Stefan Melichar, Martin Ortner, Anna Thalhammer, Marina Delcheva und Jakob Winter im Theater Akzent.
Bild anzeigen

WKStA-Sprecher zu Kurz-Ermittlungen: „Man hängt Jahre im Verfahren“

Kurz, Ibiza, Casinos – profil diskutierte die brisantesten Justizcausen der Republik mit Martin Ortner, dem Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Ein Abend über Enthüllungen, PR von Beschuldigten und den Kronzeugenstatus.

Drucken

Schriftgröße

profil lud zum Finale der Veranstaltungsreihe „Unbequeme Wahrheiten“ ins Theater Akzent in Wien. Thema waren die großen Staatsaffären der vergangenen Jahre, zu denen profil zahlreiche Aufdeckergeschichten publizierte. Auf der Bühne begrüßte profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer: den Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Martin Ortner, sowie Marina Delcheva, Stefan Melichar und Jakob Winter aus der profil-Redaktion. Thema des Abends: Aufdeckungsjournalismus – und die Ermittlungsarbeit, die oft parallel dazu läuft.

Ortner hielt gleich zu Beginn fest, wie er das Verhältnis zwischen Redaktion und Behörde sieht: „Ihr seid die Aufdecker, wir sind die Aufklärer.“ Die WKStA, seit 2011 in ihrer heutigen Form aktiv, betreut aktuell rund 200 Großverfahren. Wirtschaftskriminalfälle ab einer Schadenssumme von fünf Millionen Euro, Korruptionsfälle ab 3000 Euro. Der Behörde stehen dafür rund 50 Oberstaatsanwält:innen, ein Dutzend Wirtschaftsexpert:innen und eine eigene IT-Einheit zur Verfügung. Viele dieser Ermittlungen würden Fälle betreffen, mit denen Menschen im Alltag konfrontiert sind – etwa Anrufe von falschen Polizisten oder komplexe Kryptobetrugs-Maschen.

Der Abend behandelte auch eine Frage, die sowohl Journalist:innen als auch Ermittler beschäftigt: Warum dauern manche Verfahren so lange? 

Ortner erklärte das an einem prominenten Beispiel – der Inseratenaffäre rund um Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz. „Es gibt zwei Stränge, die sich mit zwei verschiedenen Medienhäusern beschäftigen.“ Weil Journalist:innen durch ein Berufsgeheimnis geschützt sind, brauche es zu den sichergestellten Dokumenten ein Sichtungsverfahren; Betroffene können Widerspruch einlegen, dass Dokumente zum Akt genommen werden, womit ein Richter befasst wird. Das verlängere Abläufe erheblich: „Man hängt drei Jahre im Verfahren, ohne zu wissen, was da drinnen steht.“ Für Ortner dennoch unverhandelbar: „Das journalistische Berufsgeheimnis muss es geben.“

Stefan Melichar, Martin Ortner, Anna Thalhammer, Marina Delcheva und Jakob Winter im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Stefan Melichar, Martin Ortner, Anna Thalhammer, Marina Delcheva und Jakob Winter im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Musikerin Ankathie Koi singt im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Martin Ortner und Anna Thalhammer im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Stefan Melichar im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Großaufnahme der Bühne im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Marina Delcheva im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Stefan Melichar, Martin Ortner und Anna Thalhammer im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Anna Thalhammer, Marina Delcheva und Jakob Winter im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Marina Delcheva und Jakob Winter im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Anna Thalhammer im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Martin Ortner und Anna Thalhammer im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Musikerin Ankathie Koi singt im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Marina Delcheva im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Anna Thalhammer im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Stefan Melichar, Martin Ortner und Anna Thalhammer im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Stefan Melichar, Martin Ortner, Anna Thalhammer, Marina Delcheva und Jakob Winter im Theater Akzent.
Bild anzeigen
Musikerin Ankathie Koi singt im Theater Akzent.
Bild anzeigen

Dass die Ermittlungen durch PR-Arbeit der Beschuldigten intensiv begleitet werden, ist für die WKStA Routine – aber herausfordernd. „Dieses Verfahren hat durch die Medienarbeit der Beschuldigten eine andere Dimension“, sagte Ortner. Die Behörde veröffentlichte zuletzt am Freitag eine Richtigstellung zur sogenannten Inseratenaffäre. Alle Involvierten haben den Vorwurf stets bestritten, dass Umfragen im Sinne von Kurz in der Boulevardzeitung „Österreich“ platziert worden sein sollen, finanziert vom Finanzministerium.

Auch die „nach einer Insel benannte“ (Ortner) Causa war Thema. Der Akt umfasst inzwischen rund 5050 Ordnungsnummern. Bei jeder der Nummern handelt es sich um ein Dokument, das von einer bis   zu mehreren tausend Seiten lang sein kann. Der Inseraten-Akt hält aktuell bei etwa 6000 Ordnungsnummern. Damit erklärt die WKStA, warum sich diese Verfahren so lange ziehen.

In dem Verfahren, das der Ausgangspunkt für alle anderen Ermittlungen war, könnte es bald zu einer Entscheidung kommen: Es geht um den Verdacht eines angeblichen Deals zwischen der FPÖ unter Ex-Chef Heinz-Christian Strache und dem Glücksspielkonzern Novomatic. Die WKStA schickte im Vormonat einen Vorhabensbericht an die Oberbehörden, um mitzuteilen, ob sie anklagen oder einstellen will. Erst nach einer Freigabe durch die Oberbehörden wird die Entscheidung öffentlich.

Korruptionsdelikte passieren im Verborgenen, nur ein kleiner Kreis an Involvierten weiß Bescheid. Ein wichtiges Werkzeug der Ermittler: der Kronzeugenstatus. Wenn ein Mittäter oder Mitwisser auspackt, kann er mit einer Diversion davonkommen. WKStA-Sprecher Ortner erklärte die Begriffsherkunft mit einem Witz. Das Wort Kronzeuge kommt aus dem angelsächsischen Recht und bedeutet „für die Krone aussagen“, also den König. Ortner mit einer Spitze: „In der Regel sagen Kronzeugen für die Krone aus, nicht dagegen.“ Damit könnte eine reichweitenstarke Tageszeitung gemeint sein. Zuletzt wurde dem langjährigen Kurz-Intimus Thomas Schmid und der Meinungsforscherin Sabine Beinschab (sie spielt in der Inseratenaffäre eine Rolle) der Kronzeugenstatus zuerkannt. Schmid musste dafür im Rahmen einer Diversion 260.000 Euro berappen. 

Zum 55-jährigen profil-Jubiläum richtete Ortner noch einen augenzwinkernden Gruß an die Redaktion: „Ihr seid’s quasi die Boomer.“ Die WKStA sei deutlich jünger.

Alle weiteren Themen, Nähkästchen-Geschichten und das Chat-Rollenspiel von profil-Wirtschaftschefin Marina Delcheva und Digitalchef Jakob Winter hören Sie demnächst in einer Spezialausgabe des Podcasts „Nicht zu fassen“.

Die Causen zum Nachlesen:

Die Causen zum Nachhören:

Die Events zum Nachhören:

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.