Ein Mann in Hemad steht vor dem Schriftzug „Blocul Electoral Alternativa“.
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Chișinăus Bürgermeister: „Österreichs Neutralität ist für uns ein Vorbild“

Chișinăus Bürgermeister Ion Ceban tritt am Sonntag bei Moldaus Parlamentswahlen an. Mit profil sprach er über seinen Bruch mit den prorussischen Sozialisten und sein Schengen-Einreiseverbot.

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Ion Ceban hat einen grünen Daumen. Wer in Chișinăus spazieren geht, passiert nicht nur nach Weihrauch riechende orthodoxe Kirchen, sondern auch grüne Parks und mit Bäumen gesäumte Alleen. Seit 2019 ist Ceban Bürgermeister der Hauptstadt Moldaus. Doch der 45-Jährige feilt mittlerweile an seinem Einzug ins Parlament.

Ceban führt das Wahlbündnis Alternativa an, zu dem auch proeuropäische Linke, Christdemokraten und der einflussreiche Ex-Präsidentschaftskandidat der moldawischen Sozialisten Alexandr Stoianoglo gehören. Bei den Parlamentswahlen am Sonntag soll Alternativa laut Umfragen mit einem Ergebnis um die acht Prozent ins Parlament einziehen. Bei den anschließenden Koalitionsverhandlungen könnte Ceban zum Königsmacher werden.

Der Bürgermeister präsentiert sich als proeuropäisch. Doch mit der ebenfalls EU-freundlichen Regierung der Partei der Aktion und Solidarität (PAS) ist er bitter verfeindet. Die PAS sieht ihn wegen seiner früheren Mitgliedschaft bei den prorussischen Sozialisten als Undercover-Agent des Kremls.

profil traf den Bürgermeister in seinem Wahlkampfbüro in Chișinău.

Rumänien hat im Juli ein Einreiseverbot gegen Sie in den Schengenraum verhängt. Warum?

Ion Ceban

Über mehr als fünf Jahren hatte ich als Bürgermeister ich sehr gute Beziehungen zu vielen Städten, Politikern und Bürgermeistern in ganz Rumänien. Wir hatten noch nie so viele Projekte. Als ich meinen Wahlkampf (für die Parlamentswahlen, Anm.) begann, kam auf einmal dieses Einreiseverbot. Das ist eine Verschwörung der PAS und ihrer rumänischen Bruderpartei, der Nationalen Liberalen Partei (PNL), die in der Regierung sitzt.

Rumäniens Außenministerin Oana-Silvia Țoiu nannte „komplizierten Verbindungen“ zwischen Ihnen und Moskau als Grund für das Einreiseverbot. Haben Sie Beziehungen zu Russland?

Ceban

Nein.

Ein Mann in Anzug (Ion Ceban) steht vor Mikrofonen, rechts steht eine Frau.
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Zur Person

Ion Ceban, 45, ist seit 2019 Bürgermeister von Chișinău. Er absolvierte ein Doktoratsstudium in Öffentlicher Verwaltung an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft in Moskau. Von 2012 bis 2019 war Ceban Mitglied der PSRM. Zuvor war er bei Moldaus Kommunisten aktiv. 2022 gründete Ceban die Nationale Alternative Bewegung (MAN), die er seitdem leitet.

PAS wirft Ihnen vor, am Tag des russischen Angriffes auf die Ukraine in Moskau gewesen zu sein. Stimmt das?

Ceban

Ich war mit meiner Familie auf dem Weg nach Thailand und war nur auf Zwischenstopp in Russland. Die Tickets sind für Flüge über Moskau billiger. Als der Krieg begann, bin ich noch am selben Tag abgereist und nach Moldau zurückgekehrt, um mich um die Flüchtlingskrise zu kümmern. Es war reiner Zufall.

Sie bezeichnen die proeuropäische Regierungspartei PAS als autoritär. Warum?

Ceban

PAS regiert allein und hat die absolute Macht in Moldau. Sie besetzt Posten im Verfassungsgerichtshof in illegaler Weise neu – dank der PAS ist die Justizreform gescheitert. Sie verbietet Medien, die ihr nicht passen, und dämonisiert ihre Gegner.

Sie sagten wiederholt, die PAS würde Oppositionelle verfolgen?

Ceban

Einer, den sie einschüchtern wollen, sitzt vor Ihnen. Die PAS müllt unser Team mit Anklagen zu. Erst heute war die Polizei bei mir. Angeblich, weil ein Auto vor meinem Haus falsch geparkt war.

Sie waren von 2012 bis 2019 Mitglied der prorussischen Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM). Warum sind Sie ausgetreten?

Ceban

Der Beginn des Krieges (in der Ukraine, Anm.) hat die Situation verändert. Die PSRM stagnierte intern und veränderte sich kaum. Jetzt bin ich Teil eines jungen und energetischen Teams.

Vier Wahlbündnisse sollen laut den aktuellen Umfragen ins Parlament einziehen: PAS, die prorussischen Sozialisten, die prorussische „Unsere Partei“ und Ihr Wahlblock. Mit wem wollen Sie eine Koalition bilden?

Ceban

Wir sind lösungsorientiert. Wir reden mit allen. Für uns sind die EU-Integration und die Neutralität Moldaus zwei wichtige Säulen für zukünftige Gespräche. Österreichs Neutralität ist für uns ein Vorbild. Moldau liegt zwischen der EU und der Ukraine: Ohne Neutralität wird es in dieser geopolitischen Konstellation keinen Frieden und keine Entwicklung geben.

Wahlplakate kleben auf einem metallenen Billboard, dahinter Menschen, Gebäude und Autos.
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Moldaus Wirtschaft stagniert mit einer Wachstumsrate von nur 0,1 Prozent. Sie machen die regierende PAS dafür verantwortlich. Liegt das nicht an dem Krieg in der Ukraine – immerhin dem größten Nachbarland Moldaus?

Ceban

Sowohl die Kaukasusländer, als auch die Ukraine selbst stehen wirtschaftlich viel besser da als wir. In den letzten vier Jahren wuchs unsere Wirtschaft um nur 0,4 Prozent, während die Inflation in die Höhe schießt und sich unsere Schulden verdoppelt haben. Die jungen Leute verlassen haufenweise das Land.

Was wollen Sie anders machen?

Ceban

Unser Wirtschaftsmodell muss für inländische und ausländische Investoren klar und vorhersehbar sein. Irgendwann wird der Ukraine-Krieg enden. Wir haben die Chance, Moldau zur Drehscheibe für den Wiederaufbau der Ukraine zu machen. Aber dafür müssten wir Straßen und Flughäfen bauen. Darin müssen wir groß investieren.

Raphael  Bossniak

Raphael Bossniak

seit Juli 2025 im Außenpolitik-Ressort. Davor freier Journalist für APA, Kurier und die deutsche Nahostfachzeitschrift zenith. Schwerpunkt Nahost / Kaukasus / Osteuropa.