der Ermittler – vielleicht schon in ein paar Wochen: René Benko und seine – in diesem Fall mitangeklagte – Ehefrau haben vor Kurzem Einsprüche gegen eine zweite Anklageschrift der WKStA wegen des Verdachts der betrügerischen Krida zurückgezogen. Dabei geht es um einen bei Verwandten aufgestellten Tresor mit Bargeld und Luxusuhren, profil berichtete ausführlich. Einem weiteren Prozess in Innsbruck dürfte somit nichts mehr im Wege stehen. Was würde sich besser in ein Ankläger-Plädoyer fügen, als einigermaßen passende Aussagen einer Richterin desselben Hauses?
Der erste Benko-Prozess könnte jedoch auch Anlass für die WKStA liefern, eigene Herangehensweisen kritisch zu hinterfragen. Dabei geht es weniger um den Umstand an sich, dass es in einem der Anklagepunkte zu einem Freispruch gekommen ist – Freisprüche sind nicht zwingend als Niederlage für eine Anklagebehörde zu verstehen, die ihrerseits ja keine Urteile spricht, sondern einen Verdacht nur bis zu einem gewissen Grad herausarbeiten muss. Hier ist es jedoch die Art und Weise, wie es zu dem Teil-Freispruch gekommen ist, die ein gewisses Potenzial zur Nachjustierung in der Ermittlungsarbeit offenbart.
Überraschungszeuge der Verteidigung
Konkret ging es beim zweiten – eigentlich größeren – Anklagepunkt um eine Mietvorauszahlung im Oktober 2023 für eine Villa in Innsbruck in der Höhe von 360.000 Euro. Die WKStA vertrat in der Anklageschrift die Ansicht, dass die Immobilie damals noch gar nicht bewohnbar gewesen und der Zahlung daher kein entsprechender Wert gegenübergestanden sei – eine absichtlich herbeigeführte Vermögensschmälerung also. Anwalt Wess argumentierte vor Gericht hingegen, dass die Villa sehr wohl bewohnbar gewesen sei, und präsentierte diesbezüglich einen Überraschungszeugen. Der Mann war damals auf technischer Seite mit dem Haus befasst gewesen und bestätigte nun unter Wahrheitspflicht rundheraus die Bewohnbarkeit. Auch andere Verfahrensergebnisse ließen an der Grundannahme der WKStA Zweifel aufkommen.
Dafür, dass die Villa von Beginn an nicht bewohnbar gewesen sei, gebe es „aufgrund des Verfahrens keine Basis“, urteilte letztlich Richterin Wegscheider. Mehrere Leute hätten ausgesagt, dass man Ende 2023 dort wohnen hätte können. Das Gericht ging jedoch nicht nur davon aus, dass die Immobilie bewohnbar gewesen sei, sondern dass Benko dort auch tatsächlich wohnen wollte – er habe entsprechendes Interieur bestellt und Leute beauftragt, argumentierte die Richterin. Was danach passiert sei, stehe – sinngemäß – auf einem anderen Blatt Papier. Benkos Familie ist offenbar erst deutlich später in das Haus eingezogen.
Die Höhe der Miete von 7.500 Euro pro Monat für die 320-Quadratmeter-Villa in Panoramalage hielt das Gericht auch nicht für überzogen: „In Innsbruck kostet jeder Keller 1000 Euro“, merkte Wegscheider trocken an. Dass ein allfälliger späterer Hangrutsch an der Angemessenheit etwas geändert hätte, sei für das Gericht nicht feststellbar gewesen. Und was nicht feststellbar sei, gehe zugunsten des Angeklagten.
Keine Einvernahme in WKStA-Ermittlungen
Stellt sich eine Frage: Weshalb hat die WKStA den Überraschungszeugen der Verteidigung nicht selbst im Ermittlungsverfahren befragt? Immerhin erwähnt ein Benko-Vertrauter diesen Mann in einem Mail an den Signa-Gründer, das prominent als Beweismittel in der Anklageschrift zitiert ist. Im Unterschied zu Benko und dessen Vertrauten ist der Mann allerdings nicht Beschuldigter und hätte daher sogar unter Wahrheitspflicht aussagen müssen. Die WKStA hätte in der Folge entweder diesen Anklagepunkt fallen lassen oder in der Anklageschrift eine andere Stoßrichtung wählen können.
WKStA-Sprecher Martin Ortner sagt auf profil-Anfrage: „Wir können ein Urteil, das noch nicht schriftlich vorliegt, nicht kommentieren.“
Offensichtlich sind die WKStA und ihre Oberbehörden, welche die Anklageerhebung genehmigt haben, davon ausgegangen, den Sachverhalt auf Basis schriftlicher Belege – zum Beispiel einer Kostenschätzung – ausreichend beweisen zu können. Eine mögliche Erkenntnis aus dem ersten Benko-Prozess: Es könnte gut investierte Zeit sein, Kommunikationsketten, die bei Ermittlungen zutage treten, auch in Form von Einvernahmen bis zum Ende zu verfolgen. Und sei es nur, um vor Gericht nicht überrascht zu werden.
Man wird sehen, ob die WKStA ihrerseits Rechtsmittel anmeldet und zum Beispiel versucht, unabhängig von der Frage der Bewohnbarkeit der Villa auf der rechtlichen Ebene zu argumentieren. Verteidigung und Anklage haben nach dem erstinstanzlichen Urteil drei Tage Bedenkzeit um zu entscheiden, ob sie gegen das Urteil in die nächste Instanz ziehen. Anfang der Woche wird sich also zeigen, ob „Benko 1“ in die zweite Runde geht.