Eine Person hält ein Handy in der Hand auf dem steht "Wir haben deine Werbeanzeige abgelehnt", daneben ein Screenshot von Kickls und Greenpeace Facebookseite
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Was das Werbe-Aus auf Facebook für Kickl und Greenpeace bedeutet

Seit Mitte Oktober ist politische Werbung auf Meta und Google EU-weit verboten. Das betrifft neben Parteien auch NGOs und Medien. Die einen fürchten um ihre Reichweiten, die anderen um hohe Spendensummen. Wie reagieren sie?

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Fast jeder ist ihnen schon einmal begegnet: jungen Menschen in grünen Jacken, die vor Einkaufszentren und U-Bahn-Stationen Passanten ansprechen – mit einem flotten Spruch und einem Klemmbrett in der Hand. Die Rede ist von Greenpeace-Fundraisern, die Spenden für die Umweltschutz-NGO sammeln.

Doch Greenpeace kämpft längst nicht nur auf der Straße um Unterstützer. Seit 2019 steckte der Österreich-Ableger der Organisation mehr als 1,2 Millionen Euro in Facebook-Werbung. Online lassen sich Zielgruppen schließlich viel gezielter ansprechen, also targetten.

Nun ist vorerst Schluss damit: Die Facebook-Mutter Meta und Google blockieren seit dem 10. Oktober politische Werbung. Die Plattformen legen den Begriff weit aus – so weit, dass auch Umweltschutzkampagnen darunter fallen. Betroffen sind neben Parteien und Interessensvertretungen wie der Arbeiterkammer auch NGOs und Medien.

Damit kommen Meta und Google neuen EU-Regeln zuvor, die strengere Transparenzpflichten für politische Werbung vorsehen, aber kein generelles Verbot gebracht hätten. Für NGOs und Parteien in Österreich heißt das: Ein wichtiger Kommunikationskanal fällt weg. Mögliches Kalkül von Meta und Google: Die Player, die um ihre Werbemöglichkeiten umfallen, könnten Druck auf die nationalen Regierungen und die EU machen, damit sie die strengeren Transparenzregeln für die Plattformen wieder fallen lassen.

Die Europäische Kommission verteidigt das Ziel, Werbeanzeigen auf Sozialen Netzwerken für User transparenter zu gestalten: “Sowohl Meta als auch Google sind Privatunternehmen, die ihre eigenen Entscheidungen treffen”, heißt es auf Anfrage von profil. Man würde aber weiterhin mit den Techkonzernen Gespräche führen und stehe zudem mit Mitgliedsstaaten in Kontakt, um die möglichen Effekte des Werbe-Aus zu analysieren.

TikTok-Werbung als Wahlkampfinstrument

Selten wurde so viel über die Macht von Social Media im Wahlkampf diskutiert. Gedient hat das vor allem rechten Parteien. Die algorithmische Logik, die Emotion und Empörung belohnt, kommt Populisten entgegen. 

Wie sensibel politische Werbung im Netz ist, zeigen Fälle weit über Österreich hinaus – etwa in Rumänien, wo es zu Beeinflussungsversuchen kam. Der später annullierte Sieg des rechten und prorussischen Kandidaten Călin Georgescu im Jahr 2024 wurde auch auf eine Tiktok-Unterstützerkampagne mit zahlreichen Fake-Accounts zurückgeführt, die den Algorithmus befeuerte und seine Reichweite massiv nach oben trieb.

Nicht nur Parteien machen sich Social Media-Werbung zunutze, sondern auch NGOs. Keine andere Fanpage, die aus Österreich betrieben wird, steckte seit 2019 mehr Geld in Meta-Werbung als Greenpeace. Nicht einmal die Seite von FPÖ-Chef Herbert Kickl.

Greenpeace macht kein Geheimnis um die Relevanz von Online-Marketing: „Soziale Medien sind die beste und kostengünstigste Art, Jung und Alt für den Schutz unserer Wälder, Meere und des Klimas zu gewinnen. Die Alternative wäre, etwa Flugblätter zu drucken. Doch damit verliert man nicht nur kostbare Zeit – es kostet auch viel Geld und belastet durch die Unmengen an Papier die Umwelt. Mit sozialen Medien können wir sehr schnell sehr viele Menschen mobilisieren.“

Nie wieder Facebook-Aktivismus?

Greenpeace verfolgte auf Facebook und Co. bisher vor allem zwei Ziele: Mitstreiter zur Unterschrift für Petitionen gewinnen, darunter etwa eine zur Freilassung von hundert gefangenen Walen in Russland – 100.000 Menschen unterzeichneten damals in kürzester Zeit, das sei in einer vordigitalen Zeit nicht denkbar gewesen, sagt Greenpeace. Das zweite Ziel war für die Organisation mindestens genauso wichtig: Spenden sammeln, und zwar zum Teil auch mit unkonventionellen Methoden.

Gezielt umworben wurden auch ältere Menschen: Mit der Botschaft, bei ihrem Testament an Greenpeace zu denken. Der „kostenlose Testamentsratgeber ‚Ein Leben lang und länger‘“ klärt darüber auf, wie das geht. Auf Anfrage teilt die NGO mit, dass im Schnitt etwa vier solcher Testamentsspenden pro Jahr eingingen, „Tendenz steigend“. Die Nachlässe würden aktuell „rund 2,5 Prozent unseres Spendeneinkommens ausmachen“.

Anders als andere NGOs nimmt Greenpeace kein Geld vom Staat oder der EU – umso wichtiger war Facebook zur Spendeakquise.

Und jetzt? Nicht jedes Umweltthema entspreche den Meta-Ausschlusskriterien. Daher will die Organisation die Regeln so gut es geht umschiffen – und: „Gleichzeitig prüfen wir alternative Plattformen und Kommunikationswege, um sicherzustellen, dass unsere Botschaften weiterhin sichtbar bleiben.“ Man kann davon ausgehen, dass es nicht sofort gelingen wird, das Reichweitenminus zu kompensieren.

Eine Million für Zuckerberg

Hinter der Greenpeace-Fanpage schob sich in den vergangenen Jahren die Seite von Herbert Kickl auf Platz zwei der größten Facebook-Werbekunden. Er brachte es in nur vier Jahren Obmannschaft auf die stattliche Summe von einer Million Euro. Das brachte ihm viele Sichtkontakte, insbesondere in Wahlkampfzeiten.

Das Statement aus dem FPÖ-Klub zu den Werbebeschränkungen mutet ein wenig trotzig an: Sie hätten „keinen Einfluss auf unsere erfolgreiche digitale Kommunikationsstrategie. Unsere bisherigen Online-Kampagnen haben gezeigt, dass wir auch ohne bezahlte Werbung eine hohe Reichweite und Interaktion erzielen können.“

Was stimmt: Die FPÖ ist seit Jahren Platzhirsch auf Plattformen wie Facebook und Youtube – andere Parteien folgten spät und mit weniger Erfolg. Wie stark die Freiheitlichen allerdings ohne Werbung performen können, muss sich erst zeigen. Mit Reichweiteneinbußen müssen wohl auch sie rechnen, auch wenn sie darüber lieber nicht öffentlich sprechen.

Könnten Regionalmedien profitieren?

Die grüne Bundespartei sieht nun eine „stärkere Notwendigkeit, organischen Content gezielt auf die jeweilige Plattform und Zielgruppe abzustimmen“. Organisch, das heißt: Postings, die eine natürliche Reichweite erzielen, ohne sie zu bewerben. Die Grünen weiter: „Zudem gewinnen direkte Kommunikationskanäle wie Newsletter oder WhatsApp-Channels an Bedeutung. Für die Bewerbung lokaler Events werden künftig auch Regionalmedien eine noch wichtigere Rolle spielen.“ Anzeigen bei österreichischen Medien – statt bei Digitalkonzernen? Man wird sehen.

Die SPÖ antwortete nicht auf eine profil-Anfrage. Aktuell versucht die Partei, mit ihrem neuen Parteikanal „SPÖ eins“ auf YouTube Fuß zu fassen. „FPÖ TV“, mit mehr als 241.000 Abonnenten, ist wohl uneinholbar.

Und wie bewerten Experten die Entwicklung? Max Wieninger, Direktor der bekannten Digitalagentur Campaigning Bureau, sagt: Das Aus für politische Werbung werde insbesondere denen schaden, die sich online bisher keine Communities aufbauen konnten: „Wer nur auf kurzfristige Reichweite gesetzt hat, wird jetzt einen ordentlichen Reichweitenverlust erleiden.“ Sollte man das Verbot umgehen, könnten einem die Plattformen den Account sperren: „Das ist schon ein hohes Risiko.“

Lukas Bickel von der P&B Agentur, die sich speziell mit politischer Kommunikation beschäftigt, wurde bisher keine Werbeanzeige zurückgeschickt: „Die Kriterien sind weiterhin sehr schwammig”, beobachtet er.

Falls es mit den Anzeigen bei Facebook und Co nicht klappt, bleiben altmodische Werbestrategien. Gut möglich, dass man sie bald wieder öfter sieht: Die Menschen in den grünen Jacken.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist seit Juni 2023 Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef und seit 2025 Mitglied der Chefredaktion bei profil. Gründete und leitet den Faktencheck faktiv.