Morgenpost

Moldau: Putins nächstes Ziel?

Geheimdienste warnen: Putin plant einen Putschversuch in Moldau. Wie realistisch ist das?

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Die Republik Moldau (manche sagen auch Moldawien) gehört zu den kleinsten Staaten in Europa. Aber seit dem Krieg in der Ukraine ist das Interesse an dem Land größer denn je. Denn Russland betrachtet die Ex-Sowjetrepublik als Teil seiner Einflusssphäre. Moldau aber will der EU beitreten und sucht die Nähe zum Westen. Sowohl die Präsidentin als auch die Regierung des Landes sind pro-europäisch. Im Juni hat das Land (gleichzeitig mit der Ukraine) den Status als EU-Beitrittskandidat erhalten. Das politische Chişinău setzt alles daran, die Verbindungen nach Osten zu kappen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Kurz nach der Invasion vor einem Jahr wurden die Direktflüge annulliert. Wer heute von Chişinău nach Moskau reisen will, muss mehrere Zwischenstopps und viel Geld hinlegen, zwischen 600 und 1.000 Euro.

Dieses demonstrative Abwenden gefällt Moskau überhaupt nicht. Das erhöht den Druck auf die Regierung in Chişinău. Dort ist letzte Woche die pro-europäische Regierungschefin Natalia Gavrilița überraschend zurückgetreten. Ein Machtkampf in ihrer Partei soll der Grund sein, aber auch der Unmut im Wahlvolk aufgrund der wirtschaftlich prekären Lage.

Moldaus Energieabhängigkeit

Russland führt einen Energiekrieg gegen Moldau. Das Land ist vollständig auf russisches Gas angewiesen, aber der russische Staatskonzern Gazprom hat die Lieferungen gedrosselt. Hohe Inflation und explodierende Energiepreise (die  Gaspreise haben sich versiebenfacht) waren die Folge. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen, weil das Land an die Energieinfrastruktur der Ukraine angebunden ist, die ja bekanntlich unter Beschuss steht. In Moldau, einem der ärmsten Länder Europas, sind das äußerst schwierige Umstände. Zumal man mitbedenken muss, dass viele Flüchtlinge aus der Ukraine in das kleine Land strömen.

Warnung vor einem Putschversuch

Dazu kommt die angespannte Sicherheitslage. Moldau ist – anders als der Nachbar Rumänien – nicht in der NATO. Am Montag hat die Präsidentin Maia Sandu in einer Fernseh-Ansprache erstmals öffentlich vor „russischen Umsturzversuchen“ in ihrem Land gewarnt. Konkret war von als Zivilisten getarnten „Saboteuren“ die Rede, die „unter dem Deckmantel der russlandfreundlichen Opposition“ gewalttätige Proteste anzetteln könnten. Einen gesellschaftlichen Nährboden gäbe es dafür. Die russischsprachige Bevölkerung wird auf 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung geschätzt. Viele schauen Kreml-treues Fernsehen. Dem russischen Patriarchat unterstehende Priester tragen die pro-russische Propaganda weiter und wettern gegen die NATO und die Staatspräsidentin Maia Sandu.

Welche Beweise hat Maia Sandu?

Die Warnungen vor dem Umsturz basieren auf Geheimdienstdokumenten aus der Ukraine. Sie lassen sich also für die Öffentlichkeit schwer überprüfen. Aber: Ein Blick in das letzte Jahr zeigt, dass die Angst durchaus berechtigt ist. Anfang Februar warnte der russische Außenminister Sergej Lawrow davor, dass Moldau dasselbe Schicksal wie die Ukraine erleiden könnte. Putins Chef-Diplomat bezeichnete Moldau als das nächste „anti-russische“ Projekt. Im Juni 2022 hatte Lawrow behauptet, die moldauischen Behörden würden „alles Russische annullieren“. Die russische Botschaft in Moldau rief die russischsprachige Bevölkerung dazu auf, sich per E-Mail zu melden, sollten sie diskriminiert werden.

All das erinnert stark an die 2014 völkerrechtswidrig annektierte Halbinsel Krim und daran, wie Russland vor einem Jahr seinen Angriff auf die Ukraine gerechtfertigt hat.

Russische Soldaten sind längst da

Und Moldau hat noch ein Problem: Transnistrien. Das ist eine abtrünnige Rebellenrepublik im Osten des Landes, flächenmäßig so klein wie das Burgenland, aber für Putin von großer Bedeutung. Transnistrien wird von Russland unterstützt und hat vor 30 Jahren seine Unabhängigkeit erklärt. International wird Transnistrien nicht als eigenständig gesehen. Aber die völkerrechtliche Anerkennung ist nicht das Ziel Moskaus. Für Russland ist der schmale Landstreifen Aufmarschgebiet und Rückzugsort. Rund 2.000 russische Soldaten sollen dort ein riesiges Waffenlager aus Zeiten der Sowjetunion bewachen.

Jetzt besteht die Angst, dass Russland seine Truppen im Süden der Ukraine mit jenen in Transnistrien verbinden könnte. Derzeit verfügt Moskau nicht über solche Kapazitäten. Militärbeobachter halten es für unwahrscheinlich, dass sich russische Soldaten bis in den Osten Moldaus durchschlagen könnten. Fällt aber – und das ist eine düstere Prognose – die Hafenstadt Odessa in die Hände Russlands, dann könnte Putin den Marsch Richtung Transnistrien anordnen. Transnistriens Hauptstadt Tiraspol liegt lediglich zwei Autostunden von Odessa entfernt.

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.