Kopfschmerz

Migräne: Wie neue Therapien das Leiden erheblich reduzieren

Migräne ist eine Volkskrankheit, aber nur die Hälfte der Betroffenen sucht Hilfe. Wie wirken Botox und Migränespritze?

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Wenn Kassandra Steiner oft hintereinander gähnen muss, heißt das nichts Gutes. Heftige Müdigkeit setzt dann ein, und sie bekommt Heißhunger auf Süßes. Etwas später spürt sie, wie der Spannungsschmerz beginnt, den Nacken hinaufzukriechen. „Dann sagt die Migräne: Jetzt bin ich da, jetzt zwinge ich dich in die Knie“, beschreibt Steiner ihren Zustand. Früher bedeutete das für die heute 50-Jährige: die Vorhänge zuziehen, sich hinlegen, einen Kübel neben das Bett stellen und die Attacke über sich ergehen lassen. Das dauerte oft 72 Stunden lang, mit pochenden Kopfschmerzen und häufigem Erbrechen. In Spitzenzeiten hatte sie solche Episoden mehrmals pro Monat.

Seit zwei Jahren geht es der Wienerin deutlich besser. Die Zahl der Attacken hat sich halbiert, deren Intensität hat abgenommen. Als sie mit profil spricht, hat sie gerade eine solche abgeschwächte Episode hinter sich. Am Samstagabend hatte es mit dem typischen Gähnen begonnen, woraufhin Steiner sofort reagierte und die Schmerzen mit Akutmedikamenten abfing. Sie ging am Montag in die Arbeit, abgeschlagen und müde, „als ob man sich mit einem 30-Kilo-Rucksack bepackt durch den Tag schleppen würde“, und fiel um halb sieben Uhr abends erschöpft ins Bett. Aber sie konnte die Woche bestreiten, ohne auszufallen. „Das ist im Vergleich zu früher großartig“, sagt Steiner, die als Assistentin der Geschäftsführung arbeitet und sich ehrenamtlich in der Selbsthilfeorganisation „Kopfweh Österreich“ engagiert.

Immer noch hält sich hartnäckig die Idee, gegen die Volkskrankheit Migräne ließe sich nichts machen. Hierzulande sind laut der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie mehr als eine Million Menschen davon betroffen. Frauen leiden doppelt so häufig daran, 14 von 100 Frauen und sieben von 100 Männern haben wiederkehrende Attacken. Das Problem: Etwa die Hälfte der Erkrankten hat laut der Medizinischen Universität Wien noch nie ärztliche Hilfe in Anspruch genommen.

Dabei gibt es mittlerweile effektive Therapien und eine Reihe neuer Medikamente, mit denen man die oft lebenslange Krankheit gut in Schach halten kann. „Das Ziel ist, akute Attacken auf zwei Stunden zu begrenzen und deren Zahl zumindest zu halbieren. Das gelingt bei fast allen Patientinnen und Patienten“, sagt Christian Wöber, Leiter der Ambulanz für Kopfschmerz im Allgemeinen Krankenhaus Wien und der MedUni Wien.

Aber woran erkennt man, ob man Migräne hat? Welche Medikamente helfen wirklich? Was können Botox-Behandlungen – und wie wirkt die Migränespritze?

Wie man Migräne erkennt

Waren Sie durch Kopfschmerz im Alltag an zumindest einem Tag in den vergangenen drei Monaten beeinträchtigt? Verspüren Sie Übelkeit oder Brechreiz, wenn Sie Kopfschmerzen haben? Stört Sie Licht, wenn Sie Kopfschmerzen haben?

„Wenn Sie zwei der drei Fragen mit ‚Ja‘ beantwortet haben, so können Sie davon ausgehen, dass Sie Migräne haben“, schreiben Çiçek Wöber-Bingöl und Christian Wöber in ihrem Buch „Kopfschmerz“.

Migräne unterscheidet sich von anderen Kopfschmerzen durch ihre Begleitsymptome. Die wiederkehrenden, manchmal einseitigen, pulsierenden Kopfschmerzen gehen einher mit Übelkeit, Erbrechen, Überempfindlichkeit gegenüber Licht, Lärm oder Gerüchen. Zehn bis 15 Prozent der Betroffenen leiden zusätzlich an der sogenannten Aura, die Sehstörungen wie Blitze oder Flimmern sowie Taubheitsgefühl in Fingern und im Gesicht hervorruft.

Franziska Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.