
Die 1.654 Meter hoch gelegene, von Grund auf neu erbaute Voisthalerhütte am Hochschwab (Steiermark) ist dank Solarstrom und Rapsöl-Blockheizkraftwerk energieautark. Sie wurde aus regionalem Lärchenholz gefertigt und 2022 mit dem Umweltgütesiegel für Alpenvereinshütten ausgezeichnet.
Nachhaltig erholt
Tourist:innen sind eine Plage. Sie verursachen acht Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen, zerstören die Natur und überlasten die Infrastruktur. Tourist:innen sind aber auch ein Segen: In Österreich verdanken wir ihnen 14 Prozent des BIPs und 678.300 Arbeitsplätze – und mit dieser Zahl erfasst die WKO nur Jobs rund um die Beherbergung der Gäste.
Ein Dilemma? Nein, eine Chance.
Der Trend zum nachhaltigen Urlaub erlaubt es Hotellerie und Gastronomie, Ländern und Regionen, mit neuen Schwerpunkten und gezielten Investitionen ihr Alleinstellungsmerkmal im umkämpften Tourismusmarkt herauszuarbeiten. Sustainable Travel ist nämlich längst kein Nischenthema mehr.
Laut einer im Sommer 2025 veröffentlichten Deloitte-Studie ist 63 Prozent der Österreicher:innen Nachhaltigkeit im Tourismus wichtig, 59 Prozent ein respektvoller Umgang mit der Natur. „Bewusstes Reisen abseits vom gewohnten Massentourismus rückt immer mehr in den Fokus der Österreicherinnen und Österreicher“, sagt deshalb auch Harald Breit, CEO der Unternehmensberatung Deloitte. „Auf lange Sicht können nachhaltige Angebote einen echten Wettbewerbsvorteil für die heimische Tourismusbranche darstellen.“
Denn es sind nicht nur die Österreicher:innen, die am Urlaubsort einen schlanken CO₂-Fußabdruck hinterlassen wollen. Im aktuellen Sustainable-Travel-Report der Reiseplattform booking.com erklären gleich drei Viertel der 31.000 weltweit befragten Reisenden, in den nächsten zwölf Monaten nachhaltiger als bisher reisen zu wollen. Mehr als die Hälfte will dafür auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel umsteigen.
Für Eva Brucker, Studiengangsleiterin Innovation & Management in Tourism an der FH Salzburg, ist Nachhaltigkeit deshalb „die Grundvoraussetzung für erfolgreichen Tourismus.“ Sie meint damit unter anderem „die Regionalität, die sich in der Verpflegung widerspiegeln soll. Aber auch den Umgang mit Müll und Mobilität, die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung und nicht zuletzt das Thema Overtourism.“
Nachhaltiger Tourismus ist für sie deshalb nicht optional. Sondern alternativlos.
„Im Tourismus leben wir vom Landschafts- und Naturerlebnis, vom Eintauchen in die lokale Kultur. Tourist:innen suchen Authentizität und Qualität, beeinflussen beide Bereiche aber auch häufig mit negativen Auswirkungen. So beraubt sich der Tourismus teilweise der Grundlagen, die für mittel- und langfristigen Erfolg wichtig sind. Deshalb ist es eine Grundvoraussetzung, den Tourismus nachhaltig zu gestalten und seine wichtigen Ressourcen zu bewahren.“
CO₂-sparsam
Mit Hilfe des KI-Tools nista.io spart die St. Martins Therme & Lodge in Frauenkirchen (Burgenland) rund 20 Prozent der jährlichen Energiekosten ein. Klimafreundlich wirkt sich auch die Installierung einer PV-Anlage am Dach sowie die Überdachung der Pools außerhalb der Öffnungszeiten aus.
Paradigmenwechsel läuft.
Die gute Nachricht aus heimischer Sicht: Österreich ist für den Paradigmenwechsel in der Tourismusbranche gut gerüstet. Im globalen Sustainable-Travel-Index lag unser Land 2023 sogar auf Platz drei von 99 untersuchten Nationen. „Eine Anerkennung dafür, wie sehr die Tourismusbranche kontinuierlich in allen Aspekten der Nachhaltigkeit Fortschritte macht“ nennt das Katrin Erben, Nachhaltigkeits-Expertin der Österreich Werbung. Aber kann das stimmen – in einem Land, in dem Seilbahnkaiser herrschen und der Klimawandel am liebsten mit Schneekanonen bekämpft wird?
Baumreich
Das Mostviertel in Niederösterreich setzt voll auf seine namensgebende Spezialität – und fördert den Erhalt von Europas größtem geschlossenen Mostbirnbaumgebiet mit der Pflanzung von rund 3.300 neuen Bäumen pro Jahr. Der ökologische Obstbau als Touristenattraktion ist Kern einer sanften Tourismus-Strategie, die Arbeitsplätze schaffen, das kulturelle Erbe wahren und Transportwege kurz halten soll.
„Falsches Vorurteil“, sagt Dagmar Lund-Durlacher, Professorin für Tourismusforschung im Zentrum für Nachhaltigen Tourismus (ZENAT). „Österreich wird im Ausland als sehr nachhaltig wahrgenommen. Die neue Tourismusstrategie gibt ein Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ab und gezielte Fördermaßnahmen vor. Und was Seilbahnen und Schneekanonen angeht: Verglichen mit einer Kreuzfahrt oder einer Flugreise auf die Malediven ist ein Skiurlaub in Tirol definitiv die nachhaltigere Alternative.“
Grünes Konzept
Die Zillertal Arena (Tirol) ist ein Musterbeispiel für umweltbewusste Skigebiete: Allein die PV-Anlage an der Sesselbahn im Hochkrimml spart 25 Tonnen CO₂ ein – damit könnte eine Person 200-mal von Wien nach Mallorca fliegen. Weitere Maßnahmen: die Abwärmenutzung des Biomasseheizwerks in Gerlos für Seilbahn und Beschneiung sowie ein Mobilitätskonzept mit Skibusnetz und E-Ladestationen.
Mit der neuen Tourismusstrategie meint Lund-Durlacher den 2019 vorgestellten „Plan T“, auf dessen Weiterentwicklung sich ÖVP, SPÖ und NEOS im April geeinigt haben. Unter den Zielen: Österreich soll sich „als grüne Destination positionieren“, „Strukturen für eine nachhaltige Mobilität schaffen und Konnektivität verbessern“. Bei der Finanzierung hilft die Österreichische Tourismusbank, deren Fördersystem neuerdings gezielt nachhaltige Investitionen unterstützt.
Doch wie halten Herr Urlauber und Frau Touristin echte Nachhaltigkeit und greengewaschenes PR-Geschwurbel auseinander? Zum Beispiel mit Hilfe des Österreichischen Umweltzeichens UZ 82, das Destinationen seit 2023 online beantragen können. Im Juni 2023 erhielt Seefeld als erste Destination offiziell das UZ 82, inzwischen wurden weitere zehn Destinationen in Salzburg (Saalfelden, Wagrain), Tirol (Kaunertal, Kufsteinerland, Pitztal), Kärnten (Nassfeld/Lesachtal/Weissensee), Vorarlberg (Montafon) und dem Burgenland (Nord-, Süd- und Mittelburgenland) ausgezeichnet.
Abfallvermeidung
Der Grieskindl-Markt in Graz steht unter dem Motto „Less waste“ und verkauft ausschließlich handgefertigte Produkte lokaler Künstler:innen und Handwerker:innen. Der nachhaltige Christkindlmarkt wird gemeinsam vom Kreativ- und Vintagecafé Omas Teekanne und dem Citymanagement Graz ausgerichtet.
Überall hat der nachhaltige Tourismus, der allen Beteiligten zugute kommen soll, aber noch nicht Einzug gehalten. Den Hallstätter:innen zum Beispiel platzte vor zwei Jahren der Kragen: Sie blockierten im August 2023 die einzige Ortszufahrt, um gegen den Overtourism zu protestieren – das 700-Seelen-Dorf zieht jährlich eine Million Besucher:innen und bis zu 10.000 Gäste pro Tag an. Versprochene oder diskutierte Zugeständnisse wie Besucherobergrenzen, reduzierte Bus-Slots und neue Gebührensysteme wurden aber bis jetzt nicht umgesetzt.
Awareness
Der Tourismusverband der Region Saalfelden Leogang (Salzburg) bietet die erste geführte Wanderung zum Thema Klimawandel an. Das Wissenstransfer-Projekt klärt über die lokalen Gefahren des Klimawandels auf – z. B. Lawinen, Muren und Hochwasser – und macht erlebbar, was 1,8 Grad Temperaturunterschied (veränderter Jahresschnitt in Leogang im Vergleich zum Durchschnitt 1971–2000) bedeuten.
Text: Alexander Lisetz