Wie ganz früher - nur ganz anders
Vielleicht ist Lukas Windholz der schlaueste Bauer Österreichs. Denn er beschloss schon vor neun Jahren, nicht unter dem Klimawandel leiden zu wollen, sondern von ihm zu profitieren. „Die Idee hatte ich, als meine damalige Freundin Melonen aus Omas Garten mitgebracht hat. Das ganze Haus hat geduftet, und ich wusste: Die will ich auch anbauen.“ Inzwischen sind seine „Brucker Melonen“ ein Verkaufsschlager. Und bescheren dem seit fünf Generationen in Bruck an der Leitha (Niederösterreich) ansässigen Familienbetrieb saftige Rendite. Damit sie im heimischen Klima gedeihen, setzt Windholz die Wasser-, Honig- und Zuckermelonen-Jungpflanzen („Heuer waren es 7.000“) erst nach den Eisheiligen bei mindestens 13 Grad aus und setzt auf die uralte Anbaumethode Dammkultur: „Damit vermeide ich Staunässe.“
„Die Landwirtschaft der Zukunft muss zugleich zurück und nach vorn schauen. Ich gehe neue Wege, setze dabei aber auf uralte Anbaumethoden.“
Lukas Windholz, Brucker Melonen
Weiterwursteln? Keine Option.
Ein radikales Umdenken ist nicht nur in Bruck an der Leitha nötig. Bei zunehmender Erderwärmung drohen bis Ende des Jahrhunderts weltweite Ernteeinbußen von bis zu 40 Prozent, ergaben im Fachjournal Nature veröffentlichte Daten aus 12.658 Regionen in 54 Ländern. Durch ihre Lage in der Mitte der europäischen Landmasse sind die heimischen Landwirtschaftsbetriebe besonders stark von Hitze- und Extremwetterereignissen betroffen.
Zugleich ist die Landwirtschaft in Österreich laut Umweltbundesamt für zehn Prozent der im Land ausgestoßenen Treibhausgase verantwortlich. Bio-Austria-Obfrau Barbara Riegler schlägt als Gegenmaßnahme „standortangepasstere Tierhaltung und effizienteres Düngemanagement für den Klimaschutz, schonende Bodenbearbeitung durch vielfältige Fruchtfolgen und Zwischenfrüchte für die Klimaanpassung“ vor. Und sie fordert von der Politik Unterstützung: „Ökologische und umweltfördernde Leistungen müssten honoriert, Bio muss in der öffentlichen Beschaffung, etwa in Schulen und Spitälern, viel stärker berücksichtigt werden.“
Eine Besinnung weg vom industrialisierten Raubbau und hin zum verantwortungsbewussten Teamwork mit Mutter Natur wäre nicht nur für Ökosystem, Landschaft, Gesellschaft und Gesundheit ein Gewinn. Sondern auch für die Betriebe, deren Zahl von 2020 bis 2023 laut Landwirtschaftskammer um weitere 9.745 oder 8,8 Prozent schrumpfte. „Klimaschutz ist keine Gefahr, sondern eine Chance“, sagt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung. „Investitionen in den Klimaschutz sind langfristig kostengünstiger – für Umwelt, Gesellschaft und (Agrar-)Wirtschaft.“

Mehr Biodiversität auf Nutzflächen (links), automatische Futtermittelproduktion (rechts).
Altes Wissen, neue Methoden
Welche dieser Investitionen besonders nützlich wären, untersucht zum Beispiel die Ökologin Theresia Markut vom Forschungsinstitut für Ökologischen Landbau (FIBL). Ihr Fachgebiet: die Agroforstkultur, eine uralte Landwirtschaftsform, die aktuell ein Revival erlebt. Landwirtschaftliche Nutzflächen werden darin gezielt mit Gehölzen durchsetzt – im Grünland, am Acker, aber auch inmitten von Dauerkulturen wie Wein. Um der Definition zu entsprechen, müssen die Gehölze durch ihre Früchte und Nüsse oder als Edellaubholz nutzbar sein und mit ihrer Umgebung in systemischem Austausch stehen: mittels Hydraulic Lift, der andere Nutzpflanzen mit Wasser aus tieferen Bodenschichten versorgt, als Lebensraum für bestäubende Tiere, als Bodenstabilisierer oder Humusproduzent. „So erbringen die Gehölze nicht nur Ökosystemdienstleistungen zugunsten der Biodiversität. Sie stellen auch die Balance aus Schädlingen und Nützlingen gerade.“
Mit High-Tech zurück zur Natur
Beim Verkleinern des ökologischen Fußabdrucks hilft auch die moderne Technologie. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP 2023-2027) forciert die Einführung der Präzisionslandwirtschaft, bei der landwirtschaftliche Produktionsprozesse mit Hilfe digitaler Technologien (Boden- und Temperatursensoren, Drohnen, Satelliten und Farmmanagementsysteme) optimiert werden.
Parallel dazu mischen heimische Start-ups den Markt auf. Das Tullner Biotechnologieunternehmen Ensemo „impft“ etwa Saatgut mit nützlichen Mikroorganismen. Die patentgeschützte SeedInjection-Technologie ersetzt als biologische Alternative giftige Agrochemikalien, hilft der Pflanze beim Wachsen oder fördert die Aufnahme von Luftstickstoff. Und die Wiener Gründerin Katharina Unger erzeugt mit ihrem Insektenzucht-Start-up Livin Farms mittlerweile 100.000 Tonnen organisches Material pro Jahr, vor allem für die Futtermittelindustrie. Im Vergleich zur Produktion von Sojaprotein spart sie damit 92 Prozent Emissionen ein.
Text: Alexander Lisetz