Vegane Burger in der Krise: Zu wenig Appetit?
Eigentlich hätte „Schillinger’s Swing Kitchen“ eine Erfolgsgeschichte aus dem Weinviertel werden können. Der Ex-Wall-Street-Banker Karl (Charly) Schillinger übernahm den elterlichen Landgasthof in Niederösterreich und machte daraus 2001 ein Restaurant mit veganer und vegetarischer Speisekarte – eine kleine Revolution in Zeiten, in denen Schnitzel und Schweinsbraten stellvertretend für Wirtshauskultur galten. Danach zog es Schillinger nach Wien, um in die Systemgastronomie einzusteigen – diesmal mit veganen Burgern. Das Konzept ging auf und traf den Nerv der 2010er-Jahre. Sogar die Expansion in die deutsche Hauptstadt Berlin gelang.
Die Swing Kitchen sollte ein Generationenprojekt werden, erzählt Schillinger im profil-Gespräch. Sein Name ziert inzwischen nicht mehr das Logo des Unternehmens. Ende des Vorjahres ist der Gründer, seit Jahrzehnten überzeugter Veganer, aus dem veganen Gastroimperium ausgestiegen. Heute steht sein einstiges Prestigeprojekt vor der Pleite.
Charly Schillinger
gilt als Pionier in der veganen Gastronomie. Der Ex-Banker übernahm 2001 den elterlichen Landgasthof in Großmugl (Niederössterreich) und stellte die Karte auf vegetarisch/vegan um. 2015 gründete er die vegane Burgerkette Swing Kitchen, die er 2024 verließ.
Vom Bio-Supermarkt in den Diskonter
Mittlerweile sind rein pflanzliche Lebensmittel gesellschaftlich weitgehend akzeptiert – nicht nur geschmacklich, sondern auch preislich. Während vegane Gerichte früher fast ausschließlich in hippen Szenelokalen und Bio-Supermärkten zu finden waren, gehören sie heute auch in den meisten Mensen und Diskontern zum Standardrepertoire. Für die pflanzliche Gastronomie bedeutet das: massentauglich werden.
„Früher wurde vegan eher noch als Premiummarke vermarktet”, erklärt Felix Hnat vom Verein „Vegane Gesellschaft Österreich“. Premium – das bedeutete große Markenauftritte, exklusive Produktlinien und vor allem: teuer. Heute finden sich vegane Lebensmittel fast überall – in der Gastronomie, als auch im Lebensmittelhandel, das sorgt für Konkurrenz und leistbare Preise.
Der Trend zu tierfreien Alternativen schien jedenfalls unaufhaltsam – jetzt folgt die Ernüchterung: Die Swing Kitchen steht finanziell massiv unter Druck, das vegane Burgerpatty von McDonald’s verschwand still und leise von der Karte, und in der veganen Burger-King-Filiale brutzeln wieder Fleischlaibchen. Sind vegane Burger dennoch ein Verlustgeschäft?
Jeder, der nur irgendwie „vegan“ gerufen hat, hat sofort Investoren für sein Konzept gefunden.
veganer Gastronom
Die „Vegane Gesellschaft“ geht davon aus, dass sich fünf Prozent der Menschen in Österreich ausschließlich vegan ernähren. Dazu kommen weitere zehn Prozent, die sich vegetarisch oder pescetarisch (ohne Fleisch, aber mit Fisch) ernähren. Doch für die vegane Gastronomie ist besonders eine Gruppe attraktiv: die Flexitarier – Menschen, die zwar Fleisch konsumieren, aber der vegetarischen und veganen Küche offen gegenüber stehen. Laut Marktforschung machen sie mittlerweile 37 Prozent der Bevölkerung aus. Dass in der veganen Ernährung wirtschaftliches Potenzial liegt, blieb mittlerweile nicht unbemerkt.
Vegane Selbstbereinigung
Aber ist die vegane Gastronomie noch rentabel? Schillinger spricht von einer „Selbstbereinigung“ des Marktes. „Speziell in Wien hat es viele Entrepreneure gegeben. Die allermeisten Lokale von denen haben wieder zugesperrt“, erzählt er. Vor allem bis 2019 galt die vegane Gastronomie als boomender Sektor: „Jeder, der nur irgendwie ‚vegan' gerufen hat, hat sofort Investoren für sein Konzept gefunden.“ Ein Hype, der sich inzwischen gelegt hat – wer heute nicht die Balance aus Geschmack, Preis und Wirtschaftlichkeit findet, hätte kaum eine Chance.
Nichtsdestotrotz: Im Vergleich zur tierischen Fleischwirtschaft kämpfen Produzenten pflanzlicher Alternativen weiterhin mit hohen Investitionen in die Produktentwicklung. Impossible Foods, einer der internationalen Marktführer im Bereich Fleischersatz, investierte zuletzt weitere 200 Millionen Dollar in Forschung und Entwicklung. Entsprechend hoch seien auch die Renditeerwartungen der Aktionäre – was sich letztlich im Preis der Produkte niederschlage, erklärt Schillinger. Hinzu kommt: steuerliche Begünstigungen und Skaleneffekte mache die tierische Produktion deutlich kostengünstiger.
Auch Schillinger musste für die Gründung der Swing Kitchen auf Investoren setzen – war mit den Miteigentümern aber nicht immer einer Meinung. Seit 2024 ist er nicht mehr Teil des Unternehmens – aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über den Expansionskurs, wie er im Gespräch mit profil betont. Ab 2018 expandierte die Restaurantkette nach Deutschland – alles in Eigenregie, ohne Partner. Das bedeutete: Jeder neue Standort in jeder neuen Stadt musste von Wien aus gesteuert werden.
Ein strategischer Fehler, wie Schillinger heute meint – und zugleich der Grund für seinen Ausstieg ist. Sein größtes Learning nach zehn Jahren in der Systemgastronomie: „Mach das nur in deiner eigenen Stadt. Und wenn du darin gut bist, findest du Franchisenehmer für andere Städte.“ Schillinger plädierte gegenüber den anderen Eigentümern für ein Franchisesystem, wo lokale Partner Swing Kitchen Filialen betreiben. Denn ein Restaurant im 600-Kilometer entfernten Berlin zu führen, sei von Wien aus ein immenser Aufwand, so Schillinger. Seine Partner sahen das anders, denn je mehr in Eigenregie geleistet wurde, umso höher fiel die Gewinnmarge aus.
Wie groß der Hype um vegane Burger wurde, zeigte sich etwa 2021, als Burger King eine eigene vegane Filiale am Wiener Westbahnhof eröffnete – ein viel zitierter PR-Coup. Dass nur wenig später wieder auf das reguläre Sortiment umgestellt wurde, sorgte bei Gästen für Verwirrung. Für vegan-affine Gäste macht das allerdings wenig Unterschied: Statt auf ein einzelnes Vorzeigelokal zu setzen, bietet Burger King mittlerweile fleischlose Burger in allen Filialen an. Konkurrent McDonald’s hingegen nahm sein veganes Burgerpatty ganz aus dem Sortiment – „aufgrund geringer Nachfrage bei unseren Gästen“, wie die Burgerkette erklärt. Stattdessen setzt das Unternehmen nun auf ein Gemüse-Patty.
Was sich zeigt: Der Markt für veganes Fastfood ist hart umkämpft – zu spüren bekommt das jetzt der einstige Burgerpionier Swing Kitchen. Neben der allgemeinen „Konsumzurückhaltung“ und gestiegenen Energie- und Personalkosten, erklärt die Unternehmensgruppe die finanzielle Schieflage mit der wachsenden Konkurrenz von veganen Speiseangeboten. Warum aber nur die Holdinggesellschaft und lediglich eine Filiale von der Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, wollte das Unternehmen auf profil-Anfrage nicht kommentieren. Dass nun Schillingers einstiges Prestigeprojekt teilweise in die Insolvenz schlittert, kann sich der Ex-Eigentümer nicht erklären. Unter seiner Führung hätten alle Betriebe positiv gewirtschaftet.
Was bleibt: ein Markt, in dem Überzeugung allein nicht mehr reicht. Gefragt seien nun marktfähige Produkte, die sich skalieren lassen – um in der breiten Bevölkerung leistbar zu werden, meint Felix Hnat von der Veganen Gesellschaft. Auch abseits vom Hype.